Zu Besuch in Umeå: Der Barkeeper nahe am Polarkreis

Emil Åreng verwendet für Cocktails in der „Facit“-Bar in seiner Heimatstadt Umeå nur Zutaten, die aus Schweden kommen, konsequent und ausschließlich.

Emil Åreng ist keiner dieser Barkeeper, die ein Leben lang genügsam „Sex on the Beach“ oder Mojitos vor sich hermixen. Nein, der umtriebige Schwede liebt Herausforderungen. Daher hat er sich für seine „Facit“-Bar in seiner nicht weit vom Polarkreis gelegenen Heimatstadt Umeå Folgendes überlegt: Für die Drinks und Cocktails sollen die Zutaten aus Schweden kommen, konsequent und ausschließlich. Ein Konzept, einfach wie komplex – und im Sinne der Umwelt. Für Restaurants längst ein gängiges Konzept, aber für eine Bar ist Regionalität eine ganz andere Hausnummer. Simples Beispiel: Limetten. In Umeå, wo es im Winter gern mal minus zwanzig Grad hat, wachsen die natürlich wie im Rest Schwedens nicht. Doch Drinks brauchen Säure und woher kommt die dann? Fragen wie diese machen den Kitzel für Åreng und sein Team aus. Nach vielen Überlegungen, Ideen, Experimenten haben sie Wege gefunden, Limetten und Zitronen zu ersetzen: etwa mit Rhabarber, Äpfeln oder langsam gepressten Preiselbeeren.

Warum das Konzept vor zwölf Jahren, als Åreng bereits mit dem Gedanken spielte, noch nicht umsetzbar war, hatte allerdings einen anderen Grund. Damals gab es schlichtweg nur einen Bruchteil der heutigen Auswahl an schwedischen Spirituosen – und die waren kaum in der gewünschten Qualität. Mittlerweile gibt fast alles aus Schweden: von Gin bis Whisky, Wodka sowieso. Åreng will das gute Hochprozentige aus seiner Heimat in seinen Cocktails scheinen lassen. Der vollbärtige Mittdreißiger – zuvor kreative Treibkraft hinter der Bar im berühmten Grand Hotel in Stockholm – sah daher 2021 den richtigen Zeitpunkt für seine „Facit“-Bar gekommen.

Drei Tipps

Wohnen: z.B. im Elite Hotel Mimer in einer früheren Schule (elite.se/en/hotels/umea/elite-hotel-mimer)
Besichtigen: Die Kulturhauptstadt 2014 bietet Interessierten viele Museen (darunter sogar ein Gitarren-Museum), Galerien sowie einen kostenlosen Skulpturenpark (visitumea.se/en)
Cocktailbar: Die außergewöhnliche Bar liegt mitten  im Zentrum (facitbar.se/en-us)

Auch bei der Bar selber üben sich Åreng und seine Co-Inhaber nicht in Bescheidenheit. Think big! Mitten im Zentrum, in der Fußgängerzone von Umeå, erstreckt sich die Bar stilvoll auf tausend Quadratmetern – und das in einer Stadt mit gerade einmal 90.000 Menschen. In der Bar finden dreihundertfünfzig Leute Platz, trotzdem strahlt sie im gedämpften Licht gemütliche Bar-Intimität aus: mit schick-skandinavischem Innendesign und vielen erlesenen Kunstobjekten, die eine Galerie hier ausstellt. Eine kleine Skulptur für umgerechnet 25.000 Euro landet da schon mal bewusst unprätentiös und mit herrlichem Understatement am Rand der Bar auf einer alten Champagner-Box.

Die Menüs erinnern im Kontrast dazu an alte, vollgekritzelte Schulhefte. Die Cocktailkreationen stehen unter wechselnden (Schul-)Themen. Gerade ist das Fach „Geschichte“ dran, wobei die Namen der Drinks mit ihren Referenzen so verspielt sind wie ihre einfallsreiche Umsetzung im Glas. Wie erklärt man eine blutige Auseinandersetzung zwischen unbewaffnet demonstrierenden Arbeitern und dem Militär (ein bekanntes Massaker der schwedischen Geschichte 1931) in Form eines Cocktails? In der „Facit“-Bar mit der ausbalancierten Mischung aus rauchigem Whisky, blutigem Rotwein, ein paar „Schüssen“ Fichten-Aroma und Aquavit mit Trompetenpilzen. Schließlich wurde die Gewalt damals durch einen Trompetenspieler gestoppt.

„Wir wollen eine der Top-Bars in Europa werden“, sagt Åreng selbstbewusst. Ein ambitioniertes Ziel, aber es scheint längst nicht so kühn zu sein wie das Konzept, mit dem er das erreichen will.Sascha Rettig

Kommentare