Warum bauen wir am Strand so gerne Sandburgen?

Schaufelnde Kinder, enthusiasmierte Väter, Mariannengräben an der Adria: Kaum in der Badehose, wird der Buchhalter zum Baumeister.

Der Urlaub beginnt, der Strand ruft. Wer dabei nicht zum Motto stoak wia a Fösn tendiert, ist wahrscheinlich sprichwörtlich am Sand. Das weckt den bildnerischen Wagemut. Ein Blick nach links, ein Blick nach rechts – irgendwo bauen Urlauber immer noch die große Welt im Kleinen nach. 

Rund um die Burg: schaufelnde Kinder, enthusiasmierte Väter, fahnenbeschmückte Türme, Mariannengräben an der Adria. Kaum in der Badehose wird der Buchhalter zum Baumeister. Vom Kabinett zum Kastell ist es nur ein Spatenstich. Und wehe, es schießt dann so ein Nachwuchs-Ronaldo einen Fußball scharf Richtung Schloss Jacqueline! Die bitteren Tränen, wenn dann die Flut kommt, spült es am Abend mit ins Meer.

Gegen "anrüchigen Müßiggang"

Geschichtlich gesehen sind Sandburgen offenbar eine Erfindung, die auf das 19. Jahrhundert zurückgeht. In einer Zeit, in der Damen und Herren quasi noch in Ganzkörpermontur ins Meer stiegen, begann der Badegast sich erstmals damit die Zeit zu vertrödeln, feuchten Sand zu wohlgestalten Palästen zu formieren. Das wiederum rief bald wahre Meister auf den Plan, deren flüchtige Kunst darin bestand, auch aparte Nixen und ähnlich mythologisches Getier der Küste abzutrotzen. 

Der Kulturhistoriker Harald Kimpel entwarf eine schillernde Theorie zur Frage, warum die Menschen so gerne Sandburgen bauen. Wohl um, vom schlechtem Gewissen geplagt, nicht als Tachinierer zu erscheinen und „anrüchigen Müßiggang“ zu vereiteln, hob der deutsche Tugendmensch an, Brösel auf Brösel ein Reich zu errichten. Und sei es nur um den eigenen Strandkorb herum. Schaffe, schaffe, Häusle baue!

Gründe, eine Sandburg zu errichten, gibt es aber auch andere. Für die einen ist es eine Reminiszenz an die schönen Strandurlaube der Kindheit, für die anderen ein meditatives Loslassen, besser als Sandkörner zu zählen oder schon wieder einen Aperol zu ordern. Noch dazu soll es die Kreativität fördern. Wie die Sandburg lange hält, fasziniert indes aber auch Unis und Wissenschaft. Wenig überraschend: ausschlaggebend ist das Mischverhältnis Sand mit Wasser. Besser mehr Wasser. Und dann so fest wie möglich pressen.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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