Wie Karikaturist Pammesberger seine Reise nach Feuerland "vergaß"
Die Landschaft Patagoniens, die Farben, das Meer und die unvergleichliche Natur Feuerlands beeindrucken. Aber...
Überblick
Flug Wien–Buenos Aires, Zwischenstopp in Frankfurt mit der AUA/Lufthansa.
Die Sache ist die:
Ich soll jetzt eine Reisegeschichte schreiben und zwar nach zwei Jahren: Also Zahlen, Daten, Fakten. Wo das war und wer und wie und warum.
Es gibt Leute, die erinnern sich an alles. Die wissen nach zwanzig Jahren noch, wie sie in Patagonien ein Bier getrunken haben, wie der Ort geheißen hat, was das Bier gekostet und wie es geschmeckt hat und dass sie sich ang’schütt’ haben. Zum Beispiel. Zu diesen Leuten zähl’ ich nicht.
Ich hätte mir natürlich, wie es ein anständiger Reisejournalist macht, ein paar Notizen machen können: Meter über dem Meeresspiegel, Porto Sowieso, Dingsgletscher, chilenische Wasweißich-Meerstraße und Meerenge-wo-mir-grad-nicht-einfällt. Hab ich aber nicht. Hab gedacht, ich schreib’ es eh gleich nach der Reise in frischer Erinnerung. Das war März 2020. Dann kam – Corona. Eine Reisegeschichte über eine Expeditionskreuzfahrt nach Südamerika war dann eine Zeit lang nicht mehr so gefragt.
Im Konjunktiv nach Patagonien
Natürlich könnt’ ich jetzt da alles raussuchen und googeln und dann so g’scheit daher erklären, aber das ist ja nicht authentisch, das merkt man ja sofort. Könnte man ja gleich selber alles googeln. Dann sieht man, der Pammesberger, der erzählt uns da nur Gemeinplätze und die Hälfte stimmt nicht. Man darf auch nicht allzulang warten, sonst geht die Fantasie mit einem durch und man schreibt von merkwürdigen großfüßigen Riesen, die da unten wohnen in „Patagonien“ und seltsamen Feuern am Ufer von „Feuerland“. Dem Magellan ist das passiert.
Kopfarbeit
Dabei hatte ich alles im Kopf: Da hätt’ ich geschrieben über die Anreise runter an die Spitze eines der vielen „Enden der Welt“. Südamerika wäre ein so ein Schuh – hätte ich bildhaft beschrieben – ein Patschen, der bei den runtergebogenen Zehen ein bissl so ausfranst, wie meine Socken manchmal vorn. So hätt’ ich euch die chilenischargentinischen Fjorde launig geschildert. Die Landschaft hätt’ ich euch in allen Farben vorgemalt, mit der Einsamkeit hätt’ ich euch beeindruckt, tagelang das einzige Schiff weit und breit. Nur ein Einwohner pro Quadratkilometer! (Also manchmal stehen die schon beinander, das ist nur statistisch, nicht wegen Corona…)
Wie plötzlich einzelne Eisschollen dahergedriftet sind – hätt’ ich die Spannung ein bissl aufgebaut – und dann – Dramatik! – vom plötzlich auftauchenden, majestätischen Gletscher geschrieben, vor uns, der ins Meer kalbt, krachend in die absolute Stille des südlichen Eismeers! Hätt’ ich überhaupt nimmer zu schwärmen aufgehört.
Stille Buchten
Ich hätte euch erzählt von dem unheimlichen Getöse in der stillen Bucht, wo meine Kollegin von den Salzburger Nachrichten geglaubt hat, es ist irgendein Windgeräusch. Dabei hab ich gleich gewusst, dass das die Seelöwen sind. (Hätte ich ein wenig geschwindelt.)
Von unseren Ausflügen mit den „Zodiacs“ hätt’ ich erzählt und fachmännisch erklärt, dass das die Schlauchboote sind, die vom Schiff zu Wasser gelassen werden.
Ich hätte wohl eine originelle Parallele zur berühmten Reise Charles Darwins mit der „Beagle“ in diese Gewässer gezogen. Ein wenig g’scheiteln darf ich ja. Dabei hätt’ ich mir einen kleinen kritischen Hinweis auf die Tatsache erlaubt, dass Darwin zwei – in Worten: Zwei! – Jahre da unterwegs war und ich nur ein paar Tage.
Magellans Tiere
Ich hätte euch die Magellan-Delfine, Magellan-Gänse, Magellan-Seelöwen, Magellan-Wale und so weiter lebhaft beschrieben (hier hätt’ ich ein bissl angegeben) und mir eine kleine Spitze über Darwins mangelnde Fantasie bei der Namensgebung für die Tiere in der Magellanstraße nicht verbeißen können. Aber Darwin hat sich brav alles aufgeschrieben und eine ordentliche Reisegeschichte abgeliefert. Muss man auch sagen.
Ich hätte euch die kleinen Städte beschrieben, eine Fahrt zum Aussichtsplatz, wo der Bus dann kompliziert auf der Straße reversieren musste. An dieser Stelle hätt’ ich meinen Witz über Chile – das ja so lang und schmal ist, dass der Bus nicht g’scheit umdrehen kann – gemacht. Hättet ihr g’lacht.
Auch eine großartige Wanderung in den weltbekannten Naturpark Parco-Dings hätt ich beschrieben, den Flug des Kondors oben, das Herumstehen der Flamingos und Alpakas unten. Dieses Kapitel hätte ich „Auf den Spuren des Pumas“ genannt und dann hätte ich euch überrascht mit der Geschichte, dass ich tatsächlich eine Pumaspur gefunden hab’ auf dem Weg! In der Drecklacke.
Land und Luxus
Natürlich hätte ich – dezent, ich mach’ ja hier keine Werbung – über das Schiff, die „Hanseatic Nature“ informiert. Da hätt’ ich ein bissl auf alter Seebär gemacht. Und dass so ein bissl Champagner mit Kaviar nach dem Bootsausflug auch in Anorak und Pudelhaube recht fein ist. Überhaupt, hätt’ ich philosophiert über den Kontrast Landschaft und Luxus. Hier wär ich allerdings ein bissl zurückhaltend gewesen, weil sonst hätt’ euch der Neid g’fress’n. „War das überhaupt eine Kreuzfahrt und was ist das überhaupt für ein Schiff, Luxus-Dampfer oder Expeditions-Eisbrecher?“ hätte ich philosophiert und wär’ zum Schluss gekommen, dass „Expeditionsschiff“ schon passt, wenngleich mit Sternehotelkategorie und nicht mit gefrorener Tomatenstockfischdose.
Ich hätte berichtet, dass ich das ganze Schiff inspizieren durfte, vom „Weinkeller“ (sehr imposant!) bis zur Mastspitze (fast). Dass ich auf der Brücke war und mit dem Kapitän geredet hab’. Dass ich dort die blödesten Fragen der Welt gestellt habe („Kann das Radar Wale erkennen?“), hätte ich in meinem Bericht nicht an die große Schiffsglocke gehängt.
Das alles hätt’ ich euch, frisch aus der Erinnerung in reinster Lyrik erzählt und ich hätte euch das Ganze mit detailreichen Zeichnungen illustriert, ja fast eine komplette Graphic Novel hätt’ ich euch vor lauter Begeisterung hingezaubert! Ein Comic! Ihr wärt begeistert gewesen, hättet mir enthusiastische Leserbriefe zuhauf geschickt und auch die Hanseatic-Leute hätten applaudiert und die hätten mich dann eingeladen, dass ich das nächste Mal gratis gleich bis zum Südpol mitfahren darf und überall sonst hin als Schiffs-Zeichenkünstler quasi.
Aber so. So wird das natürlich nix. Kann ich mir aufzeichnen, wegen dem depperten Virus.
Info
Reisebeispiel
Expedition Chilenische Fjorde – Das versteinerte Erbe Magellans auf der HANSEATIC inspiration (120 Kabinen) der Reederei Hapag Lloyd Cruises. Von 28. 2. 23 bis 14. 3. 23 von Ushuaia nach Val Paraiso, ab 10.289 €/P. An- und Abreise- paket, sowie Vor- und Nach- programm zubuchbar.
Naturpark Torres del Paine
Der Torres del Paine liegt etwa 140 Kilometer nördlich von Puerto Natales – von dort fahren Busse zwischen Oktober bis April in den Park. Andenkondore, Pumas und Nandus treiben sich in den bis zu 3.000 Meter hohen Bergen, Fjorden und Gletschern herum. Der Eintrittspreis ist 21.000 Chilenische Pesos (23,65 €) chile.de/national- parks/torres-del-paine/
Klima
In Ushuaia erreichen die Temperaturen im Jänner mit durchschnittlich elf Grad ihre jährlichen Höchstwerte. Selten sind bis zu siebzehn Grad möglich. Das Wetter ist meistens trüb
Kommentare