Minimalistisches Design: Küchen ohne Oberschränke

Wie praktisch kann eine Küche sein, wenn ihr (vermeintlich) Wesentliches fehlt? Zumindest nicht unpraktischer als die gewohnte Variante. Der Rest ist Geschmacksache.

Von Susanne Garber

Zuerst waren es die Fronten, die immer minimalistischer wurden, mittlerweile hat man die Küche sogar um die für sie so typischen Elemente gebracht. Küchen ohne Oberschränke sind das Maximum an Reduziertheit, das man sich an einem der funktionalsten Orte des Zuhauses vorstellen kann, und doch sorgt der offene Charakter manchmal sogar noch für mehr Praktikabilität. Wenn man es denn richtig plant.

Die WG-Küche aus vergangenen Studientagen mag bei manchen auch ohne Oberschränke ausgekommen sein, funktional war sie aber selten. Die minimalistischen Küchen, mit denen wir es heute zu tun haben, sind da schon ausgeklügelter und bieten neben platzsparender Konstruktion auch etwas fürs ästhetische Auge. Frei stehende, aufs Wesentliche beschränkte Küchen haben etwas sehr Elegantes, das aber auch so in Szene gesetzt werden will.

Wenn sich nebenbei die offenen Regale mit allerlei Krimskrams dazugesellen, kann die Küche schnell zum Albtraum werden. Wer auf Oberschränke verzichtet, entscheidet dies oft, aber nicht nur, aus ästhetischen Gründen. In Altbauwohnungen erfordern manche Wände gröberes Spezialwerkzeug, um größere Lasten wie Küchenschränke sicher zu montieren.

Eine moderne Küche

©Walden

Auch Dachschrägen, Rohre oder Fenster können den Oberschränken im Weg stehen und wer sich für eine Wohnküche mit Kücheninsel entscheidet, entscheidet sich oft auch gegen Oberschränke. Kücheninseln bieten zusätzlichen Stauraum und Platz für Geräte, sodass die klassischen Oberkonstruktionen dann gar nicht mehr nötig sind. Die Küche "oben ohne" wirkt zudem noch leichter und hält sich bedeckt im Hintergrund, während rundherum der Alltag seinen Lauf nimmt.

Reduziert wie immer: Bulthaup 

©Hersteller

Alltagsküche

Die Küche ohne Oberschränke mag für viele nicht gerade als alltagstaugliches Modell durchgehen, tatsächlich ist es aber nur eine Frage der Planung. Was üblicherweise in den Hängeschränken Platz findet, lässt sich meist auch an anderen Orten unterbringen. Geschirr kann in tiefen Schubladen gestapelt werden, Gläser lassen sich gut in offenen Regalen griffbereit aufbewahren. Angst vor Staub braucht man dabei nicht zu haben, da gerade Wassergläser immer stark im Umlauf sind und meist nicht allzu lange herumstehen.

Dasselbe gilt für Kochutensilien und -geräte, die man regelmäßig verwendet. Diese sollten nahe am Geschehen platziert sein, und auch frische Kräuter, Obst und Gemüse, die sichtbar gelagert sind, landen eher auf dem Teller als wenn sie im Kühlfach verschwinden. Damit könnte die offene Gestaltungsform so manche auch zum gesunden Kochen und Essen animieren – und vielleicht sogar zum Ordnunghalten.

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Denn grundsätzlich sollte man sich bewusst sein, dass man bei offenen Küchen nicht alles verstecken kann. Ordnung ist bei dieser Küchenform daher fast schon ein Muss, was aber ein weiterer Vorteil sein kann. Die offene Küche zwingt zum Aufräumen. Kochlöffel und Co. können zum Beispiel in dafür vorgesehenen Behältnissen und Nischen aufbewahrt werden, und selbst der Dunstabzug kann mittlerweile geschickt in der Herdplatte verschwinden und als integrierter Luftabzug ein noch minimalistischeres Ambiente bewirken.

Gestaltungslehre

Wenn es um Ordnung geht, sollte man auch Farben und Formen nicht außer Acht lassen. Geraden und Linien wirken optisch ruhiger als gemusterte Fliesen und Küchenfronten. Dasselbe gilt für Farben: Monochrome Ausführungen geben ein aufgeräumteres Bild ab als mehrfarbige Elemente. Helle Töne wirken zudem leichter als dunkle und helle Farben sind ohnehin wieder im Trend. Die schwarze Küche war wohl doch nur von kurzer Dauer. Hoch im Kurs sind auch von der Natur inspirierte Farben wie Salbeigrün oder Rosé und alle Arten von Holz.

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©Kvik

Details in Metallic sind nun auch zu sehen und machen die offene Küche noch eleganter. Wer sich für die grifflose Variante entscheidet, folgt ebenfalls einem Trend und spart auch wieder etwas Platz. Moderne Küchen bieten zudem mittlerweile viele praktische Features, die den vorhandenen Raum besser nützen und gleichzeitig auch weniger davon einnehmen.

So hat sich beispielsweise das Schubladensystem in der gesamten Küche durchgesetzt, um auch während des Kochens und Anrichtens nicht von geöffneten Küchenschränken eingeschränkt zu werden. Überhaupt ist Multifunktionalität ein großes Thema der modernen Küche, wobei damit nicht nur Technik, sondern auch die Kombination der verschiedenen Bereiche des Alltags gemeint ist.

Treffpunkt Küche

Reduktion hin oder her – die Küche ist und bleibt ein belebter und beliebter Ort, egal, ob mit oder ohne Oberkonstruktion. Eine offene Wohnküche sollte dem umso mehr nachkommen, da hier vieles aufeinandertrifft. Hier werden Hausaufgaben erledigt, Aperitifs getrunken, Neuigkeiten ausgetauscht und natürlich wird auch gekocht. Manchmal läuft nebenbei auch noch der Fernseher oder Kinder toben durch das Wohnzimmer.

Die offene Wohnküche ist daher durchaus auch eine Herausforderung, die jedoch das kommunikative Miteinander fördert wie keine andere Küchenform. Die reduzierte Küche ist somit nicht nur ein hübsches Aushängeschild im Showroom, sondern für alle da, die es einfach einmal anders machen wollen.

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