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Mythos Hotel: Wo Chanel lebte – und Picasso die Speisekarte malte

Ob Coco Chanel im Ritz, Michael Jackson im Marriott oder Bob Marley in den Blue Mountains: Diese Hotels sind mehr als Unterkünfte – sie sind Bühnen weltberühmter Geschichten.

So wie Udo Lindenberg schon beinahe zur Ausstattung des Hamburger Hotel Atlantic zählt, wohnte der einzigartige Opernkenner Marcel Prawy jahrelang im Hotel Sacher in Wien. Doch das ist nichts gegen die Modelegende Coco Chanel. Sie lebte im Ritz in Paris mehr als drei Jahrzehnte. 1940 zog sie gar in den hinteren Flügel des Palastes, mit Zugang zur Rue Cambon – dem direkten Weg zu ihrem Atelier, wo gerade das 110-jährige Jubiläum ihrer Haute-Couture-Kollektionen zelebriert wurde. Bis zu ihrem Tod wohnte Chanel im Pariser Luxus-Hotel – und fühlte sich dort zuhause: „Le Ritz est ma maison“, sagte sie, empfing Schriftsteller Jean Cocteau, Komponist Igor Strawinsky, Herzöge und Fürsten. Wer über fürstlich viel Geld verfügt, kann die „Chanel-Suite“ noch heute buchen – ab 32.000 Euro die Nacht.

Nicht alles im Leben ist leistbar, und manchmal ändert sich das auch: Als der deutsche Unternehmer Rudolf-August Oetker Mitte der 1960er-Jahre bei einem Segeltörn mit seiner jungen Ehefrau Maja die französische Riviera bei Antibes passierte, stach dem verliebten Backpulverkrösus ein weitläufiges Anwesen ins Auge: das schon damals legendäre Hôtel du Cap-Eden-Roc. „Schau mal da rauf“, weckte er ihr Interesse, um gleich darauf einen Rückzieher zu machen. „Aber für uns ist das viel zu teuer.“ Damals verzichtete das Paar auf eine Übernachtung im mondänen, anno 1863 als „Villa Soleil“ eröffneten Gästehaus für ambitionierte Schriftsteller. „Aber fünf Jahre später kaufte er das ganze Hotel“, schmunzelt die heute 90-jährige Grande Dame, der man getrost ein Händchen für Herbergen attestieren kann.

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Die Vendôme Suite im Ritz-Carlton in Paris kostet 22.000 Euro. Und wer möchte, kann Coco Chanels Suite (siehe Titelbild) heute noch buchen, ab 32.000 Euro pro Nacht. 

©Ritz Paris

Unter „Oetker Collection“ ist heute eine Armada an über die Welt verstreuten Luxushotels versammelt. Ein Eden Roc in der Karibik zählt ebenso zu dieser exklusiven Kollektion wie das Le Bristol Paris, der Palacio Tangará in São Paulo oder das Hotel La Palma auf Capri. Das nicht nur prestigeträchtigste unter ihnen bleibt das Ur-Eden-Roc. Seit mehr als 160 Jahren wird hier Geschichte geschrieben – Welt- und Kunstgeschichte. Pablo Picasso gestaltete etwa in einer Saison die Speisekarten des Hotelrestaurants, der englische König Edward VIII. zog sich in einer der Suiten mit seiner amerikanischen Geliebten Wallis Simpson zurück, und John F. Kennedys Vater Joseph – als sehr waghalsig bekannt – nutzte 1938 eine Cabana des noblen Hauses zum Tête-à-tête mit der damals noch nicht weltbekannten Tänzerin und Sängerin Marlene Dietrich.

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Absoluter Luxus mit spektakulärem, aus dem Felsen gehauenen Pool an der Côte d'Azur: das Cap-Eden-Roc am Cap d'Antibes 
 

©Hôtel du Cap-Eden-Roc

Sicher, auch anderswo wurde und wird gelebt, geliebt, kreiert und gefeiert, aber im Eden-Roc eben um ein paar Nuancen schillernder, riskanter und kostspieliger. Vor allem Letzteres. Als Klaus und Erika Mann 1931 einen Reiseführer über die Riviera verfassten, schwelgten sie voller Bewunderung über das Felsenschwimmbad Eden Roc. „Es ist ein Schwimmbad, wie man kaum woanders eines findet, in die Felsen gehauen, so dass es etwas von einer pathetischen Grotte hat; mit Sprungbrettern in enormer Höhe. In Bar und Felsengrotte tummelt sich große Prominenz; Bernard Shaw sonnt sein altes und schlaues Haupt, Hollywoodsterne trainieren um ihn herum an den Geräten.“

Nicht entgangen ist den Manns, dass diese Show ihren Eintritt kostet: „Die Preise sind während des Sommers noch ärger als während des Winters, und während des Winters sind sie arg genug.“ Für die aktuelle Saison, die in der ersten Adresse am Cap d'Antibes im April eingeläutet wurde, gibt es sogar noch eine zusätzliche Möglichkeit, auf den Tisch zu hauen. Wer für sich und seine Liebsten mehr als nur eine Suite benötigt, kann im Eden-Roc Cap eine eigene Hotel-Villa für bis zu 18 Gäste mieten. Der Preis? Frage lieber nicht. Ein kleiner Hinweis: In einer Schweizer Gazette war Folgendes über die so wohlhabenden wie diskreten Stammgäste der Nobelhütte zu lesen: „Dieser Innercircle von etwa 150 bis 200 Multimillionären lässt sich bis zu 300.000 Euro für einen Sommerurlaub im ,Du Cap' kosten“. Ebenso reich, aber vor allem reich an Geschichte präsentiert sich ein ebenfalls familiengeführtes Luxus-Hotel am Canal Grande in Venedig, das Hotel Metropole.

Einige der Mauern des nur einen größeren Steinwurf vom Markusplatz entfernt liegenden Hauses stammen aus dem 17. Jahrhundert. Wenn etwa die mit granatapfelrotem Stoff bezogenen Wände der Orient-Bar flüstern könnten, würden sie von Zeiten erzählen, als der unfreiwillige Priester und umtriebige Barockkomponist Antonio Vivaldi (1678-1741) im damaligen Gebetsraum der Kirche Santa Maria della Pietà den Waisenmädchen seinen Konzertzyklus „Die vier Jahreszeiten“ beibrachte.

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Vor 300 Jahren die Wirkungsstätte von Antonio Vivaldi, seit Jahrzehnten beliebte Herberge für internationale Musikstars: das Metropole in Venedig 

©Hotel Metropole Venedig

In anderen Räumlichkeiten haben Sigmund Freud und Thomas Mann genächtigt. „Damals aber hieß das Haus ,Casa Kirsch'“, erzählt Gloria Beggiato, die kunstsinnige Inhaberin des Metropole. Ihre Eltern, Pierluigi und Elisabeth, haben sich als lebensfrohe Twens vor fast 70 Jahren in der Hotelfachschule in Bad Gastein kennengelernt und 1968 das Metropole in Venedig übernommen. Schon in dieser Zeit entwickelte das Paar ein großes Interesse für außerordentlich schön gefertigte Fächer und Korkenzieher. Ausgewählte, etwa mit Perlen verzierte Exemplare sind auf der Etage L’Etage dei Ventagli hinter Glas zu bewundern.

Aber nicht alles im Metropole atmet Geschichte. Gefragt nach den Musikern, die ihr Haus nach Vivaldi bereits besucht haben, zählt Signora Gloria auf: Patty Pravo, Jovanotti, Ludovico Einaudi, Patti Smith, Lou Reed, Grace Jones, Nick Rhodes von Duran Duran, Lenny Kravitz, Mika undundund. Und wer während der Biennale schon einmal in der Orient-Bar auf einen Campari oder einen Negroni war, erkannte in anderen Besuchern möglicherweise prominente Künstler wie Ai Weiwei, Gavin Turk, Franz West oder Erwin Wurm.

Musik liegt in der Luft und hängt auch an den Wänden im Strawberry Hill in den Blue Mountains auf Jamaika. Hoch über der Bucht von Kingston thront auf dem Areal einer alten Kaffeeplantage ein Anwesen mit zwölf luxuriösen Cottages, das Fans von Reggae-Legende Bob Marley ein lautes „Ya ,Man!“ abringen würde. Strawberry Hill gehörte bis vergangenen Herbst dem ebenso legendären Musikmogul Chris Blackwell. Er dachte sich wohl, mit 87 Jahren ist es an der Zeit, das nicht nur bei Musikern begehrte Ferienrefugium in andere Hände zu geben. Zum Glück wird das Strawberry Hill weiterhin als Hotel geführt. Neben dem Half Moon Hotel in Montego Bay ist es der Hotspot von Jamaika. Wer sich hier ein wohlfeiles Wochenende für ein paar Hundert US-Dollar leistet, wird unter anderem mit der Möglichkeit belohnt, an der Bar den einen oder anderen prominenten Inselbewohner anzutreffen. Ein Tipp: „Mr. Boombastic“ Shaggy.

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Goldener Himmel – und im Hotel Goldene Schallplatten an den Wänden: das Strawberry Hill auf Jamaika

©mauritius images / Alamy Stock Photos / eric laudonien/Alamy Stock Photos / eric laudonien/mauritius images

Szenenwechsel von Jamaika nach Hanoi: Nur ein paar Tage logierte Joan Baez in der bekanntesten Herberge von Hanoi, dem edlen, 1901 im prunkvollen Kolonialstil erbauten Hotel Metropole. Doch die kurze Zeit hatte es in sich. Die Folksängerin war im Dezember 1972 nach Südostasien gereist, um als Friedensbotschafterin am Höhepunkt des Vietnamkrieges Akzente zu setzen. Ein Bombenangriff zwang sie während eines Konzerts zur Flucht in den Hotel-Bunker. Dort soll sie den Protestsong „Where Are You Now, My Son?“ komponiert haben.

HANOI, VIETNAM - OCTOBER 27, 2019: Sofitel Legend Metropole Hanoi an award-winning colonial and neo-

Die Liedermacherin Joan Baez komponierte einen ihrer Songs hier: Hotel Metropole in Hanoi.

 

©IMAGO/Depositphotos

Bleibend ebenso die Kunstsammlung, die die 2019 verstorbene Besitzerin und Seele des Belle-Époque-Palasts Le Negresco, Jeanne Augier, in den Etagen und in den Zimmern des Luxushotels an der Promenade des Anglais in Nizza hinterlassen hat. Von einer Miles-Davis-Skulptur von Niki de Saint Phalle über Zeichnungen von Salvador Dalí bis zu Gemälden von Picasso und Chagall ist alles dabei, was auch einem Museum gut zu Gesicht steht.

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Fast Aug in Aug mit den Pyramiden von Gizeh: das Marriott Mena in Kairo

©mauritius images / Hemis.fr / Marc Dozier/Hemis.fr / Marc Dozier/mauritius images

Was all diese Luxushotels gemeinsam haben: Man muss nicht unbedingt die Gegend rundherum erkunden, schon ein Aufenthalt in diesen Traditionshäusern ist eine Reise wert. Dasselbe lässt sich auch vom Mena House Hotel in Kairo behaupten. In dem seit zehn Jahren zur Marriott-Gruppe zählenden Hotel logierten schon so prominente Gäste wie Winston Churchill, „Tod auf dem Nil“-Autorin Agatha Christie, Charlie Chaplin und Jimmy Carter. Die Aura dieser einzigartigen Adresse am Stadtrand von Kairo aber hat eine wirklich harte Konkurrenz vor der Haustüre: die Pyramiden von Gizeh.

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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