Weekender Balaton: Das ewige Baden

Der Himmel ist lavendelfarben, der See meerblau – man neigt leicht dazu, den ungarischen Balaton mit der Provence zu vergleichen, der Toskana oder der Adria. Von Nicola Afchar-Negad

Überblick

Anreise

Der Plattensee ist mit dem Auto von Wien aus in gut 3 Stunden erreichbar. Alternativ kann man natürlich auch mit dem Zug anreisen. Von Wien aus muss man bei der schnellsten Verbindung nur in Budapest umsteigen, um nach Balatonfüred zu gelangen. Reisezeit: 4 Stunden und 9 Minuten. oebb.at

Währung

Forint

"Mildes Plätschern. Vögel, die landen. Enten, die quaken. Kinder, die rufen. Ein kurzer Wind in den Weiden. In den Pappeln. Niemand schreit. Das ist mir immer wieder aufgefallen: Dass einfach niemand laut ist. Es gibt eine bestimmte Lautstärke der Unterhaltungen am See, die nicht überstiegen wird – sehr angenehm.“

So malerisch beschreibt Autorin Zsuzsa Bánk ("Sterben im Sommer") den See ihrer Kindheit. Sie beschreibt darin auch "Jó uszas", die echte, große Schwimmerei, die es so nur in Ungarn gäbe. "Ich habe das als Kind aufgesaugt, die Verwandten in Fenyves sind mit uns täglich zum Strand, um lange zu schwimmen. Ich hatte als Kind den Eindruck, sie streifen dadurch etwas ab, sie befreien sich von etwas, da weit draußen am See haben sie das Gefühl der Freiheit. Viele Möglichkeiten, sich frei und unbelastet zu fühlen, gab es damals ja nicht. Alles drehe sich am Balaton um den See, das Wasser in seinen unzähligen Schattierungen", so Bánk.

"Man schaut ja auch von überall aus hin. Egal, ob von den Hängen oder den Spazierwegen. Kein Wunder, handelt es sich beim Plattensee (ungarisch: Balaton) ja bekanntermaßen um den größten Binnensee Europas."

Lavendelfelder bei Tihany

Lavendelfelder bei Tihany 

©mauritius images / Jan Wehnert/Jan Wehnert/mauritius images

Es gibt mehr als den See

Ziemlich genau hier ist das Wissen vieler Nicht-Ungarn ausgereizt. Die wenigsten wissen von den Weinbergen, dem Balaton Hochland, das sich hinter dem Nordufer des Sees emporwölbt. Von der Halbinsel Tihany mit ihren vorgelagerten Lavendelfeldern und den pittoresken Häuschen. Vom Südufer mit seinen unglaublichen Panoramen, das im Gegensatz zum Norden fast ganz flach ist. Von den Wanderwegen, den Radrouten, dem Wein, dessen Trauben auf Vulkanland wachsen und die Sonne sowohl von oben als auch reflektiert vom See abbekommen.

Die Seehöhle Tapolca 

©egri csaba

Von der mittelalterlichen Abtei in Tihany, der Festung in Szigliget und dem Barockpalast in Keszthely. Nein, das ist den meisten unbekannt. Der blaue See ist ein weißer Fleck in den Landkarten vieler Köpfe. Oder sagen wir so: er wurde weiß überpinselt, denn von dem, wie es damals war, ist heute nicht mehr allzu viel übrig. Das Langosch vielleicht, aber auch das gibt es heute in der Variante mit Hirschragout.

Die Abtei der Halbinsel Tihany hat eine privilegierte Lage. Errichtet wurde sie 1055
 

©Getty Images/iStockphoto/Dronandy/iStockphoto

Bánk, die mittlerweile in Frankfurt lebt, berichtet vom Wandel: „Das Klein-Klein-Zusammengeschraubte dieser Freizeit-Region zu Zeiten des Kommunismus ist in vielen Orten verschwunden. Es ist hübscher geworden, westlicher, europäischer vielleicht. Man wird schon längst nicht mehr begafft, wenn man ein West-Nummernschild hat, man ist einfach jemand, der dort Urlaub macht.

Der See, die Heimat unzähliger Tierarten, natürlich auch für Schwäne.

©mauritius images / Alamy Stock Photos / tarnoczaitomi / Stockimo/Alamy Stock Photos/tarnoczaitomi/Stockimo/mauritius images

Keine Mangelwirtschaft, keine miesen Restaurants, keine Zwei-Klassen-Gesellschaft, im Sinne von Ost- gegen West-Deutsche. Aber die Landschaft ist geblieben!“ Hier wachsen Mandel-, Feigen- und Granatäpfel-Bäume, es gedeiht der Wein. Refugien für über 250 Vogelarten, Eidechsen, Büffel – letztere im Reservat in Kis-Balaton (dem "kleinen Balaton"). Und sie alle verbindet ein See, so flach und herrlich warm, umarmt vom Schilf, das im Wind leise raschelt und sogar an die obere Adria exportiert wird, um damit die Dächer der dortigen Fischerhäuser zu restaurieren.

"Das stundenlange Schwimmen gibt es so in keinem anderen See, nicht in der Schweiz, nicht in Italien, nicht in Deutschland", ist Bánk überzeugt.

Ansonsten: die Brasse fangfrisch servieren lassen. 

©Getty Images/I love takeing photos and i thin/iStockphoto

Die Kubik-Würfel-Region

Mindestens so überzeugt und überzeugend ist Balázs Kovács, Regionalbeauftragter der Europäischen Kulturhauptstadt Veszprém-Balaton 2023. Und er findet dafür wenig überraschend begeisterte Worte: "Die freundschaftliche Atmosphäre in der Region ist geblieben, aber die Orte haben viel investiert. Im Norden des Balatons, im Nationalpark Balaton-Felvidék hat eine gastronomische Revolution stattgefunden. Bereits 15 Lokale aus der Region sind im letzten Michelin-Guide erwähnt." In Balatonfüred, dem Sommerfrische-Ort des einstigen Adels, hat mit dem "Lua Resort" ein 5-Sterne-Adults only-Hotel eröffnet und fast genau gegenüber auf der Südseite des Sees das „BalaLand Resort“ von Mövenpick.

Die Südseite gilt als das Mekka für Familien und das "BalaLand Resort" als einziges international gemanagtes Hotel am See, zeigt eindrucksvoll, dass bunte Plastikbälle und giftgrüner Vinylboden längst nicht mehr sein müssen, wenn es um Kinder geht. Hier dreht sich alles um die Comic-Variante von "In 80 Tagen um die Welt" – von der Heißluftballon-Deko in der Lobby bis hin zu Doppeldecker-Bus und Pyramide als Spielhäuser. Alles dezent, alles Designmagazin-kompatibel und ja, das lässt sich tatsächlich auch mit gehobener Küche, ungarischer Gastfreundlichkeit und einem Restaurant mit weißen Tischtüchern kombinieren. Sehr gut sogar.

Kulturhauptstadt 2023 (u.): Veszprém, auch "Stadt der Königinnen" genannt 

©Shutterstock / Madrugada Verde/Madrugada Verde/Shutterstock

Das "BalaLand" könnte locker in Nizza oder Barcelona stehen, tut es aber nicht. Szántód heißt der Ort, das darf man sich durchaus versuchen zu merken. Auch Veszprém darf man abspeichern. Kulturbeauftragter Kovács nennt die Stadt, die nur eine halbe Autostunde vom See entfernt ist, liebevoll "Schmuckkästchen". Einerseits Königinnenstadt, andererseits Universitätsstadt. Eine gute Kombi, die neben ganz vielen engen und historischen Gässchen, die ja so viele lieben, eben auch für Jugend und Innovation steht. Davon zeugen charmante Lokale und Geschäfte, wie das "Wine & Vinyl" oder das Restaurant Oliva mit seiner Dachterrasse. Oder eben – Kulturhauptstadt sei Dank, – das Veszprém-Fest mit Auftritten von Anna Netrebko bis Alvaro Soler, das gerade über die Bühne ging.

"Insgesamt erwarten die Besucher heuer etwa 3.000 Events in der Region. Es sollte gelingen, drei Jahrzehnte nach der politischen Wende ein neues Bild von der Balaton Region zu zeichnen", so Kovács einladend.

Der Ungar spricht auch gerne vom "Donauraum" und davon, dass diese überregionale Verbindung einem Rubik-Würfel gleiche – mit seinen 43 Trillionen Möglichkeiten. Rubik war Ungar, das nur nebenbei. "So magisch wie der Würfel sind auch die Chancen, Geschichten aus der grenzüberschreitenden Donauregion zu erzählen." Für die Romanautorin Bánk ist der Balaton trotzdem zu weit weg. Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn.

Wonach er für sie rieche, wollen wir wissen. "Nach Sommer“" Und wonach er schmecke. "Nach Sommer." Und wie er sich wohl anfühlt. "Wie Samt". Seit ihr Vater gestorben ist – sie bezeichnet ihr Buch als Abschiedsbuch – "habe ich keinen Grund mehr dorthin zu fahren. Aber die Sehnsucht ist da. Eines Tages werde ich. Sicher. Dann sitze ich abends dort, trinke ein Soproni, streife mein Kleid ab, steige in den See und schwimme weit hinaus, vielleicht gemeinsam mit meinem Sohn und meiner Tochter."

Kuriose Fakten. Wusstet ihr, dass …

… es am Balaton einen Tafelberg gibt? Der Vulkanberg Badacsony am westlichen Nordufer des Balatons.
… es ein Eis des Jahres am Balaton gibt? Heuer: Ein Sanddorn-Mango-Sorbet des Eissalons Amaretto in Balatonalmádi.
…  das Durchschwimmen des Balaton (5,2 km) eine große Sache ist? Heuer zum 41. Mal und zwar heute, am 22. Juli.

Kommentare