Eitle Wonne: Die Geschichte des Schaumbades
Der Weg von den ersten öffentlichen Badehäusern der Antike bis ins eigene Badezimmer war lang – eine kleine Kulturgeschichte quer durch Europa und die Jahrhunderte.
WELLNESS VON ANFANG AN. Ein Ofen zum Erwärmen von Wasser, zwei in den Boden eingelassene Sitzwannen (die erste zum Waschen, die zweite für das Bad in parfümiertem Wasser) und eine Art frühzeitliche Dusche: Im Palast von Mari ließ es sich die Herrscherin schon vor rund 4.000 Jahren gut gehen. Ihre mesopotamische Wellnessoase ist das bisher älteste gefundene Badezimmer – und zeigt, was es noch bis vor Kurzem war: ein Privileg reicher Familien.
Bekannt ist, dass auch die alten Griechen gerne baden gingen. Man schätzte die heilende und pflegende Wirkung. Das gemeine Volk kannte dafür aber keine Rückzugsräume, sondern tat es öffentlich und hatte es relativ eilig – zumindest eiliger als die Römer: Für sie war Mitte des 1. Jahrhunderts das Plantschen in verschieden temperierten Becken ein zentraler Bestandteil des Lebensstils. In den großen Städten waren die Badeanlagen Vergnügungsorte. Es gab Dampf- und Fitnessräume, Bibliotheken, Shops und Bordelle. Berufliche Kontakte wurden gepflegt, Freunde getroffen, Kosmetikerinnen gebucht. Hier fand das soziale Leben statt – bis die Goten im Jahr 537 vor Rom standen. Als sie das Wasserleitungssystem zerstörten, kappten sie auch die Lebensader der Thermen. Der Zerfall des Römischen Reiches brachte dann das endgültige Aus für den kollektiven Badespaß im westlichen Europa.
SCHMUTZKAMPAGNE. Im Mittelalter war das Verhältnis zu Wasser zwiespältig. Zwar zählte das Schwimmen zu den sieben "ritterlichen Fertigkeiten“ und auch viele Adelssitze dürften Bäder besessen haben, doch es galt bereits als überaus mondän, wenn man monatlich badete. Das Volk scheute das Wasser komplett.
Denn die Einstellung zur Sauberkeit hatte sich im Lauf der Zeit ins Gegenteil verkehrt. Wohl hatte die Badekultur ein kurzes Revival im 13. Jahrhundert erlebt, als die Kreuzfahrer sie in den islamischen Ländern wiederentdeckten und nach Hause holten. Doch das Baden – öffentlich oder privat – sollte am Pranger landen. Der Vorwurf: Das Wasser öffnet die Hautporen, wodurch tödliche Dünste in den Körper eindringen. Schmutz hingegen galt als Schutzschicht und ca. 600 Jahre lang wuschen sich die Menschen so gut wie gar nicht. Und als Unterwäsche in Mode kam, die Schweiß und Schmutz fernhielt, war dem Thema Reinlichkeit vermeintlich endgültig genüge getan. Der Preis: Infektionen, Furunkel, Ausschlag, Pusteln. Seuchen wie die Beulen- und Lungenpest breiteten sich aus. Mit der Syphilis – wahrscheinlich ein Mitbringsel von Kolumbus aus Amerika 1493 – schlossen die letzten Badehäuser. Die Menschen verlegten sich mehr und mehr aufs Pudern, Parfümieren und Schminken – Frauen wie Männer.
ES SPRUDELT WIEDER. Erst um 1700 spielte Wasser wieder eine größere Rolle – als Therapeutikum in Form von Thermal- und Heilbädern. Erneut hatte sich die Meinung gewandelt. Jetzt hieß es: Kohlendioxid und andere Gifte, die eingeatmet werden, können nur über die saubere Haut ausgestoßen werden, sonst verbleiben sie im Körper. Die Idee, sich aus Reinlichkeitsgründen zu waschen, war da immer noch fremd. Erst als Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Wasserleitungen in die Küche von Privathäusern verlegt wurden, wurde mehr Körperpflege betrieben. Ab ca. 1870 wurde der bis dahin nur mit einem Krug und einer Schüssel ausgestattete Waschtisch an fließendes Wasser angeschlossen. Er entwickelte sich zu einem Möbel mit ein oder zwei Becken und Armaturen. Ebenerdig zogen die ersten Toiletten ein. An die Einrichtung eines richtigen Badezimmers in den oberen Stockwerken war da noch nicht zu denken. Unter anderem weil der Druck in den Leitungen zu gering war, um es in die Höhe zu treiben.
ANSCHLUSS GEFUNDEN. Ihren Durchbruch verdankt die Spültoilette der Weltausstellung 1851. Rund 800.000 Menschen warteten im Hyde Park in der Schlange, um sie zu erleben. Es muss ihnen gefallen haben: Drei, vier Jahre später zählte man in London 200.000 WCs. Der Rückschritt folgte am Fuß: All die Spültätigkeit verstopfte die Kanäle – bis das Problem gelöst wurde, hatten Epidemien erneut leichtes Spiel. Auch in Wien veränderte sich am Ende des 19. Jahrhunderts der Wohnalltag: 1888 waren schon 90 % der Wohnhäuser ans Wassernetz angeschlossen. In jeder Etage gab es Bassenas. Zunehmend wurden die Stiegenhäuser mit Gangtoiletten ausgestattet. Die Plumpsklos verschwanden.
Ab 1900 bekamen die ersten mit Waschbecken, Wannen und Badeofen ausgestatteten Zimmer erstmals eine einheitliche Optik: Die wohlhabenden Bürger achteten darauf, dass Form, Ornamente und Designs dem Jugendstil entsprachen. Trotzdem gab es weiterhin schwere Probleme: Eine Wanne auseinem Stück zu gießen, nicht zu dickwandig und zu schwer für den Transport, war kompliziert und teuer. Zudem setzte das heiße Wasser den Zink-, Kupfer- und gusseisernen Oberflächen zu.
Ansehnlich wurde die Wanne damit erst um 1910 mit der Erfindung der Porzellanemaille. Als die Hersteller dann größere Mengen anfertigen konnten, fiel auch ihr Preis. Mit dem "Frankfurter Bad“, bei dem Dusche oder Wanne in einer Nische der Küche untergebracht wurde, gesellte sich eine günstigere Variante dazu. Die Idee dem Bad einen ganzen Raum zu widmen war da der breiten Öffentlichkeit immer noch fremd: So erinnert sich die britische Journalistin Katharine Whitehorn, dass sie bis Ende der 1950er in der Frauenzeitschrift "Woman’s Own“ keine Artikel über Badezimmer schreiben durfte. Bei den Lesern würde das nur auf Desinteresse oder Neid stoßen. Erst nach dem 2. Weltkrieg etablierten sich in Westeuropa Badezimmer im großen Stil. Ab 1960 wuchs das Interesse an Design und Innenarchitektur, ab 1970 vergrößerten Materialien wie Aluminium, Laminat und Plastik den Spielraum.
DURCHBRUCH. Die Lust an der Weiterentwicklung ist ungebrochen: Bis heute finden Sanitärhersteller Prestige, indem sie ihr Know-how ausbauen, an Innovationen feilen oder mit renommierten Designer zusammenarbeiten. Seit seinen Anfängen hat sich das Bad damit ordentlich entwickelt: Eine moderne Dusche kann etwa mit Regenduschkopf, Massagedüsen oder einer Dampffunktion ausgestattet sein. Badewannen wiederum werden auf Knopfdruck zum Whirlpool und Toiletten kommen mitunter mit einem beheizten Sitz daher oder haben eine integrierte Bidet-Funktion. Auch hat das Smart-Home Zugang gefunden: So läuft etwas das Wasser exakt zur gewünschten Uhrzeit und in der gewünschten Temperatur in die Wanne. Individualisierte Licht- und Musikspiele sorgen für die jeweils gewollte Atmosphäre. Heute verbringen wir im Schnitt 25 Minuten pro Tag im Bad, doch der Weg dorthin – zum Rückzugsort, das "alle Stückerl spielt“ – war unglaublich lange.
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