Reisetipp: Saint-Tropez - Bonjour Noblesse

Jetset-Treff an der Côte d’Azur? Die Faszination ist immer noch da, doch die Zeit hat auch hier einiges verändert.

Info

Beste Reisezeit

Juni bis September

Einwohner

4.103

Region

Provence-Alpes-Côte d’Azur

Saint-Tropez vom Meer aus anzusteuern, hat was. Diese Sicht auf die prachtvolle Bucht, das langsame Annähern, Welle für Welle. Erwartung, Spannung – weil:  C’est St. Trop! Und ich, bitteschön, bin jetzt auch bald da.
Die „Royal Clipper“, dieses mächtige Luxus-Segelschiff, das uns von Cannes über Korsika zurück an die Côte d’Azur gebracht hat, ankert weit draußen. Es sind  eigene Tenderboote, die uns in den Hafen schippern – das Meer ist heute etwas unruhig. Egal. Was kostet die Welt, besonders hier? Und da liegt es auch schon, das legendäre Dorf, wie hingegossen. Ein Symbol der „Joie de vivre“, der südfranzösischen Lebensfreude. Träumerisch, fast ein bisschen unschuldig. Hier bunte Häuser und Pointu-Fischerboote, dort das azurblaue Meer, dahinter waldige Hügel, in die  große und kleine Villen eingearbeitet sind, als wären sie Edelsteine. Man ahnt, wie schön das Hinterland der Halbinsel sein muss – und wie teuer.

Ins Café Sénéquier auf einen „St. Tropez-Spritz“: teuer, aber sehr kultig

©ï¿½ Davide Erbetta/HUBER IMAGES

Spätestens im Hafen der erste Show-Effekt: Hunderte Megajachten, die wie edle Rennpferde im Stall darauf warten, dass ihre Besitzer vom Dinner oder  einer Party  zurückkehren. Am Parkplatz des Hafens  fast ausschließlich Lamborghinis, Ferraris, Porsches, Bentleys  – als surreale Objekte der Begierde von Reichen und  – im Idealfall – Schönen. Klick, klick, klick machen die Handykameras der „Normalos“:  Bienvenu in der Wiege des internationalen Jetsets. Jetzt aber: Wo sitzen, mit einem Pain au chocolat in der einen, und einem Aperol in der anderen Hand. Genießen und schauen. Wann biegt Madonna um die Ecke? Oder Leo DiCaprio?
Diskretion ist alles„Ah oui. That’s Saint-Tropez“, lacht Tourismusdirektor Claude Maniscalco, ohne zu beantworten, woher all das Geld kommt oder wo denn hier wer neben wem wohnt: „Diskretion ist alles“, sagt er. Klar. Später wird er mehr  über die Herausforderungen für den Ort erzählen. Und während man bei  einem Glas Rosé auf der Dachterrasse des Hôtel de Paris den Blick über die Dächer schweifen lässt und versucht, sich die Sonnenbrille einen Hauch mondäner auf der Nase zu platzieren oder das Tuch eleganter über die Schulter zu werfen, ist da plötzlich dieser  Sekundentraum in Schwarzweiß. Ein innerer Film, in dem man sich Seite an Seite von Stars wie Mick Jagger, der hier Bianca heiratete, Romy Schneider, Jane Birkin oder Brigitte Bardot durch die  Gassen bummeln sieht. Strohhut am Kopf, Strandtasche am Arm, die Beine in einer bunt-blumigen Glockenhose – während Sacha Distel singt: „Tu es le soleil de ma vie“. Am Look hat sich wenig geändert, doch Mick hat gerade eine Herz-OP hinter sich, Romy weilt schon lange nicht mehr unter uns, und die BB, 84,  ist eine fanatische Tierschützerin, die  sich in ihrem Anwesen La Madrague, am Rand von Saint-Tropez, verkriecht. Im Jahr 2017 wurde ihr zu Ehren eine 700 kg schwere Bronzeskulptur beim Ortseingang aufgestellt – BB als junge Schauspielerin, und ewig lockt der Schmollmund. Sie ist nie da und trotzdem überall. Gunter Sachs ließ für sie einst Rosen regnen, –  aus einem Helikopter. BB war es, die Saint-Tropez in die Welt trug. Von nun an zog es den Party-Tross an die Côte d’Azur, wo getanzt, gesoffen und oben ohne gebadet wurde.

Der Mythos vom Mythos

Gilt dieses Lustprinzip auch noch im 21. Jahrhundert? Ganz sicher ist die Faszination des Ortes ungebrochen, er ist   selbst erhaltend. Oft fällt das Wort „Mythos“. Es scheint, das Klischee lebt. Tut es das?  Oui et non. Auch Saint-Tropez unterliegt dem Wandel. Am besten, man fängt an, dem alten Geist  des Dorfs  im „Musée de la Gendarmerie et du Cinéma“ auf der Place Blanqui nachzuspüren – ein Spaziergang durch jene Zeit, in  der vieles begann, von dem heute noch so viele schwärmen und träumen. Retrospektiven: Man begegnet den Stars von seiner Kindheit –  Louis de Funès, Romy Schneider, Alain Delon und, naturellement, Brischit. Und seit 1950 ist Saint-Tropez deshalb, was es ist: Treffpunkt für Künstler, Spielwiese für Millionäre.
Entdeckt wurde der Ort aber bereits im 19. Jahrhundert, von dem Schriftsteller Guy de Maupassant und dem Maler Paul Signac. Werke von ihm und Henri Matisse sind im „Musée de l’Annonciade“ im Hafen zu sehen. Der Besuch lohnt sich. Françoise Sagan schrieb hier übrigens ihren Weltbestseller „Bonjour Tristesse“.

Die Dorfkirche immer im Blick - und im Hintergrund das Meer

©St Tropez Tourismus

Natürlich wird in Saint-Tropez immer noch legendär gefeiert. Wer es sich leisten kann, lässt es  krachen und verschläft den Tag am Rande eines Infinity-Pools. Im Juli und August wirkt das Dorf wie ein Magnet, sechs Millionen Menschen aus 85 verschiedenen Nationen kommen jetzt, um „da“ zu sein. 800 Jacht-Liegeplätze fasst der Hafen, der zu den teuersten Europas zählt. „An die 1.000 weitere Jachten ankern draußen“, beschreibt Claude Maniscalco den Andrang. Außerhalb der Saison  leben hier  zirka 5.000 Menschen, Saint-Tropez ist bei sich statt außer sich. 

©Tahiti Beach

Die Begehrlichkeiten sind groß, ein  Balanceakt für die  Tourismusverantwortlichen. „Es ging um die Frage der Kapazität. Wollen wir  Massentourismus oder fokussieren wir uns eher auf die gehobene Klientel? Wir haben uns für Zweiteres entschieden, daher gibt es nach wie vor  keine großen Hotelketten, nur Boutiquehotels, Mietvillen oder Appartements bei uns“, sagt Claude Maniscalco. Alles andere würde den ursprünglichen Charakter des einstigen Fischerdorfs vollends zerstören.  „Wir bräuchten dann mehr Betten, mehr Garagen, mehr Platz.“  Umweltschutz ist ein Riesenthema. Die Halbinsel Saint-Tropez ist Teil eines Nationalparks, viele Besucher kommen des Umfelds wegen  – die Wälder, die Weinberge, die Wildblumen und unberührte Landstriche. Brigitte Bardot ist mit der Entwicklung des Dorfes trotzdem unglücklich.   Saint-Tropez sei nur noch „eine Luxusvitrine ohne Seele“, sagt sie. Und das, obwohl sich der Ort gerade als „Vegetarier-Hauptstadt Frankreichs“ positionieren möchte.

Innere Schönheit

Ein Dorf, zwei Seiten. Licht und Schatten. Dem Charme von Saint-Tropez zu erliegen, ist trotzdem sehr leicht, vor allem im Juni oder im Oktober, wenn die Sonne tief steht. Es ist wie bei einem Menschen, der  schillert und lacht, doch wer ein bisschen an seiner Oberfläche kratzt, entdeckt  seinen wahren Kern. Jetzt wird die stille Seite des Ortes sichtbar – sein  provenzalischer Charakter, die  Gassen, in denen man nun zu durchaus moderaten Preisen shoppen gehen kann. Außer aber es geht darum, daheim mit echten „Tropézienne-Sandalen“ aus dem Hause K. Jacques anzugeben, die werden auf Wunsch von Hand gefertigt und halten angeblich ewig. Dazwischen ist da so ein Gefühl, als würde man aus der Zeit fallen. Beim Bummel durch  die Altstadt (die im Sommer für den Verkehr gesperrt ist),  im Vieux Port oder am Kai entlang. Als stünden die  Uhren still. Bis man  beim Place des Lices angelangt ist, und unter  den prächtigen Platanen im Laternenlicht erstaunt feststellt: So spät schon, ich habe Hunger, ich habe Durst. Die Küche der Côte d’Azur ist so leicht wie das Sein hier. Mittelmeer auf dem Teller,  Tapenade auf dem Brot, Ziegenkäse danach. Und noch ein Glas Wein. Zum Abschluss:  „La Tarte Tropézienne“, der cremig-süße Kuchentraum mit etwas Orangenblütenwasser. Ja, das Leben kann doch sehr schön sein.

Die Recherche-Reise nach Saint-Tropez wurde durch „Star Clippers“ und „Atout France“ ermöglicht.

©Katjana Lacatena/carolineseidler.com

1 / Auf einen Kaffee im  Hafen
Megajachten und bunte
Fischerboote schauen.
www.portsainttropez.com

2 / Spaziergang zu La Citadelle
Toller Blick  auf den Golf von Saint-Tropez und die Stadt.
www.saint-tropez.fr
 
3 / Louis de Funès & Co
Retro-Gefühle: 50 Minuten im Gendarmerie- und Kinomuseum.  
www.saint-tropez.fr/fr/culture/mgc

4 / Ins Café Sénéquier
  Auf einen „St. Tropez-Spritz“: teuer, aber sehr kultig.
  www.senequier.com

5 / Plage de la Moutte
Herrlicher Naturstrand.
www.golfe-saint-tropez-information.com

6 / Plage des Salins
Pizza mit Blick aufs Meer und
Puderzucker-Sand.
 www.lessalins.com
 
7 / Mondänes Planschen
Schwimmen nahe La Garrigue, wo Brigitte Bardot ein Anwesen  hat.
at.france.fr/de/provence/artikel/saint-tropez

8 / Plage de Pampelonne
Drehort von  „Und ewig lockt das Weib“. Legendär: „Le Club 55“.
www.club55.fr

9 / Place des Lices
Typisch provenzalischer Wochenmarkt. Ein Fest für die Sinne.
18 Boulevard Vasserot

10 / Vieille Ville
Bummeln und Shoppen in den
schmalen Gassen der Altstadt.
 
11 / Le Café
Auf ein Glas Rosé in einem der ältesten Lokale der Stadt.
www.lecafe.fr
 
12 / Les Toits Lounge
Sundowner und Häppchen in der  Rooftop-Bar des Hôtel de Paris.
www.facebook.com/rooftophoteldeparissainttrope

13 / Ausflug nach Port Grimaud
Kitschiges, südfranzösisches Venedig mit   vielen bunten Häuschen.
www.grimaud-provence.com

14 / Weiter nach Gassin
Eines der schönsten Dörfer Frankreichs mit Blick über das Meer.
www.mairie-gassin.fr
 
 15 / Place de Barri/Gassin
 Tagträumen in einem der Lokale,  am  höchsten Punkt von Gassin.
 www.provence-guide.de/gassin/
 
 16. Le Pescadou
 Auf eine Rochensuppe im herrlichen Garten des „Le Pescadou“.
 www.lepescadou-gassin.net

17 / Le Mas des Chastelas
 Drehort für „Die Männer, die ich liebte“ – mit Catherine Deneuve.
 www.chastelas.com
 
18 / Hôtel de Paris
Haus am  Place de la Gendarmerie, Dachterrasse mit Pool
www.hoteldeparis-sainttropez.com

19 / Cheval Blanc
Kleines, luxuriöses Hotel der LVHM-Gruppe, hat gerade erst eröffnet.
www.chevalblanc.com/en/maison/st-tropez/
 

 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

Kommentare