Darum ist Künstler Andy Goldsworthy ein Naturtalent

Er legt Blätter zu mandalaartigen Mustern zusammen oder baut aus Findlingen ohne Mörtel Steinformationen. Und alles ist im Wandel.

Er habe in der Landwirtschaft mehr gelernt als in der Kunsthochschule, sagte Andy Goldsworthy einmal. Seit er 13 Jahre alt war, half er bei benachbarten Bauern auf dem Feld aus.

Der britische Künstler umgarnte schon abgestorben Bäume, er baute Skulpturen aus Eisplatten oder geschwungene Wälle aus Holz und Steinen. Bekannt wurde er vor allem durch seine herbstlichen Arbeiten. Goldsworthy setzte abgestorbene Ästchen und verfärbte Blätter zu filigranen oder farbprächtigen mandalaartigen Mustern zusammen. Diese hielten durch Dornen oder durch Goldsworthys Speichel. Zuletzt hat er sich vermehrt auf größere Steinformationen konzentriert. Mit Baggern lässt er Findlinge ausgraben, zerschneidet sie mit Kreissägen und baut sie, während sie immer dreckiger werden, zu wuchtigen Formationen zusammen.

Was alle Werke eint: Ihre Formen sind organisch und verströmen eine gewisse Harmonie. „Vieles meiner Arbeit ist wie das Aufklauben von Erdäpfeln. Du musst in einen bestimmten Rhythmus kommen“, erzählte er vor Jahren dem Guardian und verwies auf seine Zeit in der Landwirtschaft.

Vergänglichkeit

Was die Werke noch kennzeichnet: Viele sind vergänglich. Goldsworthy lässt sie, wenn sie fertig sind, liegen. Wie ein Kind, das sein Interesse an der gerade gebauten Sandburg verloren hat. Der Wind verbläst die Blätter, Holz verwittert. Auch Steinskulpturen, die er ohne Mörtel zusammensetzt, können zusammenkrachen, auch wenn die aktuelleren mittlerweile für längere Zeit gebaut sind. Gerade arbeitet er an „Hanging Stones“, einem Projekt im englischen Nationalpark North York Moors, wo er zehn Gebäude in Kunstwerke verwandelt.

Manchmal legt sich Goldsworthy aber auch einfach nur, wenn der Regen einsetzt, auf den Gehsteig. Wenn er aufsteht, hebt sich seine Körpersilhouette vom nassen Asphalt ab. „Bewegung, Wandel, Licht, Wachstum und Verfall sind die Existenzgrundlage der Natur. Das sind die Energien, die ich in meinen Werken anzapfen möchte“, sagte der Land-Art-Spezialist einmal. Was aber immer bleibt, sind die Fotos, die er stets macht.

Viele Betrachter sehen in der Arbeit die Botschaft, dass wir auf die Welt und auf uns aufpassen sollten. Ja, er sorgt sich um die Umwelt. Goldsworthy möchte aufmerksam machen, dass man die Verbindung zu sich selbst verliert, wenn man die Verbindung zur Natur nicht mehr hat. Aber es geht ihm auch um die Fragen: Was ist Kunst? Was ist ihre Schönheit? „Du kannst auf dem befestigten Weg gehen oder dir einen Weg durch die Hecke bahnen.“ Der Schritt zur Seite ändere die Perspektive. Das sei Kunst.

Die Storm King Wall

©Andy Goldsworthy/Courtesy Galerie Lelong & Co

Und hoffentlich geht er noch oft durch Hecken, Wiesen, Wälder, findet Steine oder Baumstämme. Hoffentlich führt er noch oft Kunst und Natur zusammen, auch wenn es derzeit eher ruhig um ihn ist. Aber wie sagte er einmal im Film „Leaning into the wind“, worin ihn Thomas Riedelsheimer mit der Kamera begleitete? „Ich versuche immer noch, die Welt zu verstehen.“

 

Zur Person

Andy Goldsworthy ist ein britischer Bildhauer, Landschaftskünstler und Fotograf. Er  wurde 1956 im englischen Cheshire geboren. Goldsworthy studierte in den 1970ern Kunst.
Seit damals macht er Kunst mit dem, was er in der Umgebung findet, sowohl in ländlichen Gegenden als auch in der Stadt. Er wohnt in Schottland.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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