Nur in wenigen "Lichtoasen" hat man noch klaren Blick auf die Sterne

Sternenklar: Wo es in Österreich noch richtig Nacht wird

Eine Bürgerinitiative versucht, im niederösterreichischen Großmugl einen der letzten klaren Blicke zur Milchstraße zu retten.

von Ingrid Greisenegger 

Am Beginn des Milchstraßen-Tourismus in der Marktgemeinde Großmugl im Weinviertel gab es im Ort noch ein Gasthaus. Nicht irgendeines. Es war das, das Karl Schillinger von seinen Eltern geerbt und zu einer Wallfahrtsstätte für vegan-orientierte Gourmets gemacht hatte. Diese strömten auch aus dem rund 50 Kilometer entfernten Wien herbei, um beispielsweise im November Martini fast traditionell zu begehen. 

Fast, weil es zwar Rotkraut und Erdäpfelknödel auf dem Teller gab, das Gansl aber aus Seitan (Weizengluten) bestand. Heute ist Schillinger Herr über die Vegan-Burger-Kette "Swing Kitchen" mit mehreren Standorten, darunter in Wien, Berlin und Basel und hat deshalb das alte Gasthaus geschlossen. Sehr zur Enttäuschung der Milchstraßen-Touristen, die nächtens, auch in Tausendschaften, hierherströmen, um ein heute ungewöhnliches Ausflugserlebnis zu genießen: den klaren Blick in den Sternenhimmel

Komitee

Zu den Sternen in seinem Heimatort hat Schillinger schon als Kind voll Bewunderung aufgeblickt, später selbst astronomische Berechnungen angestellt und im Jahr 2000, im Rahmen eines Dreigestirns, nämlich zusammen mit Günther Wuchterl, dem Chef der Wiener Kuffner Sternwarte, und mit Ex-Bürgermeister Karl Lehner ein Proponenten-Komitee zur Rettung dieser einzigartigen Sternenlichtoase gegründet. Diese Bürgerinitiative strebt nun den höchsten Schutzstatus dafür an, den eines UNESCO-Weltkulturerbes

Lichtschutz

Immer schon war die Dunkelheit ein Teil des Lebens. Jetzt hat das Schwarz der Nacht aber kaum mehr eine Chance. Das Lichtfeuerwerk der Siedlungen bewirkt, dass 90 Prozent der früher mit freiem Auge sichtbaren Sterne "verschwinden". Es können auch astronomische Phänomene wie Sternschnuppen und leuchtende Kometen nur noch fernab der Lichtglocken um die Städte beobachtet werden. Selbst kaum besiedelte Teile der Alpen sind betroffen. In den Westalpen trübt die Spiegelung des Lichts aus der Po-Ebene den Blick hinein ins Universum. 

Sternenhimmel

©Daniel Gollner

Großmugl im Weinviertel, nahe von Wien, bildet die Ausnahme. Das ist seiner besonderen Topografie zu verdanken. Eine Hügelkette deckt die Lichtglocke über Wien komplett ab. Die Gemeinde hat überdies 2021/22 – und das ist in ihrer Konsequenz eine Pioniertat – die öffentliche Beleuchtung auf LED-Technik umgerüstet und auf Lampen, deren Lichtkegel nach unten gerichtet ist. Jetzt herrscht "Bernsteinlicht", eines mit wenig Blau im Spektrum, was nachtfreundlicher ist. Aber nicht nur das. Es konnten auch 65 Prozent an elektrischer Energie eingespart werden. 

Beliebter Sternen-Tourismus im Weinviertel: Tausende kommen nach Großmugl, um den Blick ins Universum zu wagen 

©Weinviertel Tourismus

Langer Prozess

Um Weltkultur – oder zumindest Weltnaturerbe zu werden, – bedarf es eines langen Atems. Die Pandemie hat den Ablauf des bürokratisch-organisatorischen Prozesses verzögert. Jetzt ist ein Neustart angesagt, mit guten Erfolgsaussichten, weil das Anliegen gleich in einen umfassenderen Zusammenhang gestellt wurde, nämlich in einen mit dem eines kulturellen Erbes aus der Hallstattzeit. Zwei prähistorische Kulturdenkmäler, der 2.600 Jahre alte Grabhügel am Großmugler Leeberg, in dessen Nähe das "Sterneschauen" am schönsten ist, und das Salzbergwerk in Hallstatt, werden unter dem Aspekt des Lichts zusammengebracht. "An beiden Orten", erklärt Astronom Günther Wuchterl die komplexe Angelegenheit, "kann man heute noch fast authentisch die Lichtverhältnisse von damals erleben."

Facts: Das, was wir nicht sehen

  • 100 Milliarden Sterne befinden sich in unserer Galaxie. Mit freiem Auge können wir freilich längst nicht alle sehen
  • 6.9.24 An diesem Tag, der "Earth Night", werden Menschen weltweit  aufgerufen, für eine Nacht das Außenlicht zu reduzieren und so ein Zeichen gegen Lichtverschmutzung zu setzen
  • 4.000 Im Vergleich zum dunklen Nachthimmel ist es in dicht besiedelten Gebieten, wie Städten, um 4.000 Prozent heller
  • 10 Trotz Bemühungen nimmt die Lichtverschmutzung unseres Himmels jährlich weltweit um 10 Prozent zu
  • 99 Aufgrund der zahlreichen Lichtquellen kennen 99 Prozent der europäischen Bevölkerung keine völlige nächtliche Dunkelheit 
  • 130 So wenig Sterne kann man aufgrund der Lichtverschmutzung  in der Wiener Innenstadt sehen. Am Stadtrand sind es bereits 6.000

Im Salzbergwerk geht es um künstliches Licht, brennende Holzstäbe erhellten die Arbeitswelt unter Tag. In Großmugl hingegen präsentiert sich der Leeberg bei Nacht im natürlichen Sternenlicht, weil kein Lichtsmog den Himmel trübt. 

Der Sternenweg in Grossmugl

Dem Himmel ganz nah sein und die funkelnden Sterne und Sternbilder der Milchstraße bestaunen, während man sehnsüchtig auf eine Sternschnuppe wartet: Dieses Erlebnis der besonderen Art können (Hobby-)Astronominnen und Astronomen jeden Alters  am Sternenweg in Großmugl erleben. Gut verständliche Infotafeln leiten Sie durch die malerischen Feldwege des Weinviertels und erklären Ihnen den Himmel über Ihnen. Besonders beeindruckend wirken die Sterne auf dem Leeberg, einem 2.600 Jahre alten Hügelgrab aus der Hallstatt-Zeit. Der Sternenweg , der 2014 von Project Nightflight gemeinsam mit der Marktgemeinde Großmugl gestaltet worden ist, bietet den Blick in fremde Welten. Ein Sternenhimmel, der seinesgleichen sucht und die ganze Familie zum Staunen bringt. (sr)
Mehr unter www.sternenweg-grossmugl.at

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