Teilnahme am Rennrad-Seminar: „Eins werden mit meinem Fahrrad"

Rennradfahren boomt. Cristian Gemmato bringt Interessierten den alten Freizeitsport näher. Wir nahmen Unterricht.

Von Uwe Mauch und Franz Gruber

Adrenalin! Wenige Zentimeter nur, dann würde das vordere Laufrad des Schülers das hintere Laufrad seines Lehrers berühren. Was den einen wie den anderen sofort aus seiner Bahn und dem Sattel werfen würde. Doch die Räder berühren sich nicht. Und so spürt der Schüler diesen viel zitierten Sog im Windschatten, der sein Fortkommen speziell gegen den Wind um einiges erleichtert.

Der Lehrer mit dem weißen Bart und Wurzeln in der Rennradnation Italien ist ein guter Lehrer. Er selbst hat in den vergangenen fünf Jahren gut 100.000 Kilometer mit seinem Rennrad abgespult. Nicht auf Teufel komm’ raus, aber auch nicht mit dem Tempo einer Schnecke.

Doch Cristian Gemmato möchte das gar nicht breittreten. Er muss sich selbst, er muss niemandem mehr etwas beweisen. Er hat ein anderes Ziel, wie er bei einer Ausfahrt auf der Wiener Donauinsel erklärt: „Ich will dieses außergewöhnliche Lebensgefühl, das mir mein Rennrad bietet, gerne mit anderen teilen.“

Fußarbeit: Der Schuh bildet dank der Klipps  eine Einheit mit dem Pedal 

©Kurier/Franz Gruber

Kein Dogmatiker

„Geh’ kurz in den Wiegetritt“, rät Cristian Gemmato dann auf einem der wenigen nicht wirklich steilen Auffahrten auf der Donauinsel. Und Raten ist hier das richtige Verbum. Der Südtiroler, der die Alpen bis hin zur Pannonischen Tiefebene aus der Fahrradlenker-Perspektive kennt, ist kein Dogmatiker.

Er würde auch nie sagen, dass der Schüler falsch auf dem Rennrad sitzt. Er bietet nur an, es mit einer etwas anderen Position zu probieren. Dazu ist zu sagen: Oft entscheiden Millimeter über Kreuz- oder Knieweh oder aber Freude und Effizienz beim Rennradfahren.

„Es geht um das Einswerden mit meinem Fahrrad“, erklärt einer, der in seinem Brotberuf viel darüber nachdenkt, wie sich Unternehmen besser vermarkten können. Doch im Kern stimmt auch diese Botschaft: Je vertrauter das Fahrrad, je besser es sein Herr oder seine Frau im Griff hat, umso mehr bereitet es Freude.

Fingerspitzengefühl: Bremsen und schalten kann schnell erlernt werden 

©Kurier/Franz Gruber

Eins werden mit ihrem Rennrad können auch nur die, die nicht mit hochrotem Kopf, zu hohem Puls und verbissener Miene an der Gegend vorbeifahren, ohne diese annähernd wahrzunehmen. Cristian Gemmato hat für sich nach einer Ausbildung beim Österreichischen Radsport-Verband entschieden, nicht andere zu trainieren, um sie schneller zu machen. Er setzt viel mehr auf den Erlebnis- und Gesundheitsfaktor bei gemeinsamen Ausfahrten.

Handarbeit: Mit drei Fingern wird die Flasche unfallfrei zum Mund geführt 

©Kurier/Franz Gruber

Auf die Frage, was er Rookies in seinen Workshops rät, antwortet der Rennradpädagoge unter anderem: „Rechtzeitig essen und trinken. Ich muss mir dann Energie zuführen, wenn ich noch keinen Hunger habe, um den gefürchteten Hungerast zu verhindern. Und ich sollte in der wärmeren Jahreszeit einen halben Liter pro Stunde trinken.“

Natürlich ist das jetzt Werbung, aber es hilft nix, weil es ja auch viele andere so sagen: „Am Liebsten esse ich unterwegs Manner-Schnitten.“

Im Windschatten von Rennradler Cristian Gemmato können selbst Ungeübte richtig Fahrt aufnehmen 

©Kurier/Franz Gruber

Nun wieder volle Konzentration auf den Vordermann! „Wichtig“, gibt dieser nach hinten weiter, „ist auch, auf alle anderen Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Man kann auf seinen gesetzlich verankerten Vorrang natürlich bestehen. Das Problem ist nur, wenn der Fahrer im Auto das Gesetz nicht kennt.“

Allzu vorsichtigen Radfahrern auf Landstraßen rät der Profi, nicht zu weit rechts zu fahren, um damit Autofahrern zu signalisieren, dass sie vorsichtiger und bitte auch mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand von eineinhalb Metern überholen sollten.

Viel Landschaft fliegt an einem auf dem Rennrad vorbei, aufgrund der höheren Geschwindigkeit noch mehr als auf einem Alltagsrad. Und ja, man kann auf so einem Renner sogar ein Interview führen – ohne Bleistift und Aufnahmegerät wohl, aber das wirklich Entscheidende geht unterwegs niemals verloren.

„Kette rechts“

Für das große Lexikon des unnützen Wissens bestimmt ist am Ende des Tages auch der nette Gruß, den Rennradler wie Cristian Gemmato gerne bemühen: Mit „Kette rechts“, feuern sie sich gegenseitig an. Wer so schaltet, dass seine Kette vorne über das große Kettenblatt und hinten über das kleinste Ritzel läuft, der schafft damit bei jeder Kurbelumdrehung den meisten Vortrieb.

Angemerkt sei noch, dass dieser Lehrer auch seine Freundin fürs Rennradfahren begeistern konnte. Verwunderlich ist das aber nicht.

©Kurier/Franz Gruber

Angebot für die KURIER-Leserschaft

Rookie-Rennradcamp in Mörbisch: Richtig und damit auch sicher Rennrad fahren: Das lässt sich lernen, etwa vom 27. April bis 1. Mai im nächsten Rookie-Rennradcamp von Cristian Gemmato. Der Radpädagoge bittet nach Mörbisch am Neusiedler See. Von dort sind u. a. täglich Ausfahrten geplant. Es gibt noch wenige Restplätze. Alle Infos zum Camp (Programmpunkte, Tarife) hier.

KURIER-Leser-Mailüfterl: Für die Leser und Leserinnen des KURIER bietet Cristian Gemmato eine zweistündige kostenlose Ausfahrt mit praktischen Tipps an. Treffpunkt ist am Samstag, 14. Mai, um 10 Uhr auf dem Vorplatz des Bahnhofs in Neusiedl/See. Anmeldung ist unbedingt erforderlich: [email protected].

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