Wo man in Österreich am besten (Natur)baden kann
Die freizeit hat sich von Tirol bis Wien auf die Suche nach Badeplätzen im Schutz von Bäumen begeben.
Von Manfred Horvath
Angefangen hat meine Passion für Waldbäder an einem Sommertag in Kitzbühel. Am heißesten Tag, der jemals in Tirol von einer Wetterstation gemessen wurde, bildet sich eine Fata Morgana auf der B176: Schloss Münichau, das sich mit seinen rotweißroten Fensterläden flimmernd über der Fahrbahn zu spiegeln scheint. Wir haben fast 40 Grad.
Den ganzen Tag lang schleppen wir schon Fototaschen und Stativkisten aus Alu mit uns herum. Natürlich trinken wir viel zu wenig, der Schweiß fließt dafür umso mehr.
Liegen am Fichtenstamm
Es war ein glücklicher Zufall, dass wir den Tipp bekamen, den Gieringer Weiher zu besuchen, ein kleines, feines Bad, versteckt mitten im Wald bei Reith, ganz in der Nähe von Kitzbühel. Eine veritable Aussicht auf Abkühlung. Als wir ankommen, noch eine Spiegelung – der Gipfel des Kaisergebirges auf der einen Seite im See und genau gegenüber das Kitzsteinhorn. Ein klassischer Postkartenblick. Der Weiher liegt geschützt wie eine halbe Walnuss im dichten Nadelwald. Es ist hier deutlich weniger heiß und duftet nach kühler Walderde. Kein störendes Geräusch dringt ans Ohr. Nur ein Specht tockt ausdauernd an einen Fichtenstamm – dort irgendwo, hinter den wie hingewürfelt wirkenden Liegen und Sonnenschirmen. Inhaberin Julia Szechenyi gibt uns die Tickets aus dem kleinen Kassenhäuschen mit der aufgestellten Holzklappe. Aus einem Kasten reicht sie weinrote Pölster für die Liegen und meint unaufgeregt: „Zum Essen gibt es heute Zander aus dem See – wir kochen frisch und selbst.“
Alles ist überschaubar im Waldbad. Und durchblickbar. Das Wasser hat von den Humin- und Extraktstoffen des Moores einen sachten Goldton. Die Einstiege sind gediegene Handläufe aus polierten, leicht geschwungenen Ästen.
Liebe Grüße von der Badeleitung
An den Ufern reihen sich organisch abgerundete Steine. Keine Spur von Schlamm, der beim Einstieg durch die Zehen flutscht. Feiner Kies kitzelt die Fußsohlen wie eine angenehme Massage. Für den Hechtsprung ist eine Plattform aus harzig riechendem Lärchenholz vorgesehen, Lupinen umkränzen diesen Platz. Eine stattliche Birke mit Rettungsring daran bringt einen Hauch von Schweden an den Weiher, auf ihrer hauchdünn abblätternden weißen Rinde prangt ein Hinweisschild für Hundehalter. Die Vierbeiner sind wohl willkommen, sollten aber bitte den Einstieg weiter unterhalb benützen. Mit lieben Grüßen von der Badeleitung.
Es gibt einige kleinere Bäche, die Wasser einspeisen, der Damm stellt den einzigen Abfluss dar. Durch den steten Durchfluss ist die Qualität des Wassers vorzüglich.
Auf dem Rücken treibend entsteht der Plan, zu Hause, in der Nähe von Wien, nach weiteren Waldbädern zu suchen. Der Rückreisetag aus Tirol wird statt einer Fahrt von A nach B umgekrempelt auf die neuen Koordinaten: Holzöstersee in Oberösterreich, Aubad Tulln und Dechantlacke in der Lobau. Die liegen alle mehr oder weniger auf der Route und können bei ein bissl Zeiteinteilung auch mit kurzen Badeaufenthalten an einem Tag erreicht werden.
Schwimmen im weichen Wasser
Früher Vogel fängt den Wurm: Um 5 Uhr läutet schon der Wecker für die Fahrt zum Holzöstersee im schönen Innviertel, nur einen kleinen Schlenker nördlich von Salzburg gelegen. Wie ein Auge, das einen anschaut, liegt der Moorsee mit seiner kastanienfarbenen Pupille vor einem mächtigen Fichtenwald. Der eingeplante Sonnenaufgang findet heute nicht statt. Dunkle wattige Wolken schieben sich von Westen herein und lassen die Trennlinie zwischen Wasser und Luft in milchigem Licht verlaufen wie ein Aquarellmaler seine Gouachefarbe auf Büttenpapier. Eine ältere Frau mit roter Plastikbadehaube scheint das heraufziehende Gewitter nicht zu beeindrucken. Seelenruhig legt sie ihr Badetuch auf die Einstiegsleiter. Die Wellen schwappen auf den Steg. Dann hechtet sie mit einem Köpfler hinein und krault hinaus. Nach dem Frühstück am menschenleeren Ufer ohne Regentropfen ab in den See, das Wasser ist weich und gefühlt wärmer als draußen.
Zu Mittag dann Ankunft in Tulln an der Donau. Der Tag ist heiß. Mehr als 30 Grad. Windig. Blitzblauer Himmel. Die Blätter der Pappeln und Weiden flirren silbermetallic mit jedem Luftzug wie Konfetti. Das Aubad Tulln ist ein bewässerter Altarm der Donau mit gärtnerisch gepflegten Liegewiesen. Ein 50.000 m² großer künstlicher Baggersee, in der Mitte eine bewachsene Insel. Für Wasserrutschenfans gibt es eine 45 Meter lange Strecke.
Nach kurzer Zeit stellt sich durch das Lichtspiel der Bäume und leichtes Säuseln des Laubes im Wind ein tranceartiger Zustand ein – ein genialer Platz zum Ausspannen und Einschlafen. Und plötzlich ist sicher: Beim nächsten Besuch nehme ich mir auch eine Hängematte mit. Platz genug, um sich zu erholen, gibt es jedenfalls in diesem Auwald voller riesiger Bäume.
Gestärkt durch ein Schnitzel vom Gasthaus Sodoma in Tulln, geht es auf der Wien-Route den alten Postkutschenweg über den Riederberg. Die Klimaanlage bleibt abgedreht, um für das abendliche Bad in der Lobau bewusst aufgeheizt zu sein. Von der Dechantlacke habe ich schon früher gehört. Aber nicht, dass es ein wildromantischer Badeplatz ist, wo man so ungestört sein kann, dass man sogar nackt baden könnte, sondern im Zusammenhang mit Salzgurken. Die sollen dort am Ufer des Teiches verkauft werden. Tatsächlich nähert sich ein fliegender Händler durch das dichte Unterholz mit dem Marktschrei: „Kühle Soizgurken hob i do!“. Genau das richtige für diesen Tag.
Kommentare