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Im Takt der Hufen: 460 Jahre Spanische Hofreitschule

In Wien wiegen sich nicht nur die Menschen im Walzerschritt. Im Michaelertrakt der Hofburg tanzen seit jeher die Lipizzaner.

Neapolitano Pastime ist pünktlich zum Jubiläum eingetroffen. Das Fohlen wurde am 20. Jänner 2025 geboren und war damit das erste des Jahres im Lipizzanergestüt. „Jedes Fohlen, das in Piber geboren wird, ist ein lebendiger Beweis für die Verbindung aus Tradition und Zukunft unserer Institution“, freute sich Alfred Hudler über den Neuankömmling.

Als Geschäftsführer lenkt Hudler seit Dezember 2022 die Zügel der Spanischen Hofreitschule in Wien und die des Gestüts in der Steiermark. Die von ihm angesprochene Tradition feiert heuer ihr 460-jähriges Bestehen: Ein Dokument aus 1565 verweist auf den Bau einer Reit- und Turnierbahn bei der Wiener Hofburg.

Es gilt als die erste Erwähnung der späteren Spanischen Hofreitschule, die bis heute die klassische Reitkunst in der „Renaissancetradition der Hohen Schule“ fortführt. 356.000 Gäste (vor allem aus Deutschland, den USA und England) kamen 2024 in den Michaelertrakt der Hofburg, um die Pferde zu sehen, so Hudler, ein leichtes Plus zum Vorjahr, und: „Die Österreicher selbst machten rund 13 Prozent aus.“

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Im Gestüt Piber in der Steiermark wachsen die Lipizzaner heran. Neapolitano Pastime war das erste Fohlen des Jahres 2025.

©Ines Hubinger

Glücksfall im Stall

Vielleicht sind es die vorbeiziehenden Fiaker, vielleicht ist es ein erster Gruß aus der Hofreitschule: Zwischen Michaelerplatz und Josefsplatz riecht es jedenfalls nach Pferd. Hier in der Reitschulgasse 2 befindet sich die sogenannte Stallburg

In dem einzigen noch erhaltenen Renaissancepalast Wiens erhascht man einen ersten Blick auf die Hengste. Ursprünglich im 16. Jahrhundert von Erzherzog Maximilian II als Residenz genutzt, gehört der Bau zu den ältesten Teilen der Hofburg. Im Erdgeschoß aber waren schon immer Pferde untergebracht – zunächst die des Kaiserhauses, dann die der Spanischen Hofreitschule. Selbst wenn die Touristentraube vor dem Arkadenhof gerade groß sein sollte, sieht man dank der gläsernen Front die Ställe und den ein oder anderen Hengst – und damit auch die älteste Kulturpferderasse Europas.

Besuch in der Spanischen Hofreitschule

Seit der Errichtung (1563–1565) der Stallburg sind im Erdgeschoß Pferde untergebracht.

©Kurier/Gilbert Novy

Gab es diese ursprünglich in vielen Farben, etwa als Füchse, Falben, Tigerschecken und Rappen, setzte sich erst ab dem 19. Jahrhundert das typische Weiß durch. Und trotzdem findet sich in der Spanischen Hofreitschule zu jeder Zeit immer noch zumindest ein brauner Lipizzaner – er gilt bis heute als Glücksbringer. 

Die Vorführungen finden in der nahen Winterreitschule im Michaelertrakt statt. Der barocke Bau ist innen wie außen überaus prunkvoll. Wenig verwunderlich, er wurde von 1729 bis 1735 nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach errichtet. Der berühmte Barockarchitekt gab unter anderem auch Schloss Schönbrunn und der Karlskirche ihre unverwechselbare Gestalt.

Vierbeiniges Flugmanöver

Der Hengst springt in die Luft. Aus der Sicht eines Laien überraschend hoch, bedenkt man Größe, Gewicht und die verhältnismäßig dünnen Beine. Am höchsten Punkt der Flugbahn schlägt das Tier dann kräftig mit den Hinterbeinen aus, um dann sicher am Boden zu landen. Die Kapriole ist eine der schwierigsten Schulsprünge und ist hier ein Beispiel für den Mix aus Eleganz und Technik, den man bei einer Vorführung sieht.

Während der rund 45- bis 90-minütigen Shows zeigen die Lipizzaner ihr Können: wie Galopp-Pirouetten, Pas de Deux – zwei Pferde tanzen synchron, aber spiegelbildlich zu klassischer Musik – oder die überaus anspruchsvolle Schulquadrille mit acht Pferden. Bei der Arbeit an der Hand sitzen die Bereiter und Bereiterinnen nicht im Sattel, sondern führen die Schulsprünge an der Hand vor. Einer davon ist die erwähnte Kapriole.

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Im Sommer sieht man die Lipizzaner mitunter im Burggarten. 2021 wurden Koppeln errichtet.

©WienTourismus/Julius Hirtzberger

Nachdem der Rechnungshof 2021 kritisierte, dass die Tiere zu viele Auftritte absolvieren mussten, greifen inzwischen Verbesserungen: So stehen nun für die Shows 66 Hengste bereit, 18 mehr als vor fünf Jahren. Für das Jubiläumsjahr 2025 kündigte Hudler den Einbau einer leistungsfähigen Lüftung sowie Benebelungsanlagen in der Stallburg an, um die Sommertage angenehmer zu machen. Ergänzend dazu ist in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt die Begrünung des Hofes geplant. Wobei die Pferde im Sommer wohl weniger oft in der Wintereitschule tanzen werden: Da die Sanierung des Daches ansteht, wird der Betrieb nur eingeschränkt möglich sein. 

Tipps für Pferdebegeisterte

In Wien:

  • Wer sich für die Spanische Hofreitschule interessiert, kann  Karten für Vorführungen oder Morgenarbeit buchen. Bei letzterer werden die Hengste beim Training beobachtet, wobei man die berühmten Schulsprünge hier nur selten sieht. Geführte Rundgänge und Architekturführungen ergänzen das Angebot. „Legende Lipizzaner“ heißt der Sonderrundgang zum 460-Jahre-Jubiläum mit historischem Fokus (www.srs.at). 
  • Übernachtungstipp: „Imperial Riding School“ in Wien-Landstraße. Nicht nach der Spanischen Hofreitschule benannt verweist dieses neu eröffnete Hotel auf Kaiser Franz Joseph I. und die Gründung der k.u.k. Militärreitschule im 19. Jahrhundert. (imperialridingschool.com). 

Im steirischen Piber:  

  • Die Öffnungszeiten des Gestüts variieren über das Jahr. Mehrmals am Tag werden Führungen angeboten. 
    Tipp: die Fohlenerlebnistage im Frühjahr (piber.com).

In Wien begegnet man den Pferden aber nicht nur in der Winterreitschule, in der Stallburg oder beim Ausritt in den nahen Burggarten, wo sie im Sommer Quartier beziehen. Es gibt sie auch in Bronze gegossen: Am Heldenplatz sitzt Prinz Eugen auf einem stolzen Lipizzaner, ebenso die Feldherren, die beim Kunst- und Naturhistorischen Museum Maria Theresia bewachen. Und in Miniatur warten sie auch in manchem Innenstadt-Schaufenster: als kleine Porzellanfigur von Augarten.

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