Vierkanter, Hammerwerke, Bahnhöfe: Das verschwundene Mostviertel

Sich auf die Spuren der Vergangenheit machen, in den Alltag früherer Generationen eintauchen: Ein neuer Bildband fungiert als Reiseführer der anderen Art.

Fast verschwindet das Reibenstöckl in der Nähe von Wolfsbach (Bezirk Amstetten) hinter den mächtigen Birnbäumen. Schwer zu sagen, was es länger gibt: das verwitterte Gebäude aus rohen, aber akkurat gesetzten Ziegelsteinen oder die Bäume. Das Nachsinnen darüber – egal. Das Bild erzählt auch darüber hinaus Interessantes. Zum Beispiel über die Funktion eines sogenannten Reibenstöckls, wie man im westlichen Niederösterreich, wo stolze Vierkanter die hügelige Landschaft markieren, derartige Gebäude nannte. In ihnen verbanden sich das Leben und die Arbeit der bäuerlichen Bevölkerung. Der gemauerte, dreistöckige Stadelbau wird längst nicht mehr genutzt wie früher, die Früchte der Birnbäume werden längst anderswo verarbeitet.

Hoffnung auf Sonnenstunden, damit die Bienen zur Bestäubung ausfliegen

©Mostviertel Tourismus/weinfranz

Wandel

Kaum etwas zeigt den Wandel einer Gegend so wie ihre alten Gebäude, Betriebe, ja sogar Eisenbahnschienen. Das Mostviertel hat davon reichlich. Die Auseinandersetzung mit dem Verschwindenden offenbart neue Einsichten, auch im wohlbekannt Geglaubten. Ob dies verlassene Bauernhäuser, Stöckl wie auf dem Bild oder windschiefe Ausgedinge sind. In diesen kleinen Häusern wohnten früher die Altbauern. Genauso gehören in die Gegend alte Bürgerhäuser, wie etwa in Waidhofen an der Ybbs. Oder entlang der Eisenstraße, wo die Rauchfänge kleiner Schmiedebetriebe, der Schmiedehämmer, auf den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Ybbstals hinweisen.

©Janos Kalmar/Edition Winkler-Hermaden

Ortschaften, in denen Wirtshäuser und Greißlereien längst geschlossen sind, zeugen ebenso von der Veränderung.

Verlassene Bahnhöfe

Eine Sightseeingtour der anderen Art, gibt der Bildband „Verschwundenes Mostviertel“ (Edition Winkler-Hermaden, 24,95 Euro), der ein ungewöhnlicher Reiseführer ist. Verlassene Bahnhöfe, etwa in Kienberg, und aufgelassene Gleise verweisen auf die einstige Bedeutung der Eisenbahn, ebenso ein hölzerner, historischer Wasserspeicher in der Bezirkshauptstadt Amstetten.

©Janos Kalmar/Edition Winkler-Hermaden

Die Wichtigkeit der Wasserkraft, unter anderem für die Eisenverarbeitung, bezeugen steinerne Denkmäler von Schmiedehämmern im Ybbstal bis zu Fabriken wie die Töpper-Fabrik in Neubruck bei Scheibbs, die sich von der Eisenverarbeitung zur Papierfabrik wandelte. Wer sich auf diese ungewöhnliche Spurensuche einlässt, findet definitiv Unerwartetes.

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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