Partymeile, Festivals und Riviera-Glamour: Florida in Poleposition
Ein wenig teuerer als vor der Pandemie ist Miami geworden, aber der neue Formel-1-Schauplatz ist bester Stimmung.
South Beach, früher Samstagnachmittag. Wenige Meter vor dem Eingang zum „Royal Palm“-Hotel landet ein undefinierbares Flugobjekt mit einem sanften Plopp vor Flip-Flops. Ein Kokosnuss-Baby, das aus heiterem Himmel kam? Der Willkommensgruß eines Vogels? Knapp daneben: Es ist ein Champagnerkorken. Irgendwo ist eben immer Party in Miami, Floridas Magic City. Ob denn zwei Jahre Pandemie gar keinen Einfluss auf den lässigen Lifestyle hatten, verrät der Uber-Fahrer George aus der Dominikanischen Republik. „Gott sei Dank haben wir’s überstanden. Alles ist noch ein wenig teurer geworden, aber die Stimmung in den touristischen Ecken der Stadt ist bestens, in South Beach kann sie an Feiertagen sogar aus dem Ruder laufen“.
Tatsächlich verfestigt sich der Eindruck, dass dieses Frühjahr eher noch mehr Gas gegeben wird als prä-Covid – unabhängig von der Formel-1-Premiere in Miami. Schon vor dem Grand-Prix-Sonntag am 8. Mai blinkten in kurzen Abständen Carnaval Miami, das Vorzeige-Happening hispanischer Lebenslust, das Ultra MusicFestival, die Pride-Woche und als Dauerbrenner natürlich auch die Miami Open im Tennis im Veranstaltungskalender.
Energie-Booster
Aber auch ohne Action, ohne das schrill-überdrehte Grundrauschen von Miami Beach, ohne kulturelle oder konsumorientierte Verlockungen von Design District, Museumsmeile oder Open-Air-Malls, ist Miami einfach ein Energie-Booster für die Gäste, egal ob Celebrity oder Normalo. Das Gefühl eines endlosen Sommers, die omnipräsente gute Laune, das immer nahe Meer, schon alleine dieser sinnliche Cocktail lässt die Glückshormone Salsa tanzen. Die Palmen zwischen den Hochhaustürmen und dem megabreiten Atlantikstrand tun ein Übriges.
Sonntags trifft sich im Lummus Park am Ocean Drive ein buntes Völkchen aufgepumpter Athleten – dem berühmten Muscle Beach von L. A. scheint von der Ostküste der USA Konkurrenz zu drohen. So mancher Freizeitsportler glänzt sogar mit Kunstturn-Qualitäten am Reck. Und ein echtes Poledance-Naturtalent zeigt an einer Stange im Sand den ärgsten Machos, dass Spiderman gegen diese Wonder Woman wie ein Loser wirkt. Traumbody zeigen, aktiv sein, das Leben feiern. Was für ein Kontrast zu früher, bestätigt eine Kolumbianerin, die in South Beach Touren verkauft: „Als ich 1990 hierhergekommen bin, war das eine total langweilige Gegend, nur Pensionisten und Tausende Katzen.“
Filmreife Partymeile
Längst gilt die Paradestraße Ocean Drive als amerikanischer Ballermann – nur substanzieller und filmreifer: Vor der Kulisse pastelliger Jugendstil- und Miami-Modern-Gebäude werden Tanzsequenzen gedreht, DJ-Sounds und feuriger Flamenco röhren abends und nachts aus Restaurants, Bars und pool-gesäumten Locations. Vor allem am Wochenende stauen sich Luxusautos und flanierende Menschenmassen um die Wette.
Nach Sun kommt Fun, alle Ethnien und Geschlechter scheinen hier zusammenzukommen, Schwarze, Weiße, Süd-, Mittel- und Nordamerikaner, und natürlich auch staunende Europäer, die sich erst an die Reizüberflutung gewöhnen müssen. Englische und spanische Sprachfetzen flirren durch die schwüle, im Sommer saunaheiße, tropische Luft. Eine Stimmung, elektrisierend wie das flackernde Neon an den Fassaden.
Einzigartiges Art-déco
Allein auf den sechseinhalb Quadratkilometern von South Beach finden sich laut „National Register of Historic Buildings“ achthundert Art-déco-Strukturen. Auch entlang der Collins Avenue erfreut die einzigartige Architektur das Auge. Nicht wenige Hotels und Gästehäuser haben sich ein Facelift verpasst und den alten Zauber stärker akzentuiert. Ein gelungenes Beispiel ist das Cadillac-Hotel aus den 1940er-Jahren: Der Original-Fußboden aus Coral Terrazzo ziert die Lobby, und im Familienpool spiegeln sich die ursprünglichen Kacheln als Wiederbelebungsversuch des alten Riviera- und Jetset-Glamours von Miami Beach.
Aus anderen Gründen schwer angesagt ist neuerdings auch Downtown Miami, eine einst berüchtigte No-go-Area. Dass der Miami Herald der Stadt „Hyper Development“ diagnostizierte, hatte auch mit der Bauwut rund um die Brickell Avenue zu tun. Vergleiche mit einem Mini-Manhattan liegen auf der Hand. Heute animiert der Mix aus Finanzdistrikt, Appartement-Wolkenkratzern, Restaurants, Lifestyle-Hotels, Luxus-Shopping und Food Halls wie im fabelhaften Brickell City Centre die Locals zum dort Leben, Arbeiten und Spaßhaben. Auch Touristen kommen in Brickell auf ihre Rechnung – es muss nicht immer Beach sein.
Nächste Ausfahrt Hollywood
Für amerikanische Begriffe fast ums Eck, Richtung Fort Lauderdale, liegt ein Ort, den die meisten wohl nie mit Florida in Zusammenhang bringen würden: Hollywood. Dieses Eastcoast-Hollywood versprüht einen ganz eigentümlichen, nostalgischen Charme, futuristische Einsprengsel inklusive: lustwandeln am 100 Jahre alten, fast vier Kilometer langen gepflasterten Broadwalk mit ständigem Meerblick, fein speisen im „Diplomat Resort“ und dann das jüngste, einzigartige Wahrzeichen ansteuern: Das weithin sichtbare, sechsunddreißig Stock hohe und 1,7 Milliarden Dollar teure Gitarrenhotel der Hard-Rock-Gruppe.
Ferienwohnungen für Europäer
Als Projektleiter für den Bau der Pool-Landschaft mit ihren neun Becken und zwei Wasserfällen bewährte sich ein gebürtiger Salzburger: Dennis Weyland aus Seekirchen am Wallersee. Der mit einer Amerikanerin verheiratete Anfangdreißiger hilft als Inhaber einer Makler-Lizenz auch gerne Europäern bei der Suche nach Ferienwohnungen oder Zweitwohnsitzen in Florida. Aber nicht nur im Hard-Rock-Hotel mit eigener Konzerthalle ist Musik drin. Auf der Freiluft-Bühne des Hollywood Beach Theatre treten gut gelaunte Livebands zum Nulltarif auf. Ein paar Kilometer weiter landeinwärts, auf dem gemächlich den Intracoastal Waterway dahindampfenden Partyboot Grand Floridian, kommen die Good Vibrations vom Band – Tina Turners „Proud Mary“. Die Textzeile „Rollin’ on the river ...“ passt perfekt. Alles im Fluss – auch vor den Toren Miamis.
Kommentare