
Luxus-Abenteurer reisen bald mit dem Luftschiff zum Nordpol
Wie einst der Zeppelin: Luftschiffe sollen zurückkehren. Nachhaltig und luxuriös plant OceanSky Cruises Reisen zum Nordpol oder den Victoriafällen.
Die Welt unter ihnen ist eine einzige weiße Unendlichkeit. Kaum Triebwerksdröhnen, kein ruckelndes Fahrwerk, nur das sanfte Schweben. In der Lounge mit den cremefarbenen Couches perlt der Champagner im Glas, während ein Steward die Speisen bringt, die Koch Jesper Vollmer zubereitet hat. Er hat unter anderem zehn Jahre lang die dänische Königsfamilie bekocht.
Durch Panoramafenster gleitet die Landschaft des Nordpols vorbei, bevor das Luftschiff zum Landeanflug ansetzt und die Passagiere ihre Füße auf den eisigen Untergrund setzen.
So fühlt sich die Zukunft des Reisens an – zumindest, wenn es nach dem schwedischen Unternehmen OceanSky Cruises geht. Das Konzept: eine Renaissance der Luftschiffe als luxuriöse Alternative zum Flugzeug. Kein Hetzen durch Terminals, kein Kampf um Sitzplätze – stattdessen schwebt man in einem Hotel zu einem einsamen Ort.
OceanSky Cruises will mit seinem Luftschiff in drei Jahren abheben
Das soll in drei bis vier Jahren möglich sein. Seit sieben Jahren arbeitet OceanSky Cruises an dieser Mission. Rund 200.000 Euro soll eine Kabine für zwei Personen für zwei Nächte kosten. "Wir wollen dann ab Spitzbergen einmal wöchentlich von März bis Oktober fahren. Und wir sind fast ausgebucht", sagt Gonzalo Gimeno, der Marketingdirektor von OceanSky Cruises.

So soll es aussehen, wenn OceanSky Cruises mit dem Luftschiff zum Nordpol fährt.
©oceansky cruisesWer ist bereit, das zu zahlen? "Erstens Piloten und Menschen aus der Luftfahrt, die damit Romantik verbinden. Ältere Menschen, die noch einmal ein großes Abenteuer erleben wollen. Und Unternehmer und Manager, die viel gereist sind und einen einzigartigen Ort sehen wollen, an dem noch nicht viele waren."
Das Ziel Nordpol wurde deshalb gewählt, weil er eine starke symbolische Bedeutung hat. "Das erste Mal, dass Menschen die Arktis überflogen haben, war mit einem Luftschiff", sagt Gimeno und verweist auf den Polarforscher Roald Amundsen, der die Arktis mit dem Piloten Umberto Nobile im Jahr 1926 sicher überquerte. Ein historischer Triumph, doch statt sich gemeinsam feiern zu lassen, gerieten die beiden in einen erbitterten Streit: Wer hatte nun eigentlich den Ruhm verdient?
Gekränkt und ehrgeizig plante Nobile zwei Jahre später seine eigene Expedition – diesmal als alleiniger Anführer. Nach einer erfolgreichen Überfahrt des Pols geriet sein Luftschiff Italia in einen Sturm und zerschellte auf dem Packeis. Was folgte, war eine der spektakulärsten Rettungsmissionen der Geschichte – und eine letzte, bittere Wendung.
"Amundsen startete zur Rettungsmission, um Nobile bloßzustellen. Doch das Flugzeug verschwand, er kehrte nie mehr zurück. Das ist eine dieser epischen Geschichten."
Luftschiff braucht wenig Energie
Und auch OceanSky Cruises möchte Historisches leisten: "Wir wollen das erste Luftschiff haben, das dort landet und zurückfährt." Und noch etwas: "Der Nordpol ist der Ground Zero des Klimawandels.“ Nirgendwo sonst zeigt sich die Erderwärmung so dramatisch wie hier, wo das Eis in rasantem Tempo schmilzt. "Wir wollen damit alternative Formen des Reisens aufzeigen." Die Physik ist auf seiner Seite. "Ein Luftschiff braucht kaum Energie, um große Lasten zu transportieren – es ist eines der effizientesten Transportmittel überhaupt." Der ökologische Fußabdruck ist im Vergleich zum Flugzeug winzig.
Und ein anderer Vorteil: "Auf einem Luftschiff hat man viel Platz. Die Kabine steht anders als beim Flugzeug nicht unter Druck, dadurch gibt es große Fenster, die sich sogar öffnen lassen." Dazu eine Bar und ein Restaurant – skandinavisches Design inklusive.

So soll das Innere des Luftschiffs aussehen, das die Passagiere zum Nordpol bringt
©oceansky cruises"Wie ein fliegendes Luxushotel"
OceanSky Cruises setzt auf ein Konzept zwischen Abenteuer und Komfort. Yoga in einem eigenen Raum mit Blick auf das ewige Eis ist kein Problem. Es gibt eine Leinwand, um Aufnahmen der Destinationen zu genießen. Sogar ein Lift ist an Bord – "wie ein fliegendes Luxushotel", verspricht Gimeno. Und wer sich in der Arktis aktiv bewegen will, kann sich auf Snowbikes oder Fatbikes schwingen, die ebenfalls Platz haben.
Zahlen, Daten, Fakten
- Geschichte: Im 17. Jahrhundert hatte der italienische Pater Francesco Lana Terzi die Idee für ein Luftschiff. Das erste baute Henri Giffard und hatte seine Jungfernfahrt 1852
- 200 Tausend Euro kostet eine Kabine für zwei Personen bei OceanSky Cruises auf dem Weg zum Nordpol
- 51 Gramm CO2 pro Passagier und Kilometer verbraucht das OceanSky Cruises-Schiff, ein Flugzeug 204 Gramm
- 1-mal um die Welt: Die "Graf Zeppelin" umfuhr 1929 als erstes und einziges Luftschiff die Erde
- 132,5 km/h: So schnell war eines der schnellsten Luftschiffe, die LZ 120 Bodensee, im Jahr 1919. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bei OceanSky Cruises beträgt 111 km/h. Das Luftschiff kann bis zu 3.000 Meter hoch steigen
Nach der Landung am Nordpol geht die Reise weiter: OceanSky plant bereits die "Capricorn-Safari" – eine exklusive Expedition über Namibia, Botswana und die Victoriafälle. Doch die Schweden sind längst nicht die Einzigen, die das Luftschiff als luxuriöse Alternative zum Flugzeug wiederentdecken.
AirYacht aus der Schweiz will auch luxuriös reisen
Unternehmen wie AirYacht aus der Schweiz stehen ebenfalls in den Startlöchern. Deren ursprünglicher Plan klang wie aus einem Science-Fiction-Roman: ein hybrides Konzept aus Jacht und Luftschiff, bei dem sich die Gondel abtrennen und auf dem Wasser nutzen lassen sollte. Doch laut Robb Report hat man zuletzt den Kurs geändert. Statt einer zweiteiligen Struktur gibt es nun einen fest integrierten Salon – stabiler, geräumiger und mit Platz für mehr Passagiere. Ein Aufzug soll die Gäste elegant nach unten bringen. Wann genau es los geht, ist noch nicht bekannt.

So soll das Luftschiff des Unternehmens Air Yacht aus der Schweiz aussehen. Passagiere sollen mit einer Gondel zu Boden gelassen werden
So edel die Konzepte auch sind, OceanSky wurde nicht gegründet, um bloß Luxusreisen anzubieten. Die Schweden haben eine größere Vision: eine nachhaltige Zukunft für die Luftfahrt – sowohl im Gütertransport als auch im Passagierverkehr. "Luftschiffe gab es vor den Flugzeugen", erklärt der Marketingleiter Gimeno. "Sie benötigen kaum Infrastruktur und sind ideal für weniger wohlhabende, dünn besiedelte Regionen."
Mit Luxus auf Investorensuche fürs Luftschiff der Zukunft
Doch um eine neue Industrie zum Fliegen zu bringen, braucht es Investoren. Und die überzeugt man am besten, indem man zeigt, dass es einen Markt gibt.
Und womit lässt sich das besser demonstrieren als mit einer spektakulären Reise über die entlegensten Winkel der Erde? Dazu waren Luxus und Luftschiffe kurz nach dem Ersten Weltkrieg untrennbar miteinander verbunden. Zuvor hatte das Militär, weil sie verglichen zu Flugzeugen die größeren Reichweiten hatten, mit Luftschiffen Bomben transportiert.
Ab 1936 galt der Zeppelin Hindenburg als Inbegriff luxuriösen Reisens: In nur 60 Stunden schwebte das größte je gebaute Luftschiff über den Atlantik – schneller als jedes Linien- oder Kreuzfahrtschiff. Und das wöchentlich zwischen Deutschland und den USA.

Der Zeppelin LZ-128 nach seiner ersten Ozeanüberfahrt 1928 über New York. Die Passagiere hatten es sehr luxuriös
©ullstein bild/Ullstein Bild/picturedesk.comDoch am 6. Mai 1937 verwandelte sich die elegante Ikone in ein Inferno. Beim Landeanflug auf Lakehurst geriet die mit Wasserstoff gefüllte Hülle in Brand, innerhalb von Sekunden stand das Luftschiff in Flammen. 35 der 97 Menschen an Bord kamen ums Leben – mit ihnen der Traum von der großen Zukunft der Verkehrsluftschifffahrt.
Unglück der Hindenburg: Wie sicher ist ein Luftschiff?
Da drängt sich die Frage auf: Wie gefährlich ist die Fahrt mit einem Luftschiff heute? "Es ist faszinierend, wie dieses Unglück noch immer nachhallt. Die Titanic sank – Schiffe fahren trotzdem", sagt Gimeno.
Doch bei der Hindenburg war es anders: "Es war der erste große Luftfahrtunfall, der gefilmt wurde. Die Nationalsozialisten inszenierten das Luftschiff als Propaganda-Symbol, nach dem Unglück verteilten die Amerikaner die Bilder kostenlos an Nachrichtenagenturen."
Heute wäre ein solches Desaster kaum denkbar. Moderne Luftschiffe setzen auf Helium statt Wasserstoff, kugelsichere Hüllen statt gewachster Baumwolle, synthetische Materialien statt Rinder-Mägen für die Gaszellen.
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