
Bestseller-Autorin Ursula Poznanski: "Außer, er ist es doch"
Wie gefährlich kann ein Spiel werden? Ursula Poznanski, eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Autorinnen, beendet ihre „Erebos“-Saga im Zeitalter von ChatGPT und Deepfakes. Ihre Visionen wirken realer denn je.
Löwenmähne, entschlossene Stimme, ansteckendes Lachen – und ein wacher Blick, der nie zur Ruhe kommt: Aber Ursula Poznanski ist nicht nur eine beeindruckende Erscheinung, sie hat in den letzten fünfzehn Jahren auch ein beeindruckendes Werk geschaffen – Thriller für Jugendliche wie Erwachsene, gesellschaftskritisch, temporeich, oft mit einem düsteren Blick auf Technik, Macht und Manipulation.
Sie ist Dauergast auf den Spiegel-Bestsellerlisten, allein Fantasy-Thriller „Erebos“ wurde millionenfach verkauft, in 38 Sprachen übersetzt, und ist Schullektüre.
Mit „Teufels Tanz“ präsentierte Ursula Poznanski im Frühjahr den Abschluss ihrer mörderischen Wien-Trilogie rund um die eigensinnige junge Ermittlerin Fina Plank, nun erscheint mit „Erebus 3“ das Finale ihrer Kult-Reihe um Künstliche Intelligenz, die als beliebtes Spiel beginnt, aber ein bedrohliches Eigenleben entwickelt. Mehr und mehr gewinnt sie Einfluss auf unser tägliches Leben – und nur eine Handvoll junger Londoner kann sie stoppen.
Mit der freizeit sprach die Autorin über Frauen in Männerberufen – und das mulmige Gefühl, wenn die Fiktion der Realität zu nahe kommt.

Ursula Poznanski und Andreas Bovelino sprechen über Verbrechen ...
©kurier/Wolfgang WolakAls vor 15 Jahren der erste Erebos-Teil herauskam, spielte er auf revolutionäre Weise mit der Verknüpfung von virtueller Realität und dem echten Leben. Sind Sie überrascht, wie teilweise schon angsteinflößend die Realität mit der Fiktion gleichzieht?
Wenn wir über KI sprechen und die Möglichkeiten von Virtual Reality, dann hat die Gegenwart mit dem ersten Buch nicht nur gleichgezogen, sondern es überholt. Da wurde ja noch die DVD dieses geheimnisvollen Spiels weitergegeben, heute haben wir nicht einmal mehr DVD-Laufwerke in PCs! Dafür unterhalten wir uns mit „intelligenten“ Bots, fragen sie um Rat, lassen sie Aufgaben für uns erledigen. Und brauchen dafür nicht einmal mehr einen PC ...
Diese Entwicklung fließt im zweiten bereits Teil ein, der vor knapp sechs Jahren erschienen ist.
Ja genau, hier lädt sich das Spiel selbstständig aufs Handy beziehungsweise die Festplatte. Und von dort aus kann es uns eben auch belauschen – und auch direkt in das Leben der Menschen eingreifen, hat Zugriff auf Mails, Apps ...

Und wie sind Sie konkret auf den Erfolgsstoff von Erebos gekommen? Damit haben Sie ja richtiggehend einen Nerv getroffen.
n den späten Nullerjahren wurden Spiele immer populärer, bei denen man mit echtem Geld seine Spielcharaktere stärker machen, besser ausrüsten konnte. Teilweise wirklich langweilige, gar nicht so gut gemachte Spiele. Aber die Leute zahlten, und bei manchen hatte man auch praktisch keine Chance, wenn man nicht echtes Geld investierte. Mich hat es dann gereizt, dieses System entscheidend zu verschärfen: Ein Spiel, das richtig viel bietet – aber auch sehr, sehr viel verlangt. Nicht nur ein paar Euros.
Ja, stimmt. Man wird dann auch gerne so ein wenig schief angeschaut: Was, du SPIELST?, und so. Aber ich finde Spiele sind ein wirklich spannender Teil unserer modernen Popkultur, der oft fantasievoll und teilweise auch fantasieanregend gemacht ist. Aber so ein richtiger Gamer, der muss ja auch unfassbar viel Zeit hineinstecken, damit er besser wird. Das tu ich nicht, die Zeit hab ich einfach nicht.
Ich spiele meist mit einer Art Kämpfer, also Ritter, Paladin, Amazone. Ein Charakter, mit dem du gleich von Beginn an in Zweikämpfen bestehen kannst. Als Magier oder Heiler bist du am Anfang immer das arme Schwein, das nach dem Kampf liegen bleibt.
Zwischen den ersten beiden Teilen liegen neun Jahre – und ihr Held Nick wurde vom Teenager zum jungen Erwachsenen. Mit welchem Zeitsprung dürfen wir beim neuen Band rechnen? Inzwischen sind auch wieder fast sechs Jahre vergangen.
Ja, die ersten beiden Bücher spielen quasi in Echtzeit. Das war spannend, nicht nur wegen der Technologie, sondern auch weil Nick als Student mir schreiberisch zusätzliche Aspekte eröffnet. Zur Handlung des neuen Buchs ist allerdings nur ein weiteres Jahr vergangen, weil ich doch mehr Kontinuität wollte. Sonst hätte Nick ja vielleicht schon eine Familie und Kinder ...
Ohne zu spoilern: Wird es ihm gelingen, auch diesmal die KI in ihre Schranken zu verweisen?
(lacht) Nur so viel: Es geht noch um entscheidend mehr als in den ersten beiden Teilen.
Wenn Sie das sagen, dürfen wir Ihnen auf jeden Fall glauben. Ihr Name wurde im Fantasy- und Young-Adult-Genre ja tatsächlich zur Marke: Auf den Covers steht in riesigen Lettern einfach „Poznanski“.
Ja, erstaunlich, damit hatte ich auch nie gerechnet. Im Gegenteil, der Name ist eigentlich ja etwas sperrig. Aber das hat mit dem ersten Erebos-Teil angefangen. Da stand noch U. Poznanski auf dem Umschlag. Und ich bin mir noch immer nicht ganz sicher, ob der Verlag ursprünglich nur ein wenig bemänteln wollten, dass das eine Frau geschrieben hat.

Ursula Poznanski: „Erebos 3“, Loewe Verlag, 448 Seiten, ca. 23 Euro, Erstauflage mit opulentem Farbschnitt und geprägter Signatur der Autorin auf dem Vorsatz
©LoeweWieso sollte er das?
Weil es eben mit dem Thema Computerspiel doch ziemlich sehr auf junge Männer und Burschen abzielt. Was ja auch tatsächlich funktioniert, erstaunlicherweise. Aber ich glaube, eigentlich ist es den Lesern egal, ob so ein Roman jetzt von einem Mann oder einer Frau geschrieben wurde.
Eine Frau in einer Männerwelt – damit sind wir bei der zweiten Trilogie, die Sie heuer abgeschlossen haben. Aber bevor wir auf die Ermittlungen der Wiener Mordgruppe eingehen, eine kurze Frage: Wie machen Sie das? Im Frühling „Teufels Tanz“, jetzt „Erebos 3“ – schreiben Sie an zwei Büchern gleichzeitig?
(lacht) Nein, auf keinen Fall! Das könnte ich wirklich nicht ... Aber ich bin schon sehr diszipliniert beim Schreiben. Ich habe eine fixe Anzahl von Anschlägen, die ich pro Tag erfülle, und gebe mir selbst ein halbes Jahr pro Buch. Dann geht das, je nach Veröffentlichungstermin, auch mit zwei Büchern relativ knapp hintereinander.
Eine bewundernswerte Arbeitsmoral ... Aber zurück zu Ihrem Thriller. Da haben Sie mit Fina Plank eine Polizistin entworfen, die gar nicht dem Bild entspricht, das wir heute vor allem durch Streaming-Serien von Ermittlerinnen kennen: supertough, superstark, macht reihenweise die bösen Jungs platt ...
Ja, und superschön auch noch dazu. Hat nur ein Problem mit einem blöden Ex und vielleicht mit Alkohol ... Das ist tatsächlich schon ziemlich Klischee mittlerweile. Merkwürdig eigentlich, wie etwas zum Klischee wird, das ursprünglich eingeführt wurde, um „anders“ zu sein, einem bestimmten Frauenbild eben NICHT zu entsprechen. Aber nein, Sie haben Recht: Das wollte ich auf keinen Fall, das wollte ich brechen.
Also präsentieren Sie uns Ihre Ermittlerin Fina als normale junge Frau ...
Sie ist ziemlich clever! Aber ja, doch sehr normal, durchschnittlich eigentlich. Und natürlich hat es mich interessiert, wie sich so eine Frau in der Männerwelt der Mordkommission zurechtfindet. Diese Mordgruppen sind ja Teams aus fünf bis sechs Beamten – und da gab es in einigen nicht eine einzige Frau, als ich vor fünf Jahren für den ersten Band recherchiert habe. Und unter diesen Voraussetzungen finde ich es die spannendere Frage: Wie setzt eine junge Frau sich hier durch, ohne „der härtere Mann“ zu sein, irgendwen im Armdrücken zu schlagen oder besser Karate zu können als die Kollegen?
Die vielen Leser scheinen Ihnen in dieser Hinsicht auf jeden Fall Recht zu geben. Wie geht man an so einen Kriminalfall ran, der sich über drei Bücher erstreckt? War Ihnen das Ende mit seiner ausgefeilten Backstory genau so klar, als Sie vor vier Jahren zu schreiben begonnen haben?
Ja, doch. Das steht bei mir von Beginn an fest. Der Weg dorthin ist an manchen Stellen variabel, die Charaktere entwickeln sich, biegen manchmal auch für mich überraschend wo ab – aber das Ziel ist klar und verändert sich auch nicht.
Als ich Sie nach dem zweiten Band interviewt habe, haben Sie mir versprochen, dass ich den Mörder bereits kenne. Dass Sie nicht plötzlich einen Psychopathen aus dem Hut zaubern werden ...
(lacht) Und ich habe nicht gelogen, oder?

Ursula Poznanski: „Teufels Tanz“, Knaur HC Verlag, 368 Seiten, ca. 18 Euro;
©KnaurNein, aber Sie haben mich dann doch einigermaßen überrascht!
Ach, wirklich? Und ich dachte schon, dass es vielleicht zu klar ist ... Eigentlich kann man es schon ganz gut erahnen, nicht? ! Aber ich freu mich natürlich, wenn die Überraschung gelungen ist.
Zum Glück bin ich keine Ermittlerin in einer Mordgruppe. Aber zumindest bin ich nicht lange auf den „Red Herring“, also die falsche Spur hereingefallen. Spätestens seit Agatha Christie wissen wir ja: Der erste Verdächtige ist es nie.
Stimmt. Außer, er ist es doch. Hin und wieder muss er auch der Mörder sein, sonst nutzt er sich ab. Dann bräuchte man ihn ja gar nicht mehr präsentieren ...

Da haben Sie auch wieder Recht. Der Fall ist geklärt, aber die Tür ist noch einen kleinen Spalt offen, beim Ende musste ich ein klein wenig an „Das Schweigen der Lämmer“ denken. Besteht die Chance, dass wir Fina noch einmal in Aktion sehen?
Lustig, dass Sie das sagen – von dieser Assoziation habe ich erst vor einigen Tagen von einem Bekannten zum ersten Mal gehört! Und ja, stimmt, es gäbe vielleicht EINEN Grund, den Faden wieder aufzunehmen. Aber ich denke wirklich nicht, dass ich das tun werde. Prinzipiell schließe ich Dinge gerne richtig ab – und wende ich mich dann mit Begeisterung neuen Abenteuern zu.
Die wir mit Spannung erwarten. Vielen Dank für das Gespräch.
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