Florida: Ein Traum in Neon und Pastell
Florida, der Sunshine State. Ein Roadtrip im Mustang-Cabrio, der von pastellfarbenen Conch-Häusern samt knalligen Briefkästen, Katzen mit sechs Zehen und Kochbananen-Honig so ziemlich alles zu bieten hat.
Von Nicola Afchar-Negad
"I don’t want reality. I want magic.“ Das soll Tennesse Williams gesagt haben, einstiger Bewohner von Miami. Sie wurden von wem auch immer an eine ausnahmsweise graue Mauer im Stadtteil Coconut Grove gesprayt. Magie – ein großes Wort, ein oft zu leichtfertig verwendetes, das noch dazu für jeden etwas anderes bedeutet. Es passt aber ganz herrlich zur Stadt am Atlantik, über die eine Redewendung sagt: "Das Beste an Miami ist, dass es so nah bei den Vereinigten Staaten liegt.“
Tatsächlich ist es vom Epizentrum des Art Deco weniger weit nach Havanna als nach Tallahassee, der Hauptstadt Floridas. Miami ist der Abschluss eines Roadtrips durch den US-Bundesstaat, der 10 Tage vorher in Orlando begann. Und diese von Williams zitierte Magie, die verbindet Anfang und Ende der Reise. Disneyworld mag die Geister scheiden, aber es bestreitet wohl kaum jemand, dass Walt Disney Zauber in die Leben der Menschen gebracht hat.
Wer sich davon beseelen lassen möchte, sollte ein bisschen Zeit in Orlando einplanen, ein Tag pro Themenpark ist Standard und das Lightning-Lane-Ticket eine gute Investition, um schneller voran zu kommen. Die Attraktionen sind natürlich Adrenalin- uns Serotonin-Ankurbler, aber das eigentlich zauberhafte ist doch das Beobachten der Leute, gleich ob kleine Mädchen in Frozen-Kleidern oder Omas mit blinkenden Mickey Mouse-Ohren. Die Menschen in den Parks sind euphorisch, die Angestellten überfreundlich, die Welt heil. Das muss man doch irgendwie mögen. Orlando ist bunt und exaltiert und der Rest Floridas ist das auch, wenn auch einen Hauch gedrosselt – und eher pastellig als prinzessinnenpink.
Kleiner Umweg
Eine Überdosis Pastell in der Florida-Edition findet man zum Beispiel in Matlacha, Pine Island. Korallenrosa, limettengrün und zitronengelb – so sieht hier alles aus. Und mit alles ist auch wirklich alles gemeint. Im Eisgeschäft hängen regenbogenfarbene Meerjungfrauen-Magnete und in den Galerien gibt es neben lokaler Kunst unzählige Flamingo-Figuren zu kaufen. Selbst die Briefkästen tragen bunt. Es ist ein skurriler kleiner Ort mit hohem Altersdurchschnitt. Ein Fleck Erde, den es so nicht oft gibt und der Ende 2022 hart getroffen wurde. Hurrikan Ian hatte das Idyll verwüstet, diesen Sommer meldeten sich die Bewohner mit einer ordentlichen Portion Optimismus zurück.
"Bitte vergessen Sie Matlacha nicht“, gibt eine der Shop-Inhaberinnen mit auf den Weg und man möchte es ihr gerne versprechen. Die Gefahr ist durchaus gegeben, Matlacha liegt nicht unbedingt auf der klassischen Road-Trip-Route und die Konkurrenz im Sonnenstaat ist groß. In Fort Lauderdale warten die Promi-Residenzen und der Yacht-Hafen und auf den Keys die Key Lime Martinis und die angedeutete Leichtigkeit der Karibik. Und nach Key West zieht es jeden Florida-Reisenden.
Schon alleine die Fahrt auf dem Highway 1, gut 200 Kilometer von Homestead bis nach Key West, ist Grund genug, sich ein Mietauto zu nehmen. Links das Wasser, rechts das Wasser – und man selbst braust quasi hindurch, unter anderem über mehr als 40 Brücken. Nicht ohne Grund heißt dieses Stück der Route auch „Overseas Highway“. Insbesondere wer von Matlacha aus kommt, sollte nicht die ganze Strecke bis Key West an einem Tag durch hetzen. Abgesehen von der Gefahr der Übermüdung sind die Unterkünfte im letzten Glied der Keys-Perlenkette auch empfindlich teurer als auf Marathon, Islamorada, Layton oder Key Largo.
Für einen Tagesausflug ist Key West, der südlichste Punkt der kontinentalen USA, aber perfekt. Kleiner Einschub: Es gibt ausufernde Diskussionen darüber, ob Key West denn nun wirklich dieser Titel zusteht, aber egal, die Metallboje mit der Aufschrift "Southernmost Point“ bleibt beliebtes Fotomotiv. Eins ist zumindest unumstößlich: Man kann Kuba von Key West aus nicht sehen. Egal, wie die Licht- und Wetterverhältnisse sind, es ist schlichtweg unmöglich.
Key West ist auch der Ort, an dem Ernest Hemingway gelebt hat, sein Haus ist ein Museum und den Besuch wert. Vor den Eingangstoren sitzt ab und an ein junger Poet samt Schreibmaschine und verkauft seine Lyrik an Passanten und auf dem Grundstück selbst begegnen einem unzählige Katzen mit jeweils 6 Pfoten an der Tatze. Das passt zu Key West, einem Ort, der vielleicht aufgrund seiner speziellen geografischen Lage, ein Quantum Narrenfreiheit zu haben scheint. Eines der pittoresken Hotels im Ort (Conch-House-Stil!) trägt den obskuren Namen "The Mermaid & the Alligator“ und statt klassischer Martinis wird hier die Key Lime-Variante kredenzt.
Miami Nice
Zwei Stopps fehlen noch auf der Tour – wovon der erste schnell abgehakt ist. Die Everglades, das größte subtropische Gebiet der USA, Tummelplatz von Krokodilen (einige wenige) und Alligatoren (hauptsächlich).
So einiger Crime-Serien sei Dank kennt jeder die Airboote, mit denen man hier durch die Sümpfe brettert. Wer das nachmachen möchte, hat ausreichend Gelegenheit dazu, als geführte Tour versteht sich, denn die Echsen kommen teils ganz schön nahe an die Boote ran. Das Risiko, von einem Alligator gebissen zu werden, liegt angeblich bei 1 : 2.400.000. In einen reinzubeißen ist deutlich wahrscheinlicher, die Gegend ist gespickt mit „Gator Grill“-Schildern. Kann man probieren, muss man aber nicht. Es gibt auch den ein oder anderen rotierenden Spanferkel-Spieß entlang der Strecke – nach Miami.
Da wären wir also, in der Stadt, die Will Smith 2011 so treffend porträtiert hat: "Miami the bass and the sunset low (…) No work all play, okay.“ So zumindest präsentiert sich das Urlaubsparadies den Besuchern. Für die meisten ist Miami gleichbedeutend mit Miami Beach und insbesondere South Beach. Der Ocean Drive ist die – wenn man Instagram glauben kann – berühmteste Straße der USA (an Hashtags gemessen) und selbst die knalligen Rettungsschwimmer-Häuschen sind auf Social Media allgegenwärtig.
Wirklich bemerkenswert: die Art Deco-Häuser entlang der Promenade, man spricht davon, dass es sich um die größte Art Deco Sammlung der Welt handelt. Dazu ein ganzjähriger Sommer und ein lateinamerikanisch geprägter Kulturmix. Merke: in Miami hört man fast genauso oft Spanisch, wie Englisch. Und wer nicht zumindest EINMAL in Little Havanna gegessen hat, verpasst etwas.
Dasselbe gilt wohlgemerkt für die dynamische Kunstszene der Stadt. Die Street-Art-Wände in Wynwoods dürften mittlerweile bekannt sein, Miami Ironside und MiMo (Miami Modern) gilt es noch zu entdecken. Stichwort: Gentrifizierung. Auch das PAMM (Pérez Art Museum) sollten Liebhaber moderner Kunst auf dem Plan haben. Diesen Aufschwung in Sachen Kunst verdankt die Stadt der Art Basel bzw. ihrem Start in Miami vor 21 Jahren. Davor war Südflorida in einer Art trashigem Miami Vice Nebel gefangen. Heute kann man mit Fug und Recht von Miami Nice sprechen und wer eine Reise plant, darf sich getrost von Kochbananen-Honig im „Elcielo“ und Speedboot-Fahrt auf dem Atlantik verzaubern lassen. Bedenken sollte man, was einst Hemingway riet: "Verreise niemals mit jemandem, den du nicht liebst.“
Anreise
Zahlreiche Fluglinien befördern Passage von Wien nach Florida. Austrian Airlines bieten keine Direktflüge an. Eine Möglichkeit ist New York City anzusteuern und dann per Inlandflug nach Orlando weiter zu reisen.
Mit dem Mietauto durch Florida und von Miami mit einem Stopp zurück nach Wien.
Tipps
RESTAURANTS
Boia De, Miami: Moderne amerikanische Küche mit italienischem Einfluss. Michelin-Stern geadelt. boiaderestaurant.com
Elcielo, Miami: kolumbianische Wurzeln (Yuca-Brot!), gepaart mit Avantgarde-Kochtechnik. elcielomiami.com
The Fisheries, Key Largo: Das Hummer-Reuben (Sandwich) ist legendär. Unprätentiöses Self-Service-Lokal am Wasser. keylargofisheries.com
KULTUR
Perez Art Museum, Miami: Zeitgenössische Kunst direkt an der Biscayne Bay. pamm.org
Hemingway Home, Key West: Schreibmaschinen und Katzen mit 6 Zehen: auf den Spuren von Hemingway: hemingwayhome.com
Art Deco Museum and Welcome Center, Miami: Mitten am Ocean Drive, Infos zu Art Deco Walking Tours und mehr: mdpl.org
HOTELS
Arlo Wynwood: Ausnahmsweise Downtown statt Miami Beach. Inmitten des Kunstviertels Wynwood. arlohotels.com/wynwood
Ette Hotel, Orlando: Für alle, die eine Pause von der Disney-Ästhetik brauchen. Zeitlos, elegant: ettehotels.com
The Mermaid & The Alligator: Bed & Breakfast im viktorianischen Haus in Old Town Key West. kwmermaid.com
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