Lagerfelds Wohnungen: Karl der Große und sein Reich

Karl Lagerfeld inszenierte nicht nur seine Mode und sich selbst mit größter Hingabe, sondern auch seine Domizile und Wohnungen. Er wohnte nicht nur, er residierte. Jetzt gibt es Einblicke in die privaten Zimmer und Repräsentationsräume des Modezaren.

Athletischer Dandy mit Bart, Ästhet mit Baucherl und Fächer, schlanker Asket mit gepudertem Zopf. Karl Lagerfeld sah sich zu Lebzeiten als „Marionette, die von mir selbst manipuliert wird.“ Und er handelte danach.

Noch öfter als sein Äußeres wechselte der 2019 verstorbene Modezar Häuser und Wohnungen, deren Einrichtung unterschiedlicher nicht sein konnte. Er liebte es opulent und üppig, dann wieder klar und reduziert. Die Palette reichte vom Pariser Pomp bis zur Wiener Werkstätte. Das soeben beim Prestel-Verlag erschienene Buch „Im Hause Lagerfeld“ von Marie Kalt und Patrick Mauriès gewährt exklusive Einblicke in 13 private Rückzugsorte des Designers in Frankreich, Rom und Hamburg.

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Die Einrichtung ist gleichsam eine Ode an den Luxus, die Kunst und die Essenz eines anspruchsvollen Modemeisters selbst. Kunst war nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern Herzschlag des extravaganten Lebens. Es war ein Leben, in dem er stets Neues schuf. Das zeigte sich in seinen Wohnräumen. „Was Spaß macht, ist das Sammeln, nicht das Besitzen“, erklärte er. „Doch um sich von etwas zu befreien, muss man es zuerst besessen haben.“

Lagerfeld zog 1977 ins  Pariser Hôtel Pozzo di Borgo. Er hatte Sehnsucht nach Luxus und Lebensstil von Friedrich II. und Ludwig XV. 

©Fotex/Shutterstock

Wenn er etwas hasste, dann waren das Sentimentalität und Nostalgie. Und das posaunte er stolz in die Welt hinaus. Drei Mal organisierte Lagerfeld große Auktionen, um Möbel zu wechseln. „Er verließ ein Universum, um das nächste zu erfinden“, schreibt Patrick Mauriès im Vorwort des 240 Seiten starken Bildbandes.

Comic in Monaco

Eine dieser bemerkenswerten Einrichtungen, die er versteigern ließ, stammte aus seiner Wohnung in Monte Carlo. Er verlegte 1981 seinen Wohnsitz ins Reich der befreundeten Fürstenfamilie Grimaldi – kurz nachdem Mitterrand in Frankreich Präsident geworden war. Lagerfeld wurde Monegasse, weil er die hohen Steuern in Frankreich fürchtete. Er blieb aber immer nur so lange, dass er die gesetzlichen Vorschriften erfüllte.

Für diese Wohnung kaufte er die gesamte erste Edition der neu gegründeten Gruppe Memphis auf. Dieses internationale Kollektiv aus Architekten und Industriedesignern, zu dem auch Matteo Thun gehörte, forderte eine Rückkehr zu Farben und geometrischen Formen. Und auch der Humor sollte nicht zu kurz kommen. Entsprechend sah die Wohnung aus, als wäre sie aus einem Comic entsprungen. Ein Sitzplatz befand sich in einem poppigen Boxring.

©jacques schumacher

„Diese Möbel haben keine Vorbilder“, fand er. Ein Ort ohne Vergangenheit braucht nun mal keine historischen Bezüge. Laut Kalt und Mauriès richtete er einen „Spielplatz ein, einen Ort, an dem er endgültig mit den üppigen Stilen des 18. Jahrhunderts bricht, denen er in Paris verfallen war“.

Üppige Bleibe

Gemeint ist damit vor allem sein Refugium im Hôtel Pozzo di Borgo, in dem er 30 Jahre lang verschiedene Bereiche bewohnte – auch während der Zeit der monegassischen Bleibe. Ein Bau ganz nach seinem Geschmack: monumentales Portal, gepflasterter Hof, zauberhafter Garten. In den Wohnräumen selbst schwelgte der Meister in Luxus, inspiriert von Friedrich II., Ludwig XV. und Madame Pompadour. Künstler und Freund Patrick Hourcade half ihm beim Zusammentragen: „Die Zimmer waren nie fertig eingerichtet, denn unsere Sammelleidenschaft führte dazu, dass wir die Möbel ständig umstellten“, erinnert sich dieser.

Lagerfeld sammelte Bücher – in rauen Mengen, sie nahmen viel Platz ein. Dazu besaß er die Buchhandlung L7. „Er liebte die Bücher, aber nicht in der Art der Bibliophilen. Er liebte sie, weil er Freude daran hatte, sie zu lesen, wegen ihrer Themen, zu denen Literatur, Geschichte und dekorative Kunst zählten, oder wegen der Informationen, die sie ihm boten“, erklärt der Geschäftsführer. „Mit dem Wechsel seiner Interessensgebiete änderten sich die Schwerpunkte. Das Objekt an sich zählte kaum.“

Sehnsucht nach Vergangenheit

Doch den bedingungslosen Kampf gegen Nostalgie verlor er schließlich. Bei der letzten Inneneinrichtung in der Villa Louveciennes setzte er die Sehnsucht nach der ewigen Gegenwart nicht mehr durch. Das Gewesene ließ sich nicht mehr völlig ignorieren. „Vielmehr war ihm der bewusste Umgang mit der Vergangenheit wichtig – und der erklärte Wille, sie stets in sich zu tragen“, berichtet Mauriès.

In einem kleinen Nebenzimmer der Villa brachte er Möbel aus seiner Kindheit unter. In einem anderen hing die Kopie eines Gemäldes von Adolph von Menzel, das er sich in seiner Jugend gewünscht hatte. Das Haus wurde zu einem eindrucksvollen Repräsentationsobjekt seines Geschmacks – es sollte bis ins kleinste Detail seinen Vorstellungen entsprechen: Nur mit Art-déco-Möbeln oder deutschen Werbegrafiken sollte er sich zufrieden geben.

Deutsche Werbegrafik in der Villa Louveciennes 

©Jerome Galland

Gewohnt hat er hier nicht. Er soll nur einmal hier geschlafen haben. Fotos erschienen zu Lebzeiten nie. Denn Bilder seiner Refugien lösten jedes Mal Ermittlungen des Fiskus aus, mit dem er im Clinch lag.

Buch-Tipp

Buch-Tipp

Im Hause Lagerfeld: Einblicke in die Domizile Karl Lagerfelds. Von Marie Kalt und Patrick Mauriès, Prestel 2023,  240 Seiten, Ca. 80 Euro  

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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