Slow-Flower: Schnittblumen mit Bio-Siegel
Noch ist es eine kleine Nische, doch auch im Schnittblumen-Business geht es um Nachhaltigkeit. Manche Blüten tragen schon ein Bio-Siegel.
Seit man weiß, wie pestizidbelastet sogar als besonders „bienenfreundlich“ verkaufte Flora sein kann, schauen ein paar konsumkritische Menschen mehr genauer hin, wo und wie Zierpflanzen und Schnittblumen großgeworden sind, ehe sie sich diese auf ihre privaten Freiflächen oder in eine Vase in einen Innenraum holen. Ernüchternd war das Ergebnis von Tests am Zierpflanzenangebot aus Gartencentern, Baumärkten und von den Blumenhändlern, die Global 2000 in Deutschland und Österreich vorgenommen hatte.
Gut gemeint und voll daneben
Die Tester von Global 2000 hatten bei unterschiedlichen Anbietern Pflanzen gekauft, die als insektenfreundlich bekannt sind oder sogar eigens deswegen empfohlen worden waren. In 90 % des Angebots konnten Pestizide nachgewiesen werden. In Schnittblumen sogar bis zu 31 unterschiedliche, darunter hoch bienengiftige, mit hormonellen, fortpflanzungsschädigenden oder krebserregend Eigenschaften. „Viele Jungpflanzen stammen von außerhalb Europas“, sagt Dominik Linhard, „wo niedrigere Standards gelten und Pestizide eingesetzt werden, die bei uns verboten sind. Aber auch in europäischen Glashäusern spritzt man Fungizide, Insektizide und auch Stauchungsmittel, die Pflanzen kompakt halten, damit sie die ästhetischen Ansprüche erfüllen.“ Es gibt in Österreich, anders als im Lebensmittelbereich, keine gesetzlichen Regelungen für Rückstände auf Pflanzen, „weil man sie nicht isst.“ Davor schützt auch nicht das Qualitätszeichen „fair trade“, es bezieht sich zwar auf die gehobenen sozialen Standards in den Produktionsstätten, aber nur begrenzt auf Pestizide.
Doch es geht auch anders. Die „Slow Flower“-Bewegung, aus den USA kommend, nimmt jetzt auch hierzulande Fahrt auf. Nach Slow Food in der Gastronomie und Slow Fashion in der Mode setzt auch in der Blumenbranche ein Nachdenkprozess ein. Margrit de Colle, eine Quereinsteigerin aus der Soziologie, ist die Pionierin. Im südoststeirischen Eichkögl, rund 20 km von Graz entfernt, betreibt sie schon seit vielen Jahren eine Bio-Blumenlandwirtschaft, die erste ihrer Art in Österreich.
De Colles Pflanzen tragen, wie sonst nur Lebensmittel, das Bio-Austria-Gütesiegel. Beim Start hat sie zunächst drei Hektar konventioneller Maisfelder ihrer Landwirtschaft „vom Hügel“ in Blumenacker verwandelt, heute erntet sie auf 6,5 Hektar. Es gelten dieselben Anbauregeln wie in anderen Bio-Betrieben für Erdbeeren, Salat oder Erdäpfel. Verkauft werden zu Sträußen gebundene Feld-Acker-und Gartenblumen. Jede Art nur zu ihrer Saison, nach dem Motto aus dem japanischen Ikebana, wo es heißt: „Du sollst in jedem Strauß die Jahreszeit erkennen.“ An diesen neuen Zugang wird sich der Konsument aber erst wieder gewöhnen müssen.
„Das Gefühl für die Jahreszeiten,“ sagt Margrit de Colle, „ist uns durch die Blumenindustrie verloren gegangen. Einerseits werden Blumen aus allen Klimazonen eingeflogen, andererseits bei uns kaum noch welche im Freiland kultiviert, sondern in Glashäusern im künstlichen Tag- und Nachtrhythmus. Dabei wird vergessen, dass sich der Mensch seit Urzeiten darauf eingestellt hat, im Wechsel der Jahreszeiten zu leben.“ Mit dem Biohof Adamah ist de Colle jetzt eine Vertriebspartnerschaft eingegangen. In den Gemüse- und Obstkisterln, die vom niederösterreichischen Glinzendorf aus der Adamah-Kundschaft vor die Haustür geliefert werden, ist auf Vorbestellung auch ein Bio-Blumenstrauß dabei, zum Preis von 26 €. Einen Tag braucht er, um sich vom Transport voll zu erholen, dann erfreuen die Blüten und Gräser eine Woche lang.
Seit zwei Jahren mischen die Jungunternehmerinnen Katharina Neßler und Hannah Kimmer in der „Slow Flower“-Nische mit. Auch sie sind Quereinsteigerinnen, eine hat Mediendesign, die andere Betriebswirtschaft studiert, jetzt fügen sie noch Green Marketing hinzu.
Auf einer Fläche von 1.200, die für eine landwirtschaftliche Nutzung eher zu klein ist, für sie aber passt, kultivieren die beiden im Weinviertel ihre eigenen Schnitt- und Trockenblumen für „thebloomingproject“. Aus Biosamen, aber ohne Biozertifikat, wegen der hohen Kosten. Verkauft wird in Bioläden in Wien, über Social Media, auch am Telefon: „saisonal.regional.wild“. Stolz sind Neßler und Kimmer auf ihre Ökobilanz. Denn im Vergleich mit Blumen, die in den Niederlanden in fossil geheizten Glashäusern produziert werden, konnten bei den Weinviertlern allein in diesem Jahr bereits knapp über 7,5 Tonnen -Äquivalent eingespart werden.
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