Weekender Urlaub Bodensee

Weekender: Fast wie am Meer – Der Bodensee

Zeppeline, Pfahlbauten, eine Insel, die man nachts verlassen muss, und über allem schwebt der Zeppelin – der Bodensee ist in seiner Gesamtheit kaum zu fassen. Ein See, drei Länder und ganz viel Eigensinn.

Überblick

Anreise

Es stehen mehrere Flughäfen zur Verfügung. Friedrichshafen (D), Althenrhein (CH) und natürlich Zürich (CH). Die meisten entscheiden sich aber für die Zugfahrt. Mit den ÖBB kommt man etwa ohne Umsteigen von Wien nach Bregenz. oebb.at

Währung

Deutschland & Österreich: Euro; Schweiz: Schweizer Franken

Von Nicola Afchar-Negad

Etwas ist "ghörig", wenn es den Vorstellungen eines Vorarlbergers entspricht. Ein fast universell einsetzbarer Begriff vor dem Arlberg, der immer passt. Man kann also von einem ghörigen Frühabend sprechen, wenn man mit einem Weiß-Sauer, also einem Weißen Spritzer, im Badehaus des See-Hotels "Am Kaiserstrand" in Lochau den Tag finalisiert. Man sitzt hier – von Bregenz aus kommend ein Stückchen weiter Richtung deutscher Grenze – nicht AM Wasser, sondern IM Wasser wie die Webseite verspricht und ja, das kann man gelten lassen.

Das Badehaus des kürzlich renovierten und neu übernommenen Hotels steht auf Stelzen im Bodensee. Ein atmosphärischer Ort, aber gut, das bringt die Wassernähe sehr oft mit sich. An anderen Seen würde man vielleicht von einem Beachclub anstatt eines Badehauses sprechen, aber nicht so am Bodensee. Während man von den meisten der bekannten Seen ein ziemlich genaues Bild und eigentlich auch ein Image im Kopf hat, fällt das beim "Schwäbischen Meer" schwer.

Das liegt wohl daran, dass sich Österreich, Deutschland und die Schweiz das Ufer teilen – und auch den See. Denn bis heute konnte man sich nicht auf Wassergrenzen einigen. Es ginge um einiges. Mit 536 km² reden wir hier vom drittgrößten Binnensee Mitteleuropas, der an seiner tiefsten Stelle 254 Meter misst. 177 der 273 Kilometer Seeufer gehören den Deutschen, der englische Name "Lake of Constance" nimmt passenderweise auf die größte Stadt am Wasser Bezug, auf Konstanz. Soweit ein paar kurze Fakten.

Romanshorn in der Schweiz, Urlaub Bodensee

Wer will, kann zum Beispiel vom deutschen Friedrichshafen nach Romanshorn in der Schweiz (hier im Bild) mit der Fähre übersetzen – die Schiffe verbinden zahlreiche Orte am See.

©Getty Images/iStockphoto/mr-fox/iStockphoto

Für die Österreicher, die hinter dem Arlberg wohnen, ist der See tendenziell eine große Unbekannte. Die Bregenzer Festspiele, die kennt man. Vermutlich weiß man auch, dass heuer "Madame Butterfly" auf dem Programm stand. Und eventuell hat man auch gehört, dass es hier im Dreiländereck ganz schön sein soll – nur eben recht weit weg vom Rest Österreichs. Man sollte das Navi trotzdem einmal im Leben auf Bregenz briefen. Gerade die formelle Zerrissenheit zwischen den Ländern, die kleinen kulturellen Eigenheiten sind es, die den Reiz ausmachen. Wer etwa spätabends dem Treiben auf der Festspielbühne folgt, sieht im Hintergrund die Lichter Lindaus glitzern.

Der See trennt und der See verbindet. Hier wie dort hört man etwa nur allzu oft: "Schau, da ist wieder ein Zeppelin!" beim Blick in den Himmel. Seit Ende der 1990er-Jahre gehören die Riesen der Lüfte hier einfach dazu, sie starten von Friedrichshafen aus zu 30- bis 120-minütigen Flügen, Saison ist von Frühling bis Herbst.

Für die Kinder, die hier in der Region aufwachsen, sind die Luftschiffe nichts Besonderes mehr. Für die Segler bringen sie ab und an ein wenig Schatten an wolkenlosen Sommertagen. 

So ziemlich alles im Angebot

Alpen-Panorama und Segelboote. Pittoreske Stadtzentren und Beton-Architektur. Festspiele und Fetisch-Party am Tanzschiff. Wenn man will, kann man hier so ziemlich alles haben, halt in kleinstädtischen Happen. Dieses "Alles" meint unter anderem auch zehn Inseln, die größer sind als 2.000 m², neben Reichenau und Lindau die bekannteste: die Blumeninsel Mainau.

Insel Mainau, Bodensee Urlaub

Palmen am Bodensee? Ja, wenn man ein Ticket für die Insel Mainau gebucht hat.

©Getty Images/Andreas Rose/istockphoto

Den Beinamen verdankt sie unter anderem einer Million Tulpen, die hier jedes Frühjahr gepflanzt werden. Von nicht gerade wenigen Gärtnern, die die Tulpenköpfe schon abschnippeln, bevor sie komplett verwelkt sind. Dem Zufall wird nichts überlassen, dem Wildwuchs erst recht nicht. Die Mühe lohnt sich aber.

Der Blick auf Palmen, den funkelnden Bodensee und das Bergmassiv dahinter macht süchtig. Die Jahreskarte für Erwachsene kostet 75 Euro – für den Fall, dass bereits jetzt Interesse besteht. Das Sagen hat hier übrigens nicht etwa ein Stadtamt, sondern die Gräfliche Familie Bernadotte, denn die Insel ist im Besitz der gemeinnützigen "Lennart-Bernadotte-Stiftung". Außer der Adelsfamilie dürfen auf Mainau nicht viele wohnen – und auch nicht übernachten. Hotels gibt es nicht. Macht aber nichts, die gibt es beispielsweise in Konstanz, Friedrichshafen und Lindau. Zwei bekannte Beispiele wären das "Relais & Châteaux Hotel" und das "Hotel Maier" in Friedrichshafen. Dessen Besitzer eröffnen im Frühjahr 2024 übrigens ein weiteres Hotel – "Das Zeppelin". Genauer gesagt ein Hotelensemble rings um eine denkmalgeschützte Villa, direkt am Seeufer.

Kunsthaus Bregenz

Das Kunsthaus Bregenz (KUB) von Architekt Peter Zumthor

©IMAGO/imagebroker/imageBROKER/Werner Dieterich/IMAGO

Dass der See trendet merkt man auch am Baugeschehen im Residential Bereich. In Lindau errichtet die Vorarlberger i+R Gruppe, als familiengeführtes Bau- und Immobilienunternehmen mit über tausend Mitarbeitern, das Vierlinden-Quartier mit 400 Wohnungen in Seenähe. Es wird zu hundert Prozent mit regenerativer Energie versorgt werden, mehr als die Hälfte des Areals wird bepflanzt. Es lebt sich einfach gut in der Gegend, das wissen auch die vielen Studentinnen und Studenten, die nach ein paar Jahren in Wien, Zürich oder München wieder zurückkehren, in ein Zuhause zwischen Pfänder – das ist der Hausberg der Bregenzer – und Bodensee.

So wie Denise Ender, Designerin (Agentur "Davilla") und Künstlerin ("dean.one"). Sie ist Brandingexpertin und als solche prädestiniert, die Marke Bodensee zu umreißen. "Der See im Sommer und die Berge im Winter" haben bei ihr den Boomerang-Effekt ausgelöst – bei ihr und bei  vielen anderen.

Beschaulich und groß

Ender spricht aber auch von "vielen Hidden Gems", wie den Weinbergen, Obstplantagen oder Pfahlbauten. Letzteres meint das älteste archäologische Freilichtmuseum Deutschlands in Unteruhldingen. Die 23 rekonstruierten Pfahlhäuser aus der Stein- und Bronzezeit gehören zum Weltkulturerbe.

Pfahlbauten in Unteruhldingen, Urlaub Bodensee

Sightseeing: die Pfahlbauten in Unteruhldingen

©Pfahlbauten/F. Müller

Wenn’s noch ein Superlativ sein darf: Die Rheinfälle auf der Schweizer Seite des Sees gelten je nach Quelle als größter Wasserfall Europas – oder zumindest als einer der größten. Besonders imposant ist das blaue Rauschen vom Boot aus, auch Charterfahrten sind buchbar.

Rheinfall bei Schaffhausen, Schweiz

So richtig nah ran geht's nur mit dem Boot: Rheinfall bei Schaffhausen, Schweiz

©Schaffhauserland Tourismus

"Alles hier hat seinen Charme", ist  Denise Ender überzeugt. "Obwohl der See groß ist, ist die Gegend beschaulich, mit der einen oder anderen Buschenschank, den Hafenpromenaden und international renommierten Museen. Es ist einfach ein toller Mix." Auch kulinarisch, so Ender. "Schwäbische Maultaschen, Käsefondue und Käsknöpfle – Schweizer, Deutsche und Österreicher sind dann doch jeder auf eigene Weise speziell."

Statue Imperia am Hafen von Konstanz

Sightseeing: die Statue Imperia am Hafen von Konstanz

©mauritius images / Hemis.fr / René Mattes/Hemis.fr/René Mattes/mauritius images

Wonach der See für sie rieche oder schmecke, möchte die freizeit von der Vorarlbergerin wissen. "Für mich nach unbeschwerter Kindheit und Jugend. Wir sind früher im Sommer von Hafen zu Hafen gesegelt oder getuckert. In der Früh hat es am Hafen nach Filter-Kaffee und einer eigenen Art von Frische gerochen – wahrscheinlich eine Mischung aus Wasser, Sonne und Seegras." Auch wenn sich das schwäbische Meer seit damals natürlich verändert hat – ab Jänner besteht etwa ein dreijähriges Fangverbot für die typischen Bodensee-Felchen – der See wird noch für unzählige Generationen zur Kern-Erinnerung. Und eigentlich muss man ihn auch gar nicht mit einem Meer vergleichen, er  ist schon gut so, wie er ist. Ghörig würden die Vorarlberger sagen – aber das versteht man in Deutschland und der Schweiz wieder nicht.

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