Was Sie über Maltas kleine Schwester wissen müssen
Nicht so bekannt wie Malta – trotzdem gibt's auf Gozo viel zu entdecken: römische Salzpfannen, Tempel, Klippen und eine Zitadelle.
Wind und Wetter haben mit dem natürlichen Felsentor einfach kurzen Prozess gemacht. Was über viele, viele Jahrtausende als äußerst fotogener Zufall aus dem Gestein gewaschen wurde und bis heute in der Google-Bildersuche nach Gozo oben auftaucht, verschwand an einem umtosten Tag im März 2017 ganz unerwartet: Das „Azure Window“ brach einfach in sich zusammen. In Sekundenschnelle waren die bröseligen Reste dieses Touristenmagneten in den Fluten versunken – und genauso schnell war Gozo um eine der markantesten Sehenswürdigkeiten ärmer.
Was für ein glücklicher Zufall ist es da, dass es auf der anderen Seite der Insel Ersatz gibt: ein zweites Felsentor. Das steht zwar nicht an so perfekter Stelle und die letzten Meter dahin sind schmal und schnell verstopft mit Besuchern und Besucherinnen, aber eindrucksvoll ist dieses Naturkunstwerk allemal. Und überhaupt ist es nicht das Einzige, was man auf Gozo bei einem Inselstreifzug entdecken kann.
Auf Gozo herrscht dörfliche Gemütlichkeit
Wer auf diese Mittelmeerinsel reist, landet zunächst in der Regel auf Malta, der Hauptinsel des Archipels, der der südlichste Staat der EU ist. Von dort muss man nur noch eine der Fähren nehmen. Eine halbe Stunde später geht man auf Gozo von Bord, der deutlich kleineren, aber immerhin zweitgrößten Insel.
Zwar sind die Straßen der kleinen Inselhauptstadt Victoria dort auch schon mal verstopft und Touristen und Einheimische drängeln sich in den Straßen um den Piazza Indipendenza und am Fuße der Citadella, die wuchtig über dem Ort thront und früher Einheimische vor Angriffen schützen sollte. Lässt man die Stadt hinter sich, strahlt Gozo eine dörfliche Gemütlichkeit aus. Auch die Natur hat hier viel mehr Platz als auf Malta, wo es fast schwierig ist, unbesiedelte Fleckchen zu finden.
Bewegte Geschichte
Dass die ersten Siedler auf Gozo landeten und Spuren hinterließen, ist schon fast fünftausend Jahre her. Sie kamen damals um 3600 vor Christus wohl aus Sizilien, dem italienischen Nachbareiland neunzig Kilometer nördlich. Faszinierendes Relikt dieser ersten Insulaner sind mehr als zwanzig Tempel, von denen der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende „Ġgantija Tempel“ der größte und eindrucksvollste ist.
„Es ist die älteste, frei stehende Steinstruktur der Welt“, sagt Touristenführerin Audrey Bartolo, als sie durch die Felsgänge führt und die Verzierungen, historischen „Graffiti“ und Altäre zeigt, wo früher Opferrituale stattgefunden haben sollen. Kaum vorstellbar, was diese lange verschüttete Anlage über all die Zeit überstanden hat, bis sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckt und freigelegt wurde. Schließlich ist die Geschichte Gozos genauso wie die Maltas aufgrund der strategisch wichtigen Lage im Mittelmeer äußerst bewegt.
Die Insel war Schauplatz unzähliger Schlachten, Eroberungen, Besetzungen. Nach den ersten Sizilianern kamen unter anderem die Phönizier und die Römer. Zwischendurch war sie Ordensstaat der Johanniter, schließlich herrschten die Franzosen und zuletzt Briten bis zur Unabhängigkeit 1964. Wie auf Malta fließen daher auch auf Gozo in Kultur und Kulinarik die unterschiedlichsten Einflüsse zusammen. Das reicht von der maltesischen Sprache, die ihren Ursprung hörbar im Arabischen hat, bis zu urigen Details wie den englischen, roten Telefonzellen, die man hin und wieder entdeckt.
Von den Römern hingegen existieren bis heute Spuren an der Nordküste. Fährt man die steile Straße runter, liegt plötzlich eine bizarr schöne Uferlandschaft vor einem: Wie ein Mosaik breiten sich die antiken Salzpfannen in unregelmäßigen Vierecken dort direkt am Meer aus. Das ist aber nur der Anfang.
© Bild: Sascha Rettig
© Bild: Sascha Rettig
© Bild: Sascha Rettig
Salz und Heiligenbilder
Denn geht man weiter, folgen viele, viele weitere Becken, die klarer geformt sind und bis heute für die Meersalzernte genutzt werden. Über mehrere Kilometer spaziert man so zwischen dem Meer und ausgewachsenem Stein an der abstrakten Salinen-Landschaft vorbei. Das Salz gibt es gleich dort unter anderem bei der Salzbäuerin zu kaufen. Vor einer kleinen Höhle hat sie ihren Stand, um den sich ständig Touristen drängeln.
Überhaupt ist das Meer auf Gozo ständig in Sichtweite. Groß ist Gozo nicht. Steigt man auf die Citadella in der Stadt Victoria, hat man weite Ausblicke über die hügelige Landschaft bis zum Rand rundherum, wenn die Insel etwa bei den Sanap-Klippen dramatisch steil abbricht.
Eine Insel, reich an Kirchen
Der Katholizismus durchdringt schließlich den Alltag bis heute: Heiligenbilder, Figuren und Statuen überall. Trotzdem ist es erstaunlich, dass auf solch einer Insel mit gerade einmal 40.000 Einwohnern mehrere gigantische Kirchen errichten wurden. Eine davon ist die Basilika St. John the Baptist in Xewkija. Wie ein Raumschiff wirkt sie, das inmitten der kleinen Häuser gelandet scheint. Sie hat die drittgrößte Kuppel der Welt.
Info
Anreise
Flug nach Malta ab Wien. Co2-Kompensation 7 €. Fähren von Cirkewwa (gozochannel.com) oder Valetta („Fast Ferry“ gozofastferry.com)
Unterkunft
– The Duke: zentral gelegenes Hotel in Victoria
– Quaint Boutique Hotel im Dorf Nadur
„Gozo Adventures“
Aktivitäten in der Natur: Wandern, Radfahren, Meeres-Kayaking
Tipp: „Gozo Picnic“
individuell organisierte Picknicks an besonders schönen Fleckchen auf Gozo.
Auskunft
visitgozo.com
Drehort für "Game of Thrones"
Beliebtes Ziel auf Gozo ist die Dwejra Bucht. Auf der kurzen Wanderung dabei: der deutsche Guide Dietmar. Zwar ist das „Azure Window“ mittlerweile verschwunden. Doch es gibt noch andere Gründe, warum die Urlauber hier so gern herströmen. Nicht nur, dass vor einigen Jahren eine berühmte Szene der Fantasy-Serie „Game of Thrones“, die Hochzeit der Dothraki, hier gedreht wurde. In unmittelbarer Nachbarschaft erhebt sich auch der mächtige Fungus Rock aus den blauen Fluten.
Schwimmen verboten
Seinen Namen hat er wegen einer besonderen Pflanze, die auf ihm entdeckt wurde und der – fälschlicherweise für eine Pilzart gehalten – einst eine medizinische Wirkung zugeschrieben wurde. Zu ihm zu schwimmen, ist heute zwar verboten, dafür kann man am Ufer über Steine und Felsen kraxeln und den Blick genießen.
Auf dem Rückweg schließlich winkt uns der Guide Dietmar kurz zum Imbisswagen auf dem Parkplatz und zeigt auf ein vergilbtes Foto hinter dem Tresen. „Schaut mal, das Azure Window“, sagt Dietmar und grinst. Ganz verschwunden ist es also hier doch nicht, irgendwie.
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