Rodeln kann man in der Schule lernen: So schnell ist der Hexenritt

Söll am Wilden Kaiser hat die erste Rodelschule des Landes. Lehrerin Marianne Treichl teilt Weisheiten auch mit Zauberern aus Harry Potter.

"Warzen-Eiter, Knochenstaub, Fingernägel, faules Laub, Hexenspucke, Krötenschleim.“ Das kommt in den Trank hinein, den Marianne Treichl in der Skiwelt Söll am „Hexenwasser“ den Skifahrern reicht.  Sagt sie zumindest. Treichl ist dort hauptberuflich Hexe. Sie fegt mit den Skiern und schwarzem Gewand zum Vergnügen der Besucher und aus Gründen des Marketings  über die Pisten, vorbei am Knusperhäuschen oder dem Kirschgarten mit einer überdimensionalen Frucht-Skulptur. Hin und wieder tauscht sie  den Besen und die Ski gegen die Rodel und ihren Hexenhut gegen den Helm.  Treichl ist auch eine Rodelhexe – gar keine fürchterliche, sondern eine freundliche, aber eine resche-resolute. Und die gibt seit 2013 Unterricht in der ersten Rodelschule Österreichs, hier in Tirol mit Blick auf den Wilden Kaiser.

Weil beim Rodeln könnte man schon einiges falsch machen. „Kein Mensch geht Ski fahren, ohne dass er einen Kurs macht. Aber beim  Rodeln denkt man sich: ‚Da setz ich mich rauf, und es geht los“, sagt Treichl. „Klar, es geht schon los, aber man soll irgendwann wieder bremsen.“ Und Überschätzung sei ein grober Anfängerfehler. Wenn  Unfälle passieren, dann meist, weil die Rodler zu schnell unterwegs seien. „Tipps sind schon wichtig. Es braucht nicht viel, aber man sollte schon wissen, wie man bremst und Kurven nimmt. Dann macht das auch viel mehr Spaß.“

Niemals mit den Skischuhen

Um den zu haben, braucht es aber zuerst einmal eine ordentliche Ausrüstung. „Schau, so wie die sollte man es nicht machen“, meint Treichl über eine Gruppe holländischer Burschen, die sich gerade mit Skischuhen und Rodeln in Richtung Lift begeben. „Die sind gefährlich, da können blöde Unfälle passieren, weil du damit schlecht bremst.“ Und auch auf den Helm sollte man nicht verzichten. „Wenn wir ein Hirn haben, sollen wir es schützen.“

"Hexenritt": Rodelabfahrt nach Söll

Und wichtig für die Rodel – besonders wenn sie ausgeliehen wird – eine Kette. Damit sie nicht abhandenkommt, wenn man in der Hütte sitzt. Das nicht nur, weil das Gerät anderen Gästen mit glühweinseliger Laune gefallen könnte. Die Kufen könnten auch Beine und die Fahrer keine Kaution bekommen, wenn die Rodeln nicht ordnungsgemäß abgestellt werden und von selbst in den Wald oder in einen Bach fahren.

In Söll gibt es Rodeln zum Ausleihen bei der Liftstation - eine Kette sollte auf jeden Fall auch mit dabei sein.

©privat

Nach der Sicherheitseinweisung geht es mit der Gondel hinauf. „Da drüben, das ist der Hof vom Bergdoktor“, zeigt Treichl auf das hölzerne Anwesen, das auf dem Bramberg oberhalb von Söll steht. Im Sommer pilgern hier die Fans der TV-Serie den Hang hinauf zum Gruberhof. „Und hier habe ich meine Kindheit verbracht“, zeigt sie wenig später auf ein anderes Gehöft. Die Hänge sind steil – schon als Kind sei sie liebend gern heruntergerodelt. „Ich bin ein Wintermensch. Manchmal hat uns der Papa mit dem Traktor den Berg hinauf gezogen.“  Sie konnte nicht genug davon bekommen – später bretterte sie auf einer Rennrodel die Strecken runter. Und dann zeigt Treichl auf Rodler, die mit  Gejauchze im Tigerkostüm unter der Gondel durchrauschen. Sie bremsen mit Skischuhen und  Fersen. „Das ist ganz falsch.“

Bevor es den drei Kilometer langen Hexenritt – natürlich, so heißt hier die Rodelstrecke – hinuntergeht, gibt es einen kurzen Intensivkurs am  kleinen Hang. „Die Füße gehören parallel zum Schnee. Und wenn man bremsen muss, dann mit der ganzen Sohle. Nicht nur mit den Fersen, wie wir das vorhin gesehen haben.“ Die würden sonst zu sehr belastet. Und das tut dann weh.  Für die Notbremsung hebt sie die Kufen vorne hoch. Gelenkt wird auch mit dem Stiefel – der in der gewünschten Fahrtrichtung in den Schnee kommt. Besser geht es noch, wenn die Hände zum Einsatz kommen. „Da verbraucht man einige Handschuhe.“ 

Marianne Treichl zeigt, wie die Notbremse funktioniert.

©privat

Dann stellt sie den Fuß vorne in die Kufeninnenseite. „So darfst du das auf keinen Fall machen, weil sonst brichst du dir gleich mal den Knöchel.“ Mit diesen Worten im Ohr geht es zum 3,2 Kilometer langen Hexenritt – unschwer zu erkennen am roten Transparent und einer Hexensilhouette.

Die "Rodelhexe" vor der Hexenritt - wie die Rodelbahn heißt.

©Kurier/Kurier/Bildagentur Muehlanger

Und noch ein Sicherheitstipp. „Wie beim Skifahren ist es wichtig, immer nach oben zu schauen, bevor du wegfährst.“ Nachdem sich das   Kurvennehmen und das Bremsen nicht so schlecht anlässt, steigert Treichl die Rasanz. „Jetzt können wir es auch laufen lassen – einfach die Füße anheben und nach hinten legen.“ Das Rodeln nimmt an Fahrt auf.

Üben, üben, üben

Die Lehrerin muss ihren ungestümen Schüler gleich einbremsen. Von hinten ruft sie etwas, das wohl „langsamer“ heißen soll. Aber die Rufe bleiben ungehört. Beim nächsten Stopp  folgt die Anweisung: „Schnell fahren tun wir, wenn wir alleine sind. Jetzt wird geübt! Schau lieber, wie es dir beim Bremsen geht, fahr ein paar Kurven.“

Und ab geht die Post. Wer die Füße anhebt, wird schneller. Aber niemals
mit der Ferse bremsen.

©Kurier/Kurier/Bildagentur Muehlanger

Wird gemacht. Denn selbst Magier, die in der Zauber-Eliteschule Hogwarts ausgebildet wurden,  vertrauen auf das Know-how der Rodelhexe. James und Oliver Phelps, die in den Harry-Potter-Verfilmungen die Weasley-Zwillinge gespielt haben, gingen vor kurzem bei ihr in die Rodelschulung. Die beiden drehen gerade eine Reisedoku mit magischen Zielen und probierten in Tirol unter anderem den magischen Sport aus. Mit dabei hatten sie Haley Joel Osment, der auch bereits Erfahrung mit Transzendentem gesammelt hat, als er in „The Sixth Sense“ Kontakt mit dem toten Bruce Willis gesucht hat. 

Marianne Treichl mit den „Weasley-Zwillingen“ aus Harry Potter und Filmstar Haley Joel Osment

©Marianne Treichl

Ob es denen auch so gegangen ist und sie unterschätzt haben, wie durchaus anstrengend ein bisschen Rodeln ist? Zwar gab es keinen Hexenschuss, der Muskelkater am oberen Oberschenkel hat sich am nächsten Tag gemeldet. Aber wie das bei den Hexen so ist –  ein Kater gehört eigentlich dazu.

Info: Kurse von So–Do, 13.40–15.30, Anmeldung bis drei Tage vor Beginn  unter 05333/5260 oder [email protected] oder auf der Homepage der Bergbahnen Söll. Preis 25 Euro (exkl. Rodelkarte). 

Tolle Rodelstrecken in Österreich

Semmering (NÖ): Hinauf geht es mit der Gondel, hinab durch Tunnels und vorbei an fantastischen Gestalten und farbenfrohen Lichteffekten. Besonders toll wird das bei Flutlicht in der Nacht. Mit drei Kilometern Länge ist die Naturrodelbahn am Semmering die längste Ostösterreichs. Einen Rodelverleih gibt es bei der Talstation. semmering.com

 

Prein an der Rax (NÖ): Ein Geheimtipp ist die Panoramarodelbahn, auf der auch die Profis talwärts düsen.  Wegen Rennbetriebs ist sie aber nicht immer geöffnet. Etwas für Könner – eisig! 

wsv-prein.at/rodelbahn/

 

Annaberg (NÖ): Wer es weniger rasant mag oder mit Kindern rodeln will, ist in Annaberg gut aufgehoben.  Hier gibt es einen eigens abgegrenzten Pistenbereich. Wer nicht gehen will, lässt sich mit dem überdachten Förderbahn bis zum Start bringen. 

annaberg.info/rodeln

 

Mamauwiese (NÖ):  Schon die Anfahrt mit dem Auto  durch das Klostertal bei Gutenstein ist wild-romantisch. Parken  können Sie beim Jagdanwesen Somaruga. Von da an geht’s zu Fuß weiter, die Forststraße Richtung Mamauwiese am Fuß des Schneebergs.  Die Straße ist gleichzeitig die Rodelstrecke:  Etwas mehr als vier Kilometer.   Voraussetzung der Tour: Es liegt viel Schnee.

 

Wildkogel-Arena (Salzburg): Die Anlage ist nichts Geringeres als die längste beleuchtete Rodelbahn der Welt. Von Neukirchen oder Bramberg  geht es mit dem Lift hinauf und dann mit 1.300 Metern Höhenunterschied 14 Kilometer bergab.

wildkogel-arena.at/bergbahnen/rodeln/ 

 

Hochwurzen (Steiermark): Bis 23 Uhr kann man auf der Hochwurzen in Schladming fahren. Und auch die Länge der Naturrodelbahn ist mit sieben Kilometern durchaus beachtlich.

planai.at/de/winter/rodelbahn

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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