Hamburg: Alle reden über die Elbphilharmonie, wir waren drin
Ein Besuch der Elbphilharmonie ist mittlerweile Pflicht beim Hamburg-Besuch. Die meisten kommen aber nur auf die öffentlich zugängliche Plaza, nur wenige in den spektakulären Großen Saal.
Die extravagante Stiegenkonstruktion zwischen elftem und fünfzehntem Stock der Elbphilharmonie ist tatsächlich ein wenig herausfordernd. Kreuz und quer scheinen die Stufen zwischen der öffentlich zugänglichen Plattform Plaza hinauf in den Konzertsaal zu führen. Verwirren mit Richtungspfeilen und Buchstaben. Sturzgefahr und Überknöchelungen sollen High-Heels-Trägerinnen drohen, schrieben (Boulevard-) Zeitungen rund um die Eröffnung des neuen Hamburger Konzerthauses 2017.
Das lässt sich fünf Jahre später, natürlich mit hohen Absätzen, nicht bestätigen. In Zeiten von Corona kommt die Herausforderung von einer der zahlreichen Mitarbeiterinnen in rot-schwarzen Shirts: „Etwas schneller, bitte. Die Türen schließen gleich.“ Fast den Beginn des Jubiläum-Festkonzerts zu verpassen, ist weder High Heels noch zu spätem Ankommen geschuldet. Dafür den peniblen Eingangskontrollen.
Der an eine Arena erinnernde Konzertsaal gilt als das Herz der „Elphi“. Der erste Besuch hier bleibt aufregend. Halbstöcke und wieder Stufen überwinden, die richtige Etage samt zugehörigem Sektor finden. Von Sitzreihe fünfzehn aus lässt sich das Orchester da unten gut überblicken. Auch das Publikum gegenüber im Saal. „Weingarten-Prinzip“ nennt sich diese terrassenförmige Anordnung der Sitzreihen, hoch-gezogen rund um das in der Mitte des Saales platzierte Orchester. Helle Wände mit speziellen Lamellen und ein fünfzig Tonnen schwerer Sound-Reflektor, der wie ein verkehrter Pilz von der Decke hängt, verstärken das futuristische Raumschiff-Ambiente.
Und die hochgelobte, auch oft kritisierte Akustik? Der japanische Star-Akustiker Yasuhisa Toyota konstruierte dafür reliefartige Wandplatten, genannt die „weiße Haut“. Angeblich sollen ob ihrer Resonanzfähigkeit Benimmregeln ausgegeben werden. Jedes Räuspern, jedes Zuckerlpapier erzeuge unliebsame Geräusche. So ist’s dann doch nicht. Aber: Man solle Husten und Niesen vermeiden, wurde auf Nachfrage bei einer vorhergehenden Hausführung (Start im 13. Stock) erwähnt. Durchaus verständlich.
Das NDR Elbphilharmonie Orchester verdient die Bewegungslosigkeit des Publikums. Jeder Schlag aufs Xylofon, jedes Klappern von Kastagnetten ist glasklar und deutlich zu hören, da oben in Reihe fünfzehn. Übrigens auch jeder Fehler, heißt es. Eine Trompete hört sich an, als ob sie direkt von rechts käme. Kein Streich der Akustik. Ein Scheinwerfer rückt den Trompeter ins Licht, er steht wirklich irgendwo zwischen Reihe vierzehn und sechzehn.
Wenn später der Solo-Pianist das Stück fast lautlos ausklingen lässt, wirkt es nur wie ein zartes Hauchen. Und dieses stört nicht einmal Kleiderrascheln oder Schuheklappern. Geschweige denn ein Handy. Im Weingarten-Saal herrscht völlige Stille, zerrissen erst vom Applaus, der in dieser Akustik wie auf den Punkt geklatscht wirkt. Es stimmt, wenn manche sagen: Der Saal ist ein Instrument für sich.
Klimafreundliche Anreise
Täglich mehrere Direktflüge von Wien nach Hamburg (z. B. austrian.com). Wer lieber klimafreundlich anreist, ist mit direkten Zugverbindungen gut versorgt. Die ÖBB bieten auch einen Nachtzug an (nightjet.com, ab 99 €/P.)
Unterkunft
Das moderne Boutiquehotel „Pierdrei“ liegt nur zehn Minuten Fußmarsch von der Elbphilharmonie entfernt
an der Grenze von Hafencity und Speicherstadt (pierdrei-hotel.de, ab 106 €)
Elbphilharmonie
Der Besuch der Aussichtsplattform „Plaza“ kostet 2 Euro (10 bis 24 Uhr). Eine Hausführung kostet 20 Euro. Beim Kauf eines Konzerttickets kann die Plaza zwei Stunden vor Konzertbeginn besucht werden. Einen Besuch wert ist auch die 1908 eröffnete Laeiszhalle, die für Konzerte Alter Musik bekannt ist
Licht-Installation
Zum fünften Geburtstag gestaltete das holländische Duo DRIFT die spektakuläre Lichtinstallation „Breaking Waves“ aus Hunderten beleuchteten Drohnen. Die Präsentation wurde auf 28. April verschoben
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