PK BURGTHEATER "SPIELEPLAN 2022/2023" - KUSEJ

Burgtheater bringt viele Regisseurinnen

Nie zuvor war ein Burgtheater-Spielplan derart weiblich. Mit vielen großen Namen bewirbt sich Martin Kušej für eine zweite Amtszeit

Martin Kušej lässt es krachen: In der nächsten Saison gibt es Stücke von Arthur Schnitzler, Ferdinand Raimund, Thomas Bernhard, Ödön von Horváth, Peter Handke, Daniel Kehlmann, Tony Kushner und William Shakespeare. Eine Uraufführung jagt die nächste. Man dramatisiert Romane nicht nur von Thomas Mann („Der Zauberberg“) und Fjodor M. Dostojewskij („Dämonen“), sondern auch von Yasmina Reza („Serge“), Maria Lazar („Die Eingeborenen von Maria Blut“) und Raphaela Edelbauer („Das flüssige Land“). Kein Spielplan war so weiblich wie der, den der Chef am Donnerstag im Akademietheater vorstellte.

 

Man könnte zusammenfassen: Martin Kušej, seit dem Herbst 2019 Direktor, dient sich für eine Vertragsverlängerung an. Denn im Herbst wird sein Job ausgeschrieben werden. Und auf Nachfrage bestätigte er, dass er sich bewerben werde: „Ich bin hier noch nicht fertig.“

Budget im Griff 

Zunächst rekapitulierte er zusammen mit Robert Beutler, dem kaufmännischen Geschäftsführer, die zwei Jahre der Pandemie. Die Omikron-Welle hätte das Haus bis an die Belastbarkeitsgrenze gefordert. In der laufenden Saison gab es 192 Spielplan-Abänderungen oder Absagen. Doch die Kraft des Theaters sei ungebrochen, und anders als in Deutschland, wo Direktoren noch immer über einen Besucherrückgang von 40 Prozent klagen würden, stiegen die Zahl der Abonnenten und auch die Auslastung wieder; man liege derzeit bei 65 Prozent, übers Jahr gerechnet könnte man auf 63 Prozent kommen. Man hätte – aufgrund diverser Hilfsmaßnahmen – auch das Budget im Griff: „Wir werden nicht negativ abschließen.“

Neue Werbekampagne - mit den Porträts der Ensemblemitglieder: Birgit Minichmayr, Dörte Lyssewski, Itay Tiran, Mavie Hörbiger

©Sergi Pons / Burgtheater

Nun macht Kušej dem Publikum Angebote – unter dem Motto „Du bist nicht allein“, wie einst Roy Black gesungen habe: Er möchte das Burgtheater „als eine Art Zufluchtsort, eine Andockstation, in die man mit seinen Sorgen und seinen Gefühlen gehen kann“, verstanden wissen. Und es gibt sogar Sachen zum Lachen: Tina Lanik zum Beispiel inszeniert „Wie es euch gefällt“, Anita Vulesica „Der Raub der Sabinerinnen“.

Deklarierter Pazifist

Im Bereich der Regie dominieren die Frauen eindeutig im Akademietheater wie in den Nebenspielstätten: Rieke Süßkow bringt Peter Handkes „Zwiegespräch“ zur Uraufführung, Sara Ostertag „Das flüssige Land“. Lily Sykes inszeniert Yasmina Reza, Lucia Bihler „Die Eingeborenen von Maria Blut“, Barbara Frey „Das weite Land“ und so weiter. Kušej meint, „dass Frauen das einfach supergut machen“. Bloß der große Tanker bleibt eine Männerdomäne: Nur zwei der acht Produktionen sind in Frauenhand (Mateja Koležnik inszeniert „Kasimir und Karoline“, Tina Lanik „Wie es euch gefällt“). Kušej widmet sich dem Film „Nebenan“ und der Familiengeschichte „Drei Winter“ der kroatischen Dramatikerin Tena Štivičić.

 

Als deklarierter Pazifist und ehemaliger Zivildiener bezeichnete sich der Kärntner Slowene angesichts des Ukraine-Krieges und der in Deutschland losgebrochenen Debatte über Waffenlieferungen „im Moment sehr existenziell verwirrt“. Sich mit einer Entscheidung Zeit zu lassen (wie der deutsche Kanzler) sei nicht falsch. Eines sei sicher: „Ich lehne Krieg ab.“

Porträts der Ensemblemitglieder: Michael Maertens, Regina Fritsch

©Sergi Pons / Burgtheater

Spielplan: Geister, Gespenster und Dämonen

Direktor Martin Kušej und Dramaturg Andreas Karlaganis kündigten rund 25 Produktionen an, darunter  elf Ur- oder Erstaufführungen. Zudem soll Anfang Februar 2023 das 50-Jahr-Bühnenjubiläum von Klaus Maria Brandauer begangen werden.

Der Reigen beginnt am 2. September im Akademietheater mit Arthur Schnitzlers „Das weite Land“ (Regie: Barbara Frey, mit Michael Maertens als Hofreiter, Katharina Lorenz, Dorothee Hartinger, Branko Samarovski). Dort folgen das Auftragswerk „Please Right Back“ von Suzanne Andrade (8. 10., ab 8 Jahre), „Engel in Amerika“ von Tony Kushner (12. 11., Regie: Daniel Kramer), „Zwiegespräch“ von Peter Handke (8. 12., Regie: Rieke Süßkow), Maria Lazars „Die Eingeborenen von Maria Blut“ (20. 1., Regie: Lucia Bihler), „Serge“ von Yasmina Reza (23. 2., Regie: Lily Sykes), „Chopins Herz“ von Dead Centre nach Geschichten aus Olga Tokarczuks „Unrast“ (18. 3.), „Der Raub der Sabinerinnen“ von Franz und Paul von Schönthan (15. 4., Regie: Anita Vulesica).

Das Burgtheater startet am 4. September mit „Ingolstadt“, einer Kompilation zweier Dramen von Marieluise Fleißer, die am 27. 7. bei den Salzburger Festspielen Premiere hat (Regie: Ivo van Hove). Zudem: „Nebenan“, basierend auf dem gleichnamigen Film von Daniel Kehlmann und Daniel Brühl (15. 10., Regie: Martin Kušej), „Dämonen“ nach Fjodor M. Dostojewskij (25. 11., mit Nicholas Ofczarek, Regie: Johan Simons), William Shakespeares „Wie es euch gefällt“ (17. 12., Regie: Tina Lanik), „Der Zauberberg“ nach Thomas Mann (28. 1., Regie: Bastian Kraft), „Die gefesselte Phantasie“ von Ferdinand Raimund (25. 2., mit Maria Happel, Regie: Herbert Fritsch), Ödön von Horváths „Kasimir und Karoline“ (24. 3., Regie: Mateja Koležnik) und  „Drei Winter“ von Tena Štivičić (22. 4., Regie: Martin Kušej ).

Im Kasino: „Am Ziel“ von Thomas Bernhard (14. 10., mit Dörte Lyssewski, Regie: Matthias Rippert), „Extrem teures Gift“ von Lucy Prebble (26. 11.), „Das flüssige Land“ nach Raphaela Edelbauer (4. 2., Regie: Sara Ostertag). Zudem fünf Produktionen für Kinder im Vestibül.

Thomas Trenkler

Über Thomas Trenkler

Geboren 1960 in Salzburg. Von 1985 bis 1990 Mitarbeiter (ab 1988 Pressereferent) des Festivals „steirischer herbst“ in Graz. Seit 1990 freier Mitarbeiter, von 1993 bis 2014 Kulturredakteur bei der Tageszeitung „Der Standard“ in Wien (Schwerpunkt Kulturpolitik und NS-Kunstraub). Ab Februar 2015 Kulturredakteur beim “Kurier” Kunstpreis 2012 der Bank Austria in der Kategorie Kulturjournalismus für die Recherchen über die NS-Raubkunst seit 1998 und die kontinuierliche Berichterstattung über die Restitutionsproblematik (Verleihung im Februar 2013).

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