Mit einem Ranger auf der Suche nach Steinböcken im Nationalpark

Tiefschnee-Safari im Nationalpark: Warum Gämsen keinen Pulverschnee mögen

Wintertouren durch den Nationalpark Hohe Tauern sind auch bei schlechtem Wetter eine intime Begegnung mit der Natur und ihren Überlebenkünstlern

Wir Wiener kommen mit diesen Niederösterreichern bekanntlich nur selten auf einen Nenner. Diesmal aber sind Hanna und ich gemeinsam enttäuscht. "Wenn es schon irgendwo ordentlich Schnee gibt, dann hier am Großglockner, hab’ ich mir zumindest gedacht", erzählt die Mödlingerin über ihre Urlaubsplanung, "und jetzt haben wir zu Hause mehr Schnee als hier." Winterlich weiß ist es ja an diesem Februartag in Kals am Großglockner, aber die Festmeter an Pulverschnee, die man als Flachländer aus dem Osten hier erwartet, gibt es nicht.

Die erste Spur

Doch an diesem Vormittag sind wir ohnehin nicht wegen des Schnees ausgerückt, sondern, um das zu finden, was er uns zu erzählen hat, wenn man die Piste hinter sich lässt und statt der Ski Schneeschuhe anschnallt. Ein paar Meter durch den Wald und schon kreuzt die erste Spur unseren Weg.

Schneehasenspuren

©Nationalpark Hohe tauern

Für Andreas, den Nationalpark-Ranger, genügt ein Blick: "Das war ein Schneehase", zeigt er auf den – für ihn – unverkennbaren Abdruck der Hinterläufe: "Die sind auch im Winter flott unterwegs."

Steinadler an der Felskante

Es wird nicht bei den Schneehasen bleiben, die nächsten Stunden sind wir mit Suchen, Schauen und Lauschen beschäftigt. Langsam entsteht aus Spuren, sorgfältig von Nadeln befreiten Tannenzweigen und einem heiseren Krächzen in einem Baumwipfel das Bild einer verborgenen Landschaft und ihrer Bewohner. Rehe, Marder, Füchse, alle haben ihre Spuren hier im Schnee hinterlassen und wenn man es geschafft hat, die an Smartphone-Tempo gewöhnten Augen einzubremsen, entdeckt man auch die Vögel vom Kreuzschnabel bis zur Bergdohle. Auch ein Steinadler gleitet über die Felskanten.

Spuren im Schnee: Eine Tour mit dem Ranger durch den Nationalpark ist eine Entdeckungsreise.

©Nationalpark Hohe Tauern

Die Jagd aber geht erst richtig los, wenn wir freies Gelände erreicht haben. Dann wandert der erfahrene Blick des Rangers durch den Feldstecher über die steinernen Wände. Da oben stehen sie, mitten im Wind, der an diesem Tag giftig über den Grat weht: die Steinböcke. Ein ganzes Rudel hat sich da oben versammelt, gerade an den ungeschützten Stellen, die der Wind vom Schnee befreit hat. Dort gibt es auch im Winter Restbestände alpiner Vegetation.

©Nationalpark Hohe tauern

"Viel Nahrhaftes ist da nicht dran", erzählt Andreas, "also müssen sie versuchen, möglichst viel davon zu fressen und sich dabei möglichst wenig zu bewegen." Um einen Winter zu überstehen, können Steinböcke und Gämsen ihre Körpertemperatur um mehrere Grad senken. Die Steinböcke sind die besseren Kletterer, die Gämsen im Schnee sicherer unterwegs, schnelle Bewegungen oder gar eine Flucht können für beide tödlich sein. Die Energie dafür haben sie nämlich, um diese Jahreszeit nicht und das Defizit bei dem kargen Nahrungsangebot aufzuholen, ist beinahe unmöglich.

©Nationalpark Hohe tauern

Auf einmal bekommt die Schneelandschaft ein ganz anderes Gesicht, wird zu einem Lebensraum, in dem wir Menschen nur Gast sind. Entsprechend groß sind an den Eingängen zum Nationalpark neuerdings Tafeln angebracht, auf denen man die Skitourengeher und Schneeschuhwanderer bittet, gewisse Hänge zu meiden.

Irgendwo gibt es schon Pulverschnee

Doch mit den Hängen ist es in diesem Winter ohnehin nicht ganz einfach. Zuerst kein Schnee, dann ein bisschen mit viel Wind dazu, dann – einfach über Nacht – Unmengen. Skitouren sind da eine Angelegenheit für echte Auskenner. Wer das nicht ist, der vertraut sich in diesen Höhen – rund 3.000 Meter – besser einem örtlichen Bergführer an. Wie Peter etwa, der findet auch bei schwierigen Verhältnissen nicht nur einen schönen Gipfel, sondern sogar ausreichend Pulverschnee für ein paar Schwünge.

©Konrad kramar

Für jene, die auch Skitouren grundsätzlich nur nach den Maßstäben schneller, höher, weiter betrachten, sind das keine guten Voraussetzungen fürs eifrige Gipfelsiegen. Wer aber einmal mit dem Ranger draußen in der Winterlandschaft war, der entdeckt zwischen Wäldern und Hochalmen die Langsamkeit. Oder sollte man Achtsamkeit sagen?

Lebensgefährlicher Wintertraum

Wenn dann also die Nacht tatsächlich einen halben Meter Schnee gebracht hat, wird ohnehin jeder Waldweg auf Schneeschuhen zum alpinen Abenteuer. „Oben auf den windverblasenen Höhen“, erklärt Ranger Andreas, „hat man an solchen Tagen eh nichts verloren.“ Und wenn man nicht wegen der Lawinen darauf verzichtet, dann vielleicht wegen der Gämsen und Steinböcke. Für die seien nämlich gerade diese Neuschneetage lebensgefährlich. Da stünden sie morgens bis zur Hüfte im Schnee – „und dann kommen Rudel von übereifrigen Skitourengehern, und die Tiere flüchten in Panik“.

Kals am Großglockner: Die besten Tipps

Klimafreundliche Anreise

Per Bahn nach Lienz (direkt knapp 6 Std. ab Wien), weiter per Bus nach Kals, oebb.at 

Unterkunft

Auf dem gemütlichen und familiär geführten Bauernhof Taurer ist beim Frühstück von Brot bis Marmelade und Schinken alles hausgemacht. Zimmer ab 50 €. Mit Ski geht’s direkt auf die Piste, biobauernhof-taurer.at

Entspannten Luxus, Küche auf Haubenniveau, elegante Wellness-Landschaft mit Yoga und Fitness, dazu Zimmer, in denen man sich mit Blick auf die Tauern in Polsternischen kuscheln kann, bieten Hotel und Chaletdorf Gradonna an der Piste. Halbpension ab 160 €, gradonna.at

Käse aus dem Nationalpark

Philipp Jans betreibt mit Familie im uralten Figerhof eine moderne Bio-Landwirtschaft und hat sich auf Ziegenmilch- und Käseherstellung spezialisiert. osttirol-kostbar.at 

Mit Ranger unterwegs

Der Nationalpark bietet Wintertouren und Wildtier- Fütterungen auf Schneeschuhen an, nationalpark.at

Auskunft und Messe 

Der Tourismusverband Osttirol ist auch mit Stand auf der Ferien-Messe (16.–19.3.) zu finden. osttirol.com

Konrad Kramar

Über Konrad Kramar

Erfahrungen, europa- und weltweit, hat Konrad Kramar in seinen Jahren als Auslandsreporter mehr als genug gesammelt. Jetzt berichtet er als Korrespondent für den KURIER aus dem Machtzentrum der EU, aus Brüssel und kann genau dieses Wissen aus seinen Jahren als Reporter bestens einsetzen: egal ob es um Krieg in Nahost, Bauernproteste, oder die Chancen und Gefahren der neuen Gentechnik geht. Eine ganze Handvoll Fremdsprachen - inklusive einem allmählich immer besseren Französisch - ist da durchaus hilfreich Als langjähriger Amerikaexperte hat er die USA von den schwarzen Ghettos in LA bis zu den Villenvierteln in Boston bereist, US-Eliteunis und Armeebasen von innen kennen gelernt: Die USA waren für Auslandsreporter Konrad Kramar immer ein Land, an das er sein Herz verlieren konnte - trotz Antiterrorwahn, Trump und religiöser Fanatiker. Mehr als 20 Jahre war er vor dem für den KURIER unterwegs, vom Iran bis nach Spanien oder Tschechien, begleitet von langjähriger Erfahrung mit Krisen und Katastrophen. Als Buchautor wirft er lieber einen Blick in die heimische, oder auch die europäiche Geschichte, etwa in Büchern wie "Die schrulligen Habsburger", "Mission Michelangelo", oder "Neue Grenzen, offene Rechnungen"

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