Kitesurfen vor Sardinien: Die mit dem Brett tanzen

Meer, Sonne, Wind, Wellen und die Geselligkeit auf einem Segel-Katamaran, der uns zum besten Spielplatz auf dem offenen Meer bringt. Das Ziel sind spektakuläre Sprünge und Highspeed vor der berühmten Costa Smeralda

von Manfred Ruthner

Scheinbar losgelöst von der Schwerkraft fliegen die Kitesurfer auf ihren Brettern über die Wellen, springen hoch, drehen sich in der Luft, vollbringen zirkusreife Kunststücke, um Sekunden später wieder auf dem Wasser zu landen und ihre rasende Fahrt fortzusetzen. Die traumhafte Kulisse für diese Show gibt die Costa Smeralda ab. Der Name kommt nicht von ungefähr – smaragdgrün schimmern hier, im Nordosten Sardiniens, die Buchten. Der Strand ist mit feinstem Sand bedeckt, der sich bis weit ins Wasser zieht und diesem die besondere Farbe verleiht. Rundum erinnern mächtige, von der Natur geformte Steinformationen mit etwas Fantasie an versteinerte Tiere oder Fabelwesen aus einer anderen Welt.

Mit dem Katamaran als schwimmende Unterkunft werden Buchten angesegelt: Damit das Kitesurfen  so richtig Spaß macht, braucht es perfekten Wind und perfekte Wellen 
 

©eleveight/helen fischer fotos

Prinz Karim Aga Kahn hat in der 70er-Jahren weite Teile dieses Küstenstreifens erworben und unter strengen baulichen Auflagen weiterverkauft oder verpachtet. Nur niedrige Bauten, die sich in die Landschaft einfügen, sind erlaubt. Über viele Kilometer entstand so eine einzigartige Anordnung von kleineren Bungalow-Siedlungen und exklusiven Villen in Harmonie mit der Natur. Porto Cervo mit seinen eleganten Boutiquen und mondänen Szenetreffs hat sich als Urlaubsort des Jetsets etabliert.

Die Dichte und Länge der Jachten, die in den Buchten schaukeln, spiegelt diese Exklusivität wider, sie sind Millionen Dollar schwer, imponieren mit einem Swimmingpool, der in die Badeplattform am Heck eingelassen ist, oder einem Hubschrauber, der am Landeplatz an Deck bereit steht.

Vor der Isola Tavolara: Solange der Wind nur schwach weht, wird die floating beach, die am Katamaran vertäut ist, für Yoga genutzt
 

©Manfred Ruthner

Immer dem Wind nach

In dieser Flotte, die für Überfluss und Luxus steht, sticht ein Segelkatamaran heraus, der mit einer Gruppe ambitionierter Kitesurfer an Bord vor Anker liegt. Wo genau, hängt von der Windprognose ab – so ist gewährleistet, dass die Sportler optimale Bedingungen vorfinden. Am Heck des Katamarans ist eine „floating beach“ vertäut, eine Art überdimensionale, mit Luft gefüllte Badeinsel. Auf dieser Plattform liegen die Boards bereit. Die Kitesurfer machen einstweilen ihren Lenkdrachen, den Kite, klar. Seine Luftkammern lassen ihn auf der Oberfläche des Wassers treiben und ermöglichen dem Kiter im Falle eines Absturzes einen Neustart. Ein Trapezgurt, der um die Taille geschnallt wird, überträgt die Kraft des Kites auf den Körper. Die Füße stehen fest in den Schlaufen des Boards und der aufgepumpte, geöffnete Kite wird ins Wasser gelassen. Rasch erfasst der Wind die mehrere Quadratmeter große Fläche und treibt den Drachen an. Er ist über vier 20 bis 30 Meter lange Leinen mit der Bar, einer Art Lenkstange, verbunden. Der Sportler steuert den Kite mit beiden Händen so, dass er in Form einer liegenden Acht über das Wasser pendelt und dabei immer höher steigt.

Kitesurfen mit Foils

Dank des Tragflügels unter dem Board, dem sogenannten Foil, hebt sich das Board schon bei kleinen Geschwindigkeiten komplett aus dem Wasser und gleitet mit atemberaubendem Speed über die Wasseroberfläche. 
 

Wingsurfen 

Guter Einstieg zum Kitesurfen, der Wing ist komplett mit Luft gefüllt und wird ohne Leinen direkt mit beiden Händen geführt. Ähnlich wie beim Windsurfen steuert man mit der Belastung des Boards und der Lage des Wings Fahrtrichtung und Geschwindigkeit.

Immer stärker wird der Zug an den Leinen – und dann kommt der Moment, wo die Kraft des Windes den Kitesurfer samt Board von der floating beach ins Wasser zieht und das Vergnügen beginnen kann. Die Wellen dienen als Katapulte für spektakuläre Sprünge, mit Highspeed rasen die Kitesurfer über das Meer. Die Geschwindigkeit, die sie erreichen, liegt zwischen 30 und 40 km/h, manchmal sind es sogar an die 60 km/h. Für diesen Sport benötigt man freies Wasser, eine Badebucht mit Hochbetrieb wäre denkbar ungeeignet. Deshalb hat sich die Idee für das Projekt Kite2Sail entwickelt.

Jan Burgdörfer, der jüngste Kitesurfer in der Runde, macht die Leinen an seiner Bar startklar 

©Manfred Ruthner

Vor drei Jahren hat Marc Rosendahl, Geschäftsführer von Sun Charter GmbH und leidenschaftlicher Segler, das Kitesurfen für sich entdeckt, als zweites Element, das den Wind als Antrieb auf dem Wasser nutzt. So war es für ihn naheliegend, beide Hobbys miteinander zu verbinden. Mit dem Top-Kitesurfer Philipp Mohr, Instruktor und Deutschlandvertreter von eleveight, fand er einen kongenialen Partner für eine ebenso geniale Idee: Per Segelkatamaran Buchten für das Kiten zu erschließen, die von Land aus nicht zu erreichen sind. Heikler Punkt war die Frage, ob sich die Startvorbereitungen, die üblicherweise am Strand erfolgen, auch vom am Heck des Kats vertäuten floating beach erledigen lassen. Die Ausfahrt in Sardinien, die Generalprobe und Premiere zugleich war, brachte Gewissheit und allgemeine Zufriedenheit: Ja, das klappt bestens.

Philipp Mohr beim Wing-Foilsurfen vor der Milliardärsyacht PI. Der Tragflügel unterm Board bringt Speed
 

©Manfred Ruthner

Eine besondere Erfahrung „Das Kitesurfen vor der Isola Tavolara ist eine ganz besondere Erfahrung. Der Wind wird hier durch die Düse zwischen dem 500 Meter hohen Tafelberg der Insel und der sardischen Küste verstärkt, ohne dass sich dabei eine unangenehm hohe Welle aufbaut. Wir haben den Strand davor mit unserem Katamaran zu einem neuen Hotspot gemacht. Das Vorbereiten der Kites und das Starten vom floating beach aus hat problemlos funktioniert“, schwärmt Philipp Mohr, ehe er wieder an seiner Bar zupft, den Kite aus dem Wasser hebt und davon gleitet. Eine Einschränkung für Kite2Sail gibt es allerdings: Für Anfänger sind diese Rahmenbedingungen nicht geeignet. Diese sind am langen Strand von Porto Pollo besser aufgehoben. Die ersten Schritte, im wahrsten Sinne des Wortes, werden unter der fachkundigen Anleitung von Philipp Mohr unternommen. Im weichen, trockenen Sand lernt man zunächst, wie sich der Kite über die Bar lenken lässt. Wer schon Windsurfen kann, benötigt etwa sieben gute Windtage, um es zum Kitesurfer zu bringen.

Das Leben an Bord des Katamarans ist für die Kitesurfer eine neue Erfahrung, nicht nur was Segeltechnik und Knotenkunde angeht. Schlafen in der Kajüte, gemeinsames Frühstücken, wo man bei Kaffee, Croissants und Müsli Wetterprognosen diskutiert und danach das Tagesziel plant, ist ungewohnt, macht aber allen Spaß. Nachdem die Thermik erst zu Mittag einsetzt, wird der Vormittag für eine andere Aktivität genutzt und auf dem floating beach Yoga betrieben.

Eine Privatinsel als Ausgangsbasis: Marina dell’Isola

©Manfred Ruthner

Schwankende Balance

Wie fühlt es sich an, auf einer schwankenden Plattform Übungen zu machen, die häufig Balance erfordern? Bea, eine professionelle Yoga-Trainerin, sieht das als gesteigerte Herausforderung. Man muss sich auf das Element Wasser einstellen, die fließenden Bewegungen der Welle bewusst spüren. Das Ausgleichen der Schwankungen stärkt automatisch die Festigkeit in der Körpermitte. Die Kitesurfer sind engagiert bei der Yoga-Sache, doch als der Wind anhebt, wechseln sie flugs in ihr angestammtes Element. Jan Burgdörfer, Kiter of the year 2021 in Deutschland, zeigt die spektakulärsten Manöver. Er steuert die Bar oft nur mit einer Hand, bei ihm sieht alles leicht und mühelos aus. Wenn Wind und Welle passen, kommt er in einen Flow und würde am liebsten ewig weitermachen. In der Realität lässt aber irgendwann die Konzentration nach.

Auf Kurs zur nächsten Kite-Bucht: Philipp, Marc, Jan, Sören

©eleveight/helen fischer fotos

Jedenfalls macht Kitesurfen hungrig. Auf dem Katamaran bevorzugt man die schnelle Küche – Pasta mit Pesto –, in der Strandbar von Porto Pollo, einem absoluten Highlight, kann man zwischen verschiedenen italienischen Spezialitäten wählen. Mit Blick auf die weite Bucht genießt man bei einem Glas vom kühlen sardischen Wein den spektakulären Sonnenuntergang. Beendet ist der Landausflug aber noch lange nicht. Gleich nebenan lockt Livemusik zur Late Night Party und die Nacht geht munter weiter. Kitesurfer können offenbar nicht nur über die Wellen tanzen.

Der Autor war auf Einladung von Sun Charter und Kite2Sail unterwegs

Wer auf dem Katamaran (Basis Marina dell’Isola) startet, keinen Platz mehr findet, und nicht warten möchte, kann einen der vielen Hotspots rund um Sardinien zum Kitesurfen auswählen
 

©Grafik
Anreise

Austrian Airlines fliegen dreimal pro Woche nonstop Wien – Olbia 

Alternative Anreise

Mit der Bahn über Villach, Venezia Mestre, Florenz nach Livorno (ab Wien 8:25, an Livorno 20:48), anschließend mit der Fähre nach Olbia (Abfahrt 22:30, Ankunft in Olbia 7:30). Von Olbia sind es 15 km zur Basis Marina dell’Isola, am besten mit einem Taxi zu erreichen.

Mehr Infos zu Kite2Sail

kite2Sail.com

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