Längst Kult: Die Enzis im Museumsquartier in Wien

Von Enzis bis Bongs aus Gmunden: Was macht Design aus?

Das Wiener MAK widmet innovativen Design-Objekten aus dem Österreich des 21. Jahrhundert mit "AUT NOW" eine eigene Ausstellung. Und es stellt sich die Frage: "Was macht Design aus?"

Es gibt nichts, was es nicht gibt – zum Beispiel Spaghetti-Tester. Diese Vorrichtungen sollen helfen, die Nudeln zum Probieren aus dem Topf zu holen und den Küchenmeistern die sprichwörtlichen Kohlen aus dem Feuer zu holen. Denn Nudeln sind eine schlüpfrige Angelegenheit. Ob sie nun al dente sind oder nicht – mit einer normalen Gabel sind sie eher schwer zu fassen.

Dass das mit einer hundsordinären Ikea-Gabel dennoch geht, hat der Designer Andreas Feldinger bewiesen. Er bog den mittleren Zinken nach oben – und siehe da: Die Probiernudel findet den Weg zu den Köchen. "Feldinger führt den Design-Gestus ad absurdum. Er tritt auch als Ikea-Hacker auf", erklärt Sebastian Hackenschmidt, Kustos für Möbel und Holzarbeiten am Wiener Museum für Angewandte Kunst.

Die Gabel ist neben 99 anderen Objekten ab 18. September in der Ausstellung "AUT NOW. 100 × Österreichisches Design für das 21. Jahrhundert" zu sehen. Diese Ausstellung bietet Einblicke in die Vielfalt und Innovationskraft des österreichischen Produktdesigns seit dem Jahr 2000 und präsentiert 25 Kategorien, von A wie "Alpin" bis Z wie "Zirkulär". Die gezeigten Stücke sind "Role Models" für das 21. Jahrhundert.

Mitunter sind sie auch von den vorangegangenen Jahrhunderten beeinflusst – etwa von gefeierten, aber auch kritisierten Evergreens und Ikonen der Wiener Werkstätte und Josef Hoffmanns, die manchen als zu elitär und zu wenig demokratisch galten. Doch sie sind nach wie vor präsent, und sei es zu einem bestimmten Zweck: "Zeitgenössische Designer haben sich an Hoffmann abgearbeitet. Davon hat das MAK mit seiner Möbelsammlung auch profitiert." Die Ausstellung widmet sich daher auch der Kategorie "Wiener Postproduktionen".

Zum 100-jährigen Jubiläum der Wiener Werkstätte im Jahr 2003 entwarf das Label Copa den Plastiksessel KM 100 im Stil von Koloman Moser, der einst im Eingangsbereich des Sanatoriums Purkersdorf stand. 

"Ein solcher Plastiksessel ist eigentlich der Inbegriff der industriellen Massenfertigung. Aber Copa hat ihn auf 100 Stück limitiert. Das ist ein Spiel mit High und Low, Kunststoff wird Kolo Moser gegenübergestellt", sagt Hackenschmidt. Er hat die Ausstellung gemeinsam mit Marlies Wirth, Kustodin der MAK-Sammlung Design, sowie Georg Schnitzer und Peter Umgeher, den Gründern des Designbüros Vandasye, entwickelt.

Auf der Alm, da gibt's ...

Aber Österreich besteht nun mal nicht nur aus Wien. Was wäre das Land ohne die Berge? Ohne die Hütten? Daher hat das Kuratoren-Team den Wiener Stücken die Kategorie "Alpin" entgegengestellt. Denn nicht nur in der Hauptstadt lebten – und leben – kluge Köpfe. 

"Es gibt einfach bestimmte Formen und Materialien, die als typisch für den Alpenraum gelten können, etwa Zirbenholz. Oder auch die alpin wirkenden Stühle mit leicht abgespreizten Beinen, die auf dem unebenen Grund der Hütten im Alpenraum einfach einen stabileren Stand hatten", erklärt Hackenschmidt.

Viele Designer wollen das traditionelle gestalterische Repertoire nicht der Vergangenheit überlassen. So gibt es nicht nur Hocharchaisches, sondern auch Hochtechnologisches aus den Alpen: Lawinenschaufeln für den Rucksack, die sich im Notfall schnell zusammenbauen lassen. Oder zuverlässige Lawinenpiepser – auch diese kommen aus Österreich.

Bong von Gmundner Keramik im typischen Design

Die Gmundner Keramik Bong (2023) verbindet Online-Kultur mit Tradition: Die Idee dazu stammte von einem Artikel der Satireplattform Tagespresse 

©Gmundner Keramik

Wie eine Bong für Kiffer, die es gerne traditionell mögen und sich am liebsten mit Gmundner Keramik berauschen. "Wichtig ist, dass sich Design ernsthaften Themen widmet – aber es darf auch witzig sein", sagt Wirth. Diese Wasserpfeife, die mit grünen Kringeln verziert ist, geht eigentlich auf einen Artikel der Satireplattform Tagespresse zurück, der viral ging. 

Die Verantwortlichen bei Gmundner Keramik waren so begeistert davon, dass sie einen Prototyp fertigen ließen – zunächst nur als Kunstprojekt. Doch die Nachfrage wuchs, und schnell musste eine Bong für den Verkauf entwickelt werden. 

"Laut Gmundner Keramik reagierte die Kiffer-Community mit Optimierungsvorschlägen: Ein Glasaufsatz für die Rauchwaren fehlte, und Körper sowie Hals waren zu klein", erklärt Wirth den Werdegang. "Die kleine Bong wird daher oft als Vase bestellt. Das große Modell hat die richtigen Dimensionen, um die notwendige Kaminwirkung zu erzielen."

Hocker KM 100 - ein Hocker, beeinflusst von Koloman Moser

KM 100 ist von Koloman Moser beeinflusst.

©MAK - Österreichisches Museum f/Nathan Murrell

Da steigt der Rauch auf, im Designland Österreich. Wobei Wirth betont, dass die Schau nicht zu patriotisch verstanden werden sollte. "Es ist eine qualitative Ausstellung, aber keine nationale Leistungsschau", stellt sie klar. "Vielmehr geht es darum, was Design eigentlich ausmacht."

Was ist gutes Design? "Das lässt sich sehr schwer in wenigen Worten fassen. Wir haben uns vordergründig angesehen, ob es funktioniert, wofür es gedacht ist. Funktioniert es für die Menschen, die es benutzen sollen?", sagt sie. Früher sei Design meist von Männern für Männer gemacht worden. Wirth: "Heute geht es um inklusives Design für alle: für Kinder, für ältere Menschen, für Menschen mit Behinderungen. Auch Materialverschwendung kann man sich heute nicht mehr erlauben."

Was vom Start weg funktioniert hat und daher gutes Design ist, waren die Enzis im Wiener Museumsquartier. Diese Stadtmöbel par excellence waren lange Zeit die Anlaufstelle schlechthin für urbane Menschen, und solche die sich dafür hielten – insbesondere Erstsemestrige fläzten sich auch im Hochsommer auf die Liegen im zugepflasterten Innenhof. 

"Da die Designer auch Architekten sind, ging es ihnen darum, die modularen Möbel auch als Bauelemente verwenden zu können – etwa als Punschstände. Dazu sollten sie stapelbar und leicht manövrierbar sein, auch damit man sie bei Bedarf wegräumen kann. Solche durchdachten Konzepte finde ich sehr spannend", sagt Wirth. Heute sind die Enzis aus anderen, umweltfreundlicheren Materialien gefertigt und bepflanzbar. Denn anders als noch vor 20 Jahren gilt Hitze in der Innenstadt nicht mehr unbedingt als cool.

AUT NOW 100 × Österreichisches Design für das 21. Jahrhundert

  • 18.9.2024 bis 18.5.2025
  • Ausstellungseröffnung: Dienstag, 17.9.2024, 19 Uhr, Eintritt frei
  • Rahmenprogramm: MAK Design Nite im Rahmen der Vienna Design Week, Dienstag, 24.9.
  • Mehr unter mak.at
Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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