Frau in Podersdorf am Steg

Neusiedler See: Geheimtipps für vier Tage voller Genuss

Das Wasser ist zurück. Nach Jahren der Trockenheit macht das Baden im Neusiedler See wieder Spaß.

und Katharina Salzer

Dieser Geruch! Diese Mischung aus Lehm, Kalk, Sand und Ton. So riecht die Steppe. So riecht Urlaub.

So sieht Urlaub aus: Blauer Himmel, grün-brauner Schilfgürtel, milchig-braunes Wasser und grüne Weinreben, die bis zum Berg hinauf reichen. Ja, lieber Tiroler, im Burgenland heißt das Berg. Der Neusiedler See ist eine ganz eigene Welt. Vor allem jetzt, wo er nach der Dürre wieder genügend Wasser hat. Der Wasserstand erreicht beinahe wieder das langjährige Mittel.

In diese Welt kommen nicht wenige nach Jahren in großen Städten wieder zurück. Nicht zum Urlauben, sondern zum Arbeiten mit dem Boden. Denn die Erde und das Klima lassen eine Menge toller Pflanzen wachsen. Karin und Bernhard Geyer-Nittnaus aus Gols haben ihre Bürojobs gegen Beete eingetauscht. "Die Omas sind schuld. Eine hat immer schon Obst und Gemüse eingekocht, die andere war eine Kräuterhexe", sagt Bernhard. Ihre wichtigsten Mitarbeiter sind Insekten, wie sie erklären. 

Der Leuchtturm in Podersdorf

Der Leuchtturm in Podersdorf ist eines der beliebtesten Fotomotive am See

©Getty Images/iStockphoto/DaLiu/iStockphoto

Paprika, Chilis, "Paradeis", wie man hier sagt – was Boden und Tierchen wachsen lassen, kommt bei ihnen als Saucen und Pestos ins Glas und werden in ihrer Spezerey verkauft. Auch Kräuter gedeihen. Sie duften unter der Sonne von stark zitronig bis herb. Die artemisia absinthium gibt dem hausgemachten Wermut den typischen Geschmack. 

"Achtung, nur ein kleines Stück probieren. Das ist wirklich bitter", warnt Karin, während sie durch ihren Kräutergarten führt. Tatsächlich. Es beginnt zart und wächst sich zu einem intensiven, eher schwer zu ertragenen Geschmack aus.

Der Blick von den Weinbergen über den großen Schilfgürtel hinunter zum See.

Der Blick von den Weinbergen über den großen Schilfgürtel hinunter zum See. 

©PAUL SZIMAK

Und doch nicht ganz unrichtig – bei einem Genussurlaub im Burgenland. Das Bitterkraut hilft bei der Verdauung."Früher hat man das hier sogar in den Schweinsbraten gegeben", sagt Bernhard.

Sprachkunst und Gemüse

Nicht weit entfernt von der Spezerey liegt das Weingut Heinrich. Wer gerne österreichischen, biodynamischen Wein trinkt, auch unfiltriert, kommt um dessen Tropfen nicht herum. Am rostigen Firmenlogo und einer riesigen Amphore vorbei liegt Clara Heinrichs Pflanzenreich. 

Die Winzertochter lebte in Berlin, schließt in Wien ihr Sprachkunst-Studium ab und betreibt jetzt im Burgenland ihre Markgärtnerei.  Das Konzept stammt aus dem Paris des 19. Jahrhunderts. Auf kleinstem Raum sollten möglichst viele Pflanzen wachsen, um die explodierende Bevölkerung zu ernähren. Der vergorene Rebensaft ist nicht ihr Ding. "Ich trinke keinen Wein". Aber der Boden war ihr immer wichtig. 

Sie erkennt beim Bearbeiten Ähnlichkeiten zum Schreiben. Und in den alten Sortennamen Magie. Eine Rübe heißt etwa Wintersonne. "Das ist wie aus einer Märchenwelt." Sie zieht kleine, runde Karotten aus der Erde. Sie schmecken süß und intensiv. Die Gastronomie liebt Clara Heinrichs Produkte.

Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass ...

  • ... Gols mit ca. 80 Winzern die größte Weinbaugemeinde Österreichs ist? Die Zisterzienser machten den Ort zu einem bedeutenden Anbaugebiet.  
  • … das Ostufer eines der windreichsten Gebiete Europas ist? Das freut Kiter und Surfer. 
  • ...etwa die Hälfte des Sees von Schilf bedeckt ist und der Schilfgürtel nach dem Donaudelta der größte zusammenhängende Europas ist?

Sie beliefert etwa den Spitzengastronom Max Stiegl mit seinem Gut Purbach oder den jüngst eröffneten Heimlichwirt in Gols. Hier kocht Peter Müller – er hat seine Meriten als Weinexperte verdient und war Deutschlands Sommelier des Jahres 2014, bevor er ins Burgenland kam. Er verkocht, was es gerade in der Region gibt und bietet nur Menüs an. 

Dass ausgerechnet jemand aus Deutschland das Ruder in einem eingesessenen Wirtshaus übernimmt, hat in der Region nicht allen gefallen. Doch die Skeptiker scheinen besänftigt. An Neues muss man sich mitunter gewöhnen. Aber vieles, das Junge heute machen, haben die Alten früher schon gepflegt. 

Hortobagy-Palatschinken

Die deftigen Hortobagy-Palatschinken aus dem Brauhof Frauenkirchen sind mit Fleisch gefüllt und kommen mit Paprikasauce auf den Tisch 

©Voglhuber Daniel

In den Weingärten der Heinrichs wachsen seit einigen Jahren wieder Kirschbäume. Sie mussten einst den Maschinen weichen. Doch sie holen Wasser nach oben und spenden Schatten. Und natürlich sind sie im Frühsommer voll von roten Früchten. Die hat Andrea Strohmayer zu ihrem Beruf gemacht. Auch sie kam aus Wien in ihre alte Heimat zurück.

Das Weingut Sattler in Jois hat viele Stammgäste und eine unechte Kellerkatze, die über die Fässer wacht   

©Janine Zangl

Sie bindet sich die Blaudruckschürze um die Taille und knüpft sie zu einer Tasche. Darin landen die Kirschen. Alles Handarbeit. "mit mia is guid keaschtn essn" ist auf ihr Leiberl gedruckt. "Das kaufen viele, die Mia heißen", sagt sie und lacht. Hauptsache sie kaufen. In Breitenbrunn verarbeitet sie die Kirschen. Und Kirsche ist nicht gleich Kirsche. Und in ihrem großen Keller gibt’s Kirschverkostungen – Saft, Marmelade aus den verschiedensten Sorten. König Charles, Biobauer und Kirschfan, hat noch als Prinz schon von ihren süßen Früchten genascht.

Ein paar Keller weiter in der malerischen Kellergasse, wartet Angelika Tobler. Auch diese Familie kam wieder aus Wien retour. "Bei uns ist es viel ruhiger als in Purbach", sagt sie und hält einen großen Schlüssel in ihrer Hand. "Er eröffnet mir jeden Tag eine wunderbare Welt." Die sperrt die Türe des Kellers auf. Feuchte, kalte Luft strömt heraus. Auf Kaffeesud wachsen ihre Austernpilze. Angelika Tobler verkauft sie auf Wochenmärkten, so wie sie gewachsen sind oder auch verarbeitet. "Mmhh. Austernpilze. Dürf ma schauen kommen", fragt eine Frau mit Helm, die ihren Kopf durch die Kellertür steckt und sich nicht lange bitten lässt.

das Boutiquehotel Drahteselböck

Stylishes Haus für Radfahrer: das Boutiquehotel Drahteselböck in Rust wurde neu übernommen

©Drahteselböck Nicky Webb

Radler machen in der Kellergasse oft Station. Überhaupt geht mit dem Rad hier so gut wie alles. Wenn aber der Wiedehopf über die Straße spaziert und seinen Kopfschmuck präsentiert, muss man bremsen.

Am Wasser in Breitenbrunn ist ein Megaprojekt eröffnet worden – der neue Strand. Hier steckt eine Menge Geld drinnen, das merkt man auch. Hinein ins Wasser waten geht super. Nicht alle finden gut, dass der alte Strand verschwunden ist. Doch andere Seegemeinden haben – wie Weiden mit dem Fritz – den Takt mit gehobener Gastronomie in großen Gebäuden am Ufer vorgegeben.

Asia im Schilf

Das Herzstück in Breitenbrunn ist die Libelle. Ein Restaurant. Von der Galerie blicken die Gäste auf den See und die Fähren, die mit den Radlern anlegen. Das Essen ist asiatisch inspiriert, der Reis kommt aus dem Seewinkel.

Rund um den See hat sich zuletzt einiges getan. Nicht nur am Ostufer, auch am Westufer, wohin die Fähre auch fährt, sollte beim Radeln die Puste ausgehen. In Rust warten neben den Störchen am Dach auch eine neuübernommene Institution. Das Unternehmerpaar Emanuel Grasl und seine Frau Aline Grasl-Gagern führen dort jetzt das Hotel Drahteselböck. Sie adaptieren das Konzept der Vorgänger, der Gastrofamilie Eselböck, leicht (bei laufendem Betrieb) und neben lässiger Einrichtung gibt’s einen Spa-Bereich.

Ich packe in meinen Koffer …

  • … ein Fernglas: Die Vielfalt der Vögel im Seewinkel ist riesig. Gut zu beobachten von Aussichtstürmen.   
  • … Insektenschutzmittel, damit die vielen, vielen Gelsen die lauen Abende rund um den See nicht vermiesen können. 
  • … eine große Tasche, um all die Köstlichkeiten –  von Wein bis Marmeladen – gut nach Hause transportieren zu können. 

Wer auf der anderen Seite des Ufers unterwegs ist, merkt: die ausgetrockneten Lacken zwischen Podersdorf und Illmitz sind wieder gefüllt. Auch die Vögel wissen das wiedererlangte Paradies zu schätzen. Wer mit Feldstecher kommt, erblickt im Sommer etwa Reiher, Wasserläufer oder Kiebitz. Ein Nager wie der Ziesel lässt sich auch sehen.

Ein Genuss fürs Auge. Es wird wieder Zeit für Genuss für den Gaumen. Der kann hier auch deftig ausfallen. Im Brauhof in Frauenkirchen kommen die Hortobagy-Palatschinken, gefüllt mit würzigem Faschierten, serviert in cremiger Paprika-Rahm-Sauce, auf den Tisch. Eventuell Wermutkraut nicht vergessen. Vor allem, wenn noch Grammelpogatscherln warten – etwa beim Weinverkosten. Gerade machen eine Menge junger aufstrebender Winzer von sich reden: Andreas Ziniel aus St. Andrä, zum Beispiel. Er ist in der Naturweinszene außerhalb Österreichs ein Star. Georg und Johannes Schröck, Zwillinge aus Rust, geben neue Impulse. Theresa und Gerhard Haider aus Illmitz haben sich mit ihren Süßweinen einen Namen gemacht.

An die 350 verschiedene Vogelarten wurden in der Region dokumentiert

An die 350 verschiedene Vogelarten wurden in der Region dokumentiert  

©Burgenland Tourismus/Günther Ippisch

Es gibt natürlich auch viele Gäste, die bei den Klassikern bleiben – und ihre Lieblingstropfen bei "ihren" Winzern genießen. So einer mit angeschlossener Pension und vielen Stammgästen ist das Weingut Sattler in Jois. Es liegt neben der Kirche und bietet einen imposanten Blick auf den See. Den will Doris Sattler um nichts in der Welt eintauschen. Sie ist im Nachbarort aufgewachsen, der Vater war Fischer. Daheim ist nun einmal daheim.

Und der Geruch! Während sie bei einer Verkostung den hauseigenen Wein einschenkt, erzählt sie: "Wir haben Gäste aus Tirol. Die sagen, wenn sie in Parndorf von der Autobahn abfahren: Jetzt bin ich zu Hause."

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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