Wandern in Salzburg: Wo Marcel Hirscher zum Skiwunder heranwuchs
Hier hat Jahrhundert-Skifahrer Marcel Hirscher seine Kindheit und die frühe Jugend verbracht. Die urige Hütte in Salzburg ist ein idealer Ausgangspunkt für gemütliche Wander- und spannende Kraxeltouren
Wer zur Stuhlalm aufsteigt, versteht schnell, warum die Hütte so viele Fans hat: Nach einer Dreiviertelstunde öffnet sich der Wald und geht in liebliche Almwiesen über, auf denen Kühe grasen. Fünfzehn Minuten später steht man vor der gemütlichen Herberge, hinter der sich die berühmte Bischofsmütze mit ihren Nordabbrüchen in den Himmel schraubt. Setzt man sich dann auf die Holzbank vor der Hütte, hat man alles richtig gemacht und sich einen Logenplatz reserviert für ein Sonnenuntergangsspektakel, das seinesgleichen sucht. Im milden Abendlicht geht der Blick hinüber zum Tennengebirge.
Rechts ist der Hohe Göll zu sehen, links der Hochkönig, am Horizont grüßt die Hohe-Tauern-Prominenz vom Großglockner bis zum Großvenediger. Dieses Schauspiel genießen vor allem die Gäste, während das Hütten-Team Suppe und Hauptspeise aufträgt. Vierzehn Sommer lang war Ferdinand Hirscher hier oben der Boss.
Der „Ferdl“, Jahrgang 1955, wuchs unten in Annaberg im Lammertal auf, wo er als Skilehrer, Lastwagenfahrer und Holzfäller arbeitete. Als Holzknecht verdiente er gutes Geld. Aber der Job war gefährlich, er wollte da raus. So kam er auf die Idee, zusammen mit seiner niederländischen Frau Sylvia eine Hütte zu pachten. 1989, das Jahr, in dem der erste Sohn Marcel geboren wurde, sollte auch der erste Sommer auf der Stuhlalm werden.
Info
Die Stuhlalm ist feines „Basislager“ und Zwischenetappe für die Gosaukamm-Umrundung, den Salzalpensteig, die Dachstein-Runde oder die Via Alpina.
- Anreise
- Klimafreundlich: Von Wien bis Golling-Abtenau mit dem Zug, weiter mit dem Bus bis Annaberg im Lammertal. Fahrtzeit etwas mehr als 4 Std. Bei Bedarf fährt das Wandertaxi (Juni bis Sept.) zum Parkplatz Pommer in Astauwinkel
- Alternativ mit dem Auto: Auf der A10 (Tauernautobahn) von Norden kommend bis zur Ausfahrt Golling und weiter Richtung Annaberg im Lammertal; kurz vor Annaberg Richtung „Skigebiet Dachstein West/Donnerkogel-Bahn“ abbiegen und weiter bis zum Wanderparkplatz Pommer in Astauwinkel (Navi-Eingabe: Parkplatz Pommer, 5524 Annaberg) - Zustieg
Vom Parkplatz (993 m) in einer guten Stunde gemütlich auf dem Forstweg (oder via die Abkürzer, dann steiler) zuerst durch Wald, dann über Almgelände zur Stuhlalm (475 hm); Alternativ-Route: Wanderweg von der Bergstation der Gosaukamm-Bahn über Törlecksattel und Austriasteig zur Stuhlalm (1,5 Std.) - Website
stuhlalm.at; Hüttenschlafsack nicht vergessen! Preis im Lager pro Person/Nacht inkl. Halbpension: 56 EUR (für Kinder bis zehn Jahre: 39 EUR); im Zimmer: 62 bzw. 39 EUR; nur Barzahlung! Geöffnet von Anfang Juni bis Ende Oktober, je nach Schneelage und Wetter - Allgemeine Auskünfte
Tourismusverband Annaberg-Lungötz: annaberg-lungoetz.com
Die Alm prägte Marcel
Ferdl Hirscher wusste damals zwar nicht, dass sein Marcel einmal der weltbeste Alpin-Skifahrer werden sollte. Aber im Rückblick sind sich Vater und Sohn sicher, dass das rustikale Hüttenleben den Bub stark geprägt hat. Erstens gab es die ersten sieben Jahre nicht einmal warmes Wasser. Zum Duschen ging man mit der Gießkanne hinter das Haus. Und wenn es gewitterte, tropfte Regenwasser durch das Dach. Zweitens fehlten Ablenkungen wie Fernsehen und Videospiele. Drittens schulte Marcel beim Herumtollen auf Felsbrocken und Baumwurzeln seinen Gleichgewichtssinn. Und viertens war es ein perfektes Ausdauertraining, wenn er nach dem Schwimmen mit Freunden im Tal zur Hütte hinauf radeln musste.
Seine Kindheit sei sehr speziell gewesen, so Hirscher Junior später. „Ich hab’ brutal viele Erinnerungen an die Alm.“ Der Vater ergänzt: „Wenn man als Kind in dem rumpeligen, welligen, steinigen und schwierigen Gelände das Gehen lernt, entwickelt man ein Gleichgewichtsgefühl, das man schwer aufholen kann, wenn man unten in der Stadt aufwächst.“ Dieser ausgeprägte Sinn für Balance wurde noch offensichtlicher, als der Vater den Sohn mit zwei Jahren auf Skier stellte.
Nachbarhütten und Gipfel
Nachbar-Hütten:
- Theodor-Körner-Hütte (1454 m, 10 Min.)
- Gablonzerhütte (1550 m, 2 Std.)
- Hofpürglhütte (1705 m, 2 Std.
Gipfelziele:
- Großer Donnerkogel (2054 m, 588 hm)
- Strichkogel (2035 m, 569 hm)
- Angerstein (2101 m, 635 hm)
- Mannlkogl (2279 m, 812 hm)
Bergführer
Blas Rettenegger (Motto: „I bin da Blas und jetzt gemma Gas!“), T: +43-6643209310, E-Mail: [email protected]
Medien
Kompass Wanderkarte Nr. 20 „Dachstein, Ausseerland, Bad Goisern, Hallstatt“, Maßstab: 1:50.000;
Sepp und Marc Brandl: „Dachstein-Tauern West“, Rother Wanderführer
Geduld und Zähigkeit lernte er auf der Alm: „Diese Eigenschaften sind mir früh aufgefallen“, erinnert sich Ferdl. „Mit vier oder fünf Jahren hat er über den Sommer einen riesigen Stein ausgegraben. Mit seinem kleinen Kinderpickel hat er im Frühjahr angefangen, und irgendwann im Herbst hat er ihn draußen gehabt.“ Es folgte eine Zeit, in der Marcel nicht mehr so oft vor der Hütte stand, dafür umso öfter auf dem Siegerpodest. Bis zu seinem Rücktritt 2019 räumte er alles ab, was man gewinnen konnte. Aktuell baut er sich ein Leben nach der Karriere in Abtenau auf, wo er gemeinsam mit Bruder Leon mit der Marke „Van Deer“ unter die Skibauer gegangen ist. Im Sommer nimmt er sich Zeit für Wanderungen in seiner Heimat am Dachstein. Sogar auf die Große Bischofsmütze kletterte er. Und der Vater? „Ferdl schaut immer noch alle zwei, drei Wochen hier oben vorbei“, erzählt Tina Schumacher. Sie und ihr Partner Stephan Wieland haben seit dem Sommer 2022 die Hütte gepachtet.
Die beiden möchten das Haus modern und nachhaltig bewirtschaften. An der Eingangstür hängen Fotos ihrer regionalen Produzenten, eine „Hall of Fame“ vom Bäcker bis zur Eier-Frau, dem Rinderzüchter oder der Dame, die Sirup herstellt. Wichtig ist der Beitrag von Tinas Mama und ihrem Gemüsegarten unten im Tal. Einen solchen gibt es zwar auch oben, aber der ist aufgrund der Höhenlage nicht ganz so ertragreich. „Die Gärten bringen uns fast komplett durch den Sommer“, freut sich Tina. Frische Lebensmittel sind wichtig, weil sie keinen Kühlschrank haben, sondern nur Erdkühlung.
Tourentipp
Angerstein (2101 m)
anspruchsvolle Bergtour (I-II), ca. 4 Std., 635 hm (ab Stuhlalm), ca. 7 km (retour, ab Stuhlalm)
- Charakter: Spannende Spritztour durch die NW-Flanke auf den Hausberg der Hütte, der allerdings nicht ganz einfach zu besteigen ist. Der zweite Grad sollte seilfrei beherrscht werden, es gibt keine Stahlseile zur Sicherung. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit unbedingt erforderlich!
- Ausgangs- und Endpunkt: Wanderparkplatz Pommer bzw. Stuhlalm
- Route: Von der Stuhlalm am Austriaweg auf einen flachen Grasrücken (1500 m), hier nordostwärts abzweigen, durch dichte Latschenfelder bis zur Abzweigung des Steiges zum Mittleren Mandlkogel, links halten, unter den Felswänden des Angersteins nach Norden queren, rechts hinauf zur Großen Weitscharte, durch eine schattige Steilrinne (I) auf die Abdachung des Südgipfels (2080m), kurzer, ausgesetzter Abstieg in eine Scharte und steil auf den Hauptgipfel des Angersteins
- Einkehr: Stuhlalm
Herrscht einmal wenig Betrieb, stehlen sie sich davon: zum Sonnenuntergang – oder auf die geheime Almwiese, auf der schon Vater und Sohn Hirscher den Gämsen beim Fressen, Spielen und Raufen zugeschaut haben.
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