Prag Karlsbrücke

Prag kann auch anders: Tipps fürs lange Wochenende

Karlsbrücke und Hradschin müssen beim Besuch sein. Aber manchmal lohnt es sich, die ausgetretenen Pfade zu verlassen.

Überblick

Währung

Tschechische Kronen. Umrechnungskurs

Einwohner

1,3 Mio.

Touristen-Information

Prag Tourismus

Prag ist wahnsinnig schön. Aber Prag kann immens nerven. Einerseits ist es die uneingeschränkte Goldene Stadt: die Karlsbrücke mit ihren dunklen Heiligenfiguren, der Hradschin mit seinen unterschiedlichen Mauern, der Altstädter Ring mit seinen Türmen, das jüdische Viertel. Jenen, die nicht auch beim x-ten Besuch entzückt sind, ist nicht zu helfen.

Andererseits jagt im Zentrum ein Sightseeing-Oldtimer den nächsten, ein Massagesalon das Baumkuchen-Geschäft. Die Innenstadt ist des Nachts voll von illuminierten Männertruppen, mindestens ein Mitglied leidet immer unter gestörter Impulskontrolle und schreit etwas Unverständliches durch die Prager Nacht. Und wenn es verständlich ist, dann sind das Sätze wie: „Party, Party!“, „Ich brauche schnell ein Bier“ oder „Los geht’s, Burschen.“

Manchmal schadet es nicht, die ausgetretenen Wege zu verlassen – man muss sich nicht einmal weit davon entfernen und kann im Zentrum bleiben.

Fette Karpfen im Palais Waldstein

Ein solcher Ort ist der barocke Garten des Palais Waldstein unterhalb der Burg, am Fuße des Hradschin. Der Platz auf der Kleinseite ist zwar kein wirklicher Geheimtipp. Aber ruhig ist es rund ums frühere Anwesen des Feldherren Wallenstein und nunmehrigen Sitz des tschechischen Senats allemal. Der Eingang liegt etwas versteckt.

Wer sich vom Slalom durch die Karikaturisten und fotowütigen Besucher auf der Karlsbrücke erholen will, setzt sich auf eine Bank oder sieht sich die Bronzefiguren des niederländischen Bildhauers Adriaen de Vries an – oder zumindest Repliken davon. Ein muskulöser Herkules, der mit einer Keule einen Drachen erschlägt, ziert die Mitte eines Teiches.

Der barocke Garten des Palais Waldstein eignet sich gut für eine kleine Pause. Im Teich schwimmen dicke Koi-Karpfen

©Getty Images/Brenda Kean/istockphoto

Aber eigentlich haben alle nur Blicke für die dicken Koi-Karpfen übrig, die gemächlich ihre Runden ziehen. Mindestens genauso toll anzusehen sind die weißen Pfaue, die sich nicht schnell von lästigen Menschen, die sie fotografieren, aus der Ruhe bringen lassen.

Nicht allzuweit vom Hradschin – rund 25 Gehminuten entfernt – liegt ebenfalls auf einem Hügel der Letná-Park, eine der größten Grünanlagen der Stadt. Vom Park aus gibt es einen tollen Blick über die Stadt und auf die vielen Moldau-Übergänge. Und selbst von Weitem lässt sich das Gewurl auf der Karlsbrücke erkennen.

Aussicht auf die Stadt - vom Letná-Park. 

©Getty Images/iStockphoto/DaLiu/iStockphoto

Im Mittelpunkt des Parks steht eine bewegliche Skulptur, eine Ikone der Prager Jugend. Sie ist ein überdimensionales Metronom, dessen Taktstock sich ächzend und quietschend hin- und herbewegt. Der Künstler Vratislav Karel Novák hat die Installation entworfen, die 1991 eine große Stalin-Statue ersetzt hat. Den Platz dahinter besetzen die Skater, die ihre Tricks an Stiegen und Bänken ausprobieren. Den Fuß des Denkmals nimmt die Prager Jeunesse dorée in Beschlag. Sie tanzt hier am Wochenende, wenn es warm ist, zu elektronischen Klängen oder hängt einfach nur ab, bevor sie weiterzieht – etwa ins nahe gelegene Viertel Holešovice.

Das hippe Viertel

Der Stadtteil findet sich regelmäßig in verschiedenen Listen internationaler Medien, wenn es darum geht, die Top 10 der coolsten Viertel Europas zu küren. Einst war Holešovice industriell geprägt, dann kamen die Kreativen, die in leere Fabrikshallen einzogen. Ateliers, Cafés, Bars und Discos folgten. Mittlerweile wird der siebente Prager Bezirk als „Art District“ vermarktet.

Das Viertel Holešovice (l.) war früher industriell geprägt, heute ist es ein Stadtteil mit vielen Galerien  und Bars.

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Marketa Novakova/Alamy Stock Photos / Marketa Novakova/mauritius images

Mitverantwortlich für den Boom ist das DOX, das Zentrum für zeitgenössische Kunst, mit seiner weißen Fassade und einer Zeppelin-Konstruktion auf dem Dach. Viel Kunst gibt es auch im Veletržní palác, dem alten Messepalast. Im Gebäude im Funktionalstil sind Werke der tschechischen Avantgarde aus dem 19. bis 21. Jahrhundert untergebracht.

Einen Schub versetzte dem Viertel auch Vnitroblock, die „Galerie junger Designer“, wie es offiziell heißt. In dem revitalisierten Fabriksgelände gibt es außerdem ein Tanzstudio. Und ein T-Shirt mit eigenem Design können sich die geneigten Besucher auch noch mitnehmen. Aber wie das so ist, wenn etwas angesagt ist, kommen Investoren. Mit dem ursprünglichen Charme ist es dann eher vorbei.

Das alte Fabriksgelände Vnitroblock gilt als „Galerie junger Designer“. Dort gibt es aber auch Kaffee, Kosmetik-Produkte und ein Tanzstudio 

©Michal Krumphanzl / CTK / picturedesk.com/Michal Krumphanzl/ CTK / picturedesk.com

Gut, dass Prag gemütlich ist und die Gentrifizierung nicht wahnsinnig rasant voranschreitet. Durch Menschenmassen wie auf der Karlsbrücke muss man sich auch nicht drängeln. Die guten Ausgehlokale sind noch hier – etwa der Club „Altenburg 1964“, der am Ufer der mäandernden Moldau liegt. Er ist ein Lastschiff, in dessen metallenen Bauch Techno der härteren Gangart scheppert und manchmal sogar Gitarren erklingen. Auch nicht schlecht: das nach Berlin oder Leipzig aussehende „Fuchs 2“ mit markanter Kunstinstallation am Dach. Der Club, der sich inmitten einer verkehrsumtosten Moldauinsel befindet, bezeichnet sich auf einer Tafel stolz als public space.

Seit einiger Zeit gilt auch das auf der anderen Moldauseite liegende Karlín als hipper Ort. 2002 brach die Jahrhundertflut über Prag herein, die Moldau stand in dem Viertel drei Meter hoch. Nach der Katastrophe bekam das einst eher stiefmütterlich behandelte Viertel eine neue Chance und Jugendstilhäuser einen neuen Anstrich. Auch hier gibt es viele Bars, Cafés, revitalisierte Fabrikshallen – und nette, grüne Plätze.

Wer findet, dass es hier aussieht, wie in vielen anderen Städten Europas, kann wieder ins Zentrum zurückkehren. Natürlich geht das über Umwege auch über die volle Karlsbrücke. Am besten fährt man aber mit der U-Bahn zum Bahnhof Námestí Republiky. Gleich beim Aussteigen erfreuen den Besucher die schillernden Noppenwände der Station und die prunkvolle Umgebung an der Oberfläche. Und wenn dort die Pulke an angeheiterten Jungmännern mit fehlender Impulskontrolle zunehmen, empfiehlt sich ein Abstecher in einen hübschen Innenhof mit Arkadengängen und Kopfsteinpflaster an der Dlouhá, Nummer 37. Dort versteckt sich die schummrige Weinbar Bokova. Die Wände sind abgeschlagen, Kerzenflammen sorgen für etwas Licht.

Tschechischer Wein

Das betont coole Personal kredenzt hauptsächlich tschechische Tropfen. Sollte der Gusto nach Naturwein aus Frankreich stehen – einen exzellenten, trüben Traminer gibt es dort auch. Am Abend ist es im Lokal voll, es empfiehlt sich, früh vorbeizuschauen. Eingerahmt hängt ein Zitat Gotthold Ephraim Lessings an der Wand. Der Gast, der sich zuvor über benebelte Herren echauffiert hat, liest: „Zuviel kann man wohl trinken, doch nie trinkt man genug.“ Genug essen ist im Bokova aber schwierig, weil es gibt nur Käse. Und der hängt sehr dominant in der Luft.

Weinbar Bokova: Hier liegt der Schwerpunkt auf tschechischen Tropfen

©bokovka winebar prag/ambiente

Gut, dass das Next Door by Imperial nicht weit liegt. Hier kommen Kreationen von „Tschechiens Jamie Oliver“, Zdeněk Pohlreich, auf den Tisch. Der Koch interpretiert die tschechische Küche neu und lässt Einflüsse aus dem Pariser Bistro-Stil zu. Aus der offenen Küche kommen etwa Prager Schnecken, die unfranzösisch in einer Eimasse herausgebacken und mit Petersilien-Mayonnaise und Salat serviert werden.

„Stimmt’s, das ist schon sehr gut?“, stellt der Kellner beim Abservieren eine rhetorische Frage. Das klassische Geschmorte mit Spätzle oder fluffigen Knedliki kommt nicht zu kurz. Für manche gewöhnungsbedürftig, aber außergewöhnlich gut, sind Kaninchennieren. Stylisch ist die Einrichtung mit gefliesten Wänden und blauen Licht-Einsprengseln.

So sieht es im Next Door by Imperial aus.

©Salzer Katharina

Traditionelle tschechische Küche kombiniert mit französischen Elementen. Das gibt es auch im etwas abgelegenen Na Kopci, zu Deutsch „Am Hügel“. Der Name ist Programm. Idealerweise marschiert man vom Bahnhof Smíchov eine erkleckliche Anzahl von Stufen hinauf auf eine Erhebung, von dort gibt es eine ungewohnte Aussicht über die Stadt. Das Lokal selbst sieht von außen aus wie ein Kiosk im Ruhrgebiet und drinnen schmückt eine Fototapete die Wände. Ein Bild zeigt einen jungen Mann, der gerade beim Pieseln erwischt wurde. Der war aber wohl kein Mitglied einer auswärtigen Runde, sondern scheint mit dem Restaurant verbandelt. Aber nicht täuschen lassen, die Menschen in der Küche verstehen ihr Handwerk.

Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass …

… beim Bau der  Karlsbrücke Eier und Milch in den Mörtel gemischt wurden, damit der widerstandsfähig blieb? Lange galt das als urbane Legende, doch Wissenschaftler konnten es 2007 bestätigen. 

…  dass es auf der Kleinseite ein namenloses Gässchen gibt, das eine eigene Ampel hat? Der Weg ist nur 50 Zentimeter breit und führt zu einem Lokal.

… in Tschechien rund 140 Liter Bier pro Kopf und Jahr getrunken werden? Das Land ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl der größte Biermarkt der Welt.

Preis-Leistung

Der Michelin Bib Gourmand hat das kleine familiäre Lokal mehrfach ausgezeichnet – hier gibt es gutes Preis-Leistungsverhältnis. Dennoch ist es nicht allzu überlaufen. Die Kellnerin scheint zu wissen, was die (männlichen) Gäste wollen. „Sicher das Beef Tatar“, sagt sie bestimmt. „Gute Wahl.“ Gut für jene, die vorher die Stiegen gemeistert haben. Das Fleisch kommt mit Mayonnaise mariniert, dazu reicht man Pommes. Als Weinbegleitung gibt es selbstverständlich tschechischen Rebensaft.

Wer viel isst, sollte viel gehen. Etwa zum Kloster Strahov mit einer eindrucksvollen Bibliothek. Oder zum Rašínovo nábreží. Das ist zurzeit der lebendigste Teil des Flusskais im Zentrum. Von dort ist es auch nicht mehr allzu weit zum zweiten Burg-Berg der Stadt, dem Vyšehrad.

Das Kloster Strahov am Hradschin beherbergt eine prunkvolle Bibliothek.

©Getty Images/Nikada/iStockphoto

Und ja, auch die Karlsbrücke gehört passiert. Am besten aber in der Nacht oder ganz früh am Morgen. Sie wirkt gleich noch ein Stück toller, wenn Dunstschwaden von der Moldau nach oben steigen. Und sie leer ist.

Einreise und Anreise

Tschechien hat  fast alle Corona-Maßnahmen (inkl. 2G-Regel in Restaurants) aufgehoben. Auch die Maskenpflicht in Öffis ist gefallen.  Die besteht nur mehr im Gesundheitsbereich. Mit dem Pkw dauert die Anreise von Wien mind. 3,5 Stunden.

Die ÖBB und die Tschechischen Bahnen schicken alle zwei Stunden einen Railjet von Graz (dzt. 7,5 h) über Wien (dzt. 4,5 h) nach Prag. Auch der private RegioJet fährt regelmäßig zwischen Wien und Prag. Er kooperiert mit der privaten Westbahn: Es gibt also Angebote ab Salzburg und Linz.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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