City Farm im Augarten

Wie mit Urban Gardening die Nachbarschaft blühen soll

Beim Urban Gardening wachsen nicht nur Pflanzen in der Großstadt, sondern im Idealfall gedeiht auch die Gemeinschaft. Wie das funktionieren kann und was aus dem einst hippen Guerilla Gardening geworden ist

In Parks, Hinterhöfen oder auf Brachen sprießen Salate, Paradeiser, Kürbisse. Menschen graben in der Erde und schaffen sich ihre eigene Oase in der Großstadt. Dort hängen Fähnchen, stehen Paletten oder Gartenzwerge. So sieht Urban Gardening aus.

Aber auch so: Die Designagentur Liquid Frontiers hat mit dem Designteam Vandasye ein Podest für die urbane Landwirtschaft entwickelt. Es trägt den Namen „Growing the City Farm“ und ist ein „Hybrid aus Hochbeet und Stadtmöbel, offenem Pflanzenregal und Infopoint“. 

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„Es ist niederschwellig, Slogans sollen die Menschen dazu bewegen, stehen zu bleiben und mitzumachen“, sagt Christian Muhr von Liquid Frontiers.

Alles in einem: Stadtmöbel, Hochbeet und Info-Station  

©Peter Garmusch

Gerade befinde man sich in einer Testphase und sei mit Gastronomen über Aufstellorte im Gespräch. „Auch wer im Urlaub niemanden zum Blumengießen hat, soll hier seine Pflanzen aufstellen können.“

Die Stände sind mit einer Regentonne, einem Kompostbehälter, einem Insektenhotel und Sitzgelegenheiten ausgestattet. Denn Urban Gardening ist mehr, als die Stadt mit Pflanzen zu begrünen. Es soll Gemeinschaft fördern. „Es muss Platz für das Soziale geben. Wie ein offenes Bücherregal, wo man in Kontakt kommt.“

Anonymität und Vandalismus nehmen ab

Und wo Menschen zusammenkommen, die sich kennen, gibt es weniger Vandalismus. Muhr beruft sich aufs Motto: Die Stadt muss sich aus dem Dorf entwickeln. „Je mehr Menschen sich beteiligen, umso mehr Kontrolle gibt es. Die Anonymität in der Umgebung nimmt ab.“

Ein urbaner Gemeinschaftsgarten, wie ihn sich Liquid Frontiers vorstellt.

©Vandasye

In der nächsten Stufe des Projekts sollen sich Menschen auf einer digitalen Plattform registrieren können, wenn sie Pflegedienste übernehmen wollen.

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Es hat sich viel verändert. Noch vor 20 Jahren wollten Aktivisten unter dem Schlagwort Guerilla Gardening den öffentlichen Raum erobern. Subversive Menschen mit grünem Daumen wollten graue Flächen verschönern oder Obst und Gemüse anbauen. Illegal versteht sich.

Ein Aktivist der ersten Stunde ist der Landschaftsplaner Roland Dunzendorfer. Er war mit dabei, als Guerilla-Gärtner eine Fläche zwischen Wienfluss und U-Bahngleisen „besetzten“, bepflanzten und so einen Gemeinschaftsgarten schufen. „Wir sind ziemlich schnell an die Oberfläche gekommen. Das Stadtgartenamt ist sehr schnell darauf eingestiegen.“ Die Revoluzzer bekamen legale Spielplätze. Heute ist die große Fläche ein Leuchtturmprojekt für das urbane Gärtnern. Dazu zeigte sich die Stadt ohnehin stets milde. „Es gab nie Anzeigen.“

Urban Gardening am Albertplatz in der Wiener Josefstadt

©Kurier/Gerhard Deutsch

Dass sich das Guerilla-Gardening verändert hat, sieht man auch bei der deutschen Saatgutfirma Aries. Sie verkauft sogenannte Saatbomben, mit denen die selbst ernannten Gartenpiraten öde Landschaften aufwecken. „Wir waren hier Vorreiter. Die Zahl der verkauften Kugeln geht in die Hunderttausende, ist aber zuletzt gleich geblieben“, heißt es beim Unternehmen.

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 Und auch wenn es ein „Anschlag der Vernunft“ sei: „Heute nennen wir sie Saatkugeln statt Saatbomben. Das ist gefälliger, besonders in Zeiten wie diesen.“

Garteln in Baumscheiben

Optisch gefälliger als staubige Flächen mit Hundstrümmerln um Straßenbäume sind bepflanzte Baumscheiben. Die Stadt Wien stellt sie seit zwölf Jahren kostenlos zur Verfügung. „Der Boom ist ungebrochen. Mittlerweile haben wir die magische Grenze von 2.000 erreicht“, sagt Markus Mondre von der Gebietsbetreuung. Wer eine triste Fläche entdeckt, kann sich melden und eine Patenschaft übernehmen, die nur Vorteile bringt. „Die Stadtgärten sparen Geld, es ist gut für die Umwelt und es kommen die Leute aus dem Grätzel zusammen.“

Infos

Auswirkungen: Die Umwelt profitiert von Gemeinschaftsgärten: Sie sind Rückzugsort für Kleintiere, verbessern das Mikroklima und reinigen die Luft

1.300 Gemeinschaftsgärten gibt es in Detroit. Im größeren Wien sind es nicht so viele, aber doch einige Dutzend

Beet am Friedhof: Auf freien Wiesen finden sich am Wiener Zentralfriedhof, am Friedhof Südwest und ab heuer in Stammersdorf Gartenflächen

Infos: Patenschaft für Baumscheiben
Podest von Liquid Frontiers

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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