Fliegenfischen: Loslassen und Leine ziehen

Vor 30 Jahren machte ein Film eine unvergleichliche Art zu angeln bekannt: Fliegenfischen. Heute genießen immer mehr Menschen die Ruhe, den Rhythmus und das leise Surren der Leine, wenn sie in sanften Kurven durch die Luft schwebt.

Ein Mann allein am Fluss. Die Nachmittagssonne taucht alles in ein goldenes Licht, während er seine Angel auswirft. Und die Leine scheint tatsächlich zu fliegen, zischt mit einem Surren durch die Luft, beschreibt elegante Kurven und bewegt sich nach und nach immer weiter weg von dem Angler, der sie mit bestimmten, aber unaufgeregten Bewegungen seiner Rute steuert, bis das bunte, libellenartige Gebilde an ihrem Ende sanft auf dem Wasser aufsetzt ...

Manch einer kennt diese Szenen noch aus Robert Redfords oscarprämiertem Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“. In den 1990ern haben die grandiosen Aufnahmen zu einem kleinen Boom geführt, was das Fliegenfischen anbelangt. Und gerade jetzt spüren die Fischereiverbände wieder einen Zuwachs an Interessierten. Vielleicht weil ja die Ruhe, dieses „bei sich sein“ in der Natur, so perfekt in unsere Zeit passt.

Passend dazu ist ein Buch über das Fliegenfischen erschienen, „Fly Fisher“, derzeit nur auf Englisch, im Frühjahr wird die deutsche Ausgabe herauskommen. Fantastische Bilder und tolle Einblicke in die Philosophie, die hinter dieser uralten – schon die antiken Römer haben Abhandlungen darüber geschrieben – Methode des Fischens steckt. Weil es eben nicht darum geht, einfach einen Köder ins Wasser zu dümpeln und sich dann auf einen Klappstuhl in Standby-Position zu begeben. Oder mit einem Bier in der Hand und Kollegen links und rechts die Weltlage zu besprechen. Oder über die Launen der besseren Hälfte zuhause zu lästern.

©Martin Huber / picturedesk.com

Es geht darum, in Bewegung zu bleiben, genau zu beobachten, „das Wasser zu lesen“, wie es mit Christian Keller auch ein heimischer Fliegenfischer beschreibt. Fischer ist der Wirt aus Gumpoldskirchen schon sein Leben lang, die Faszination des Fliegenfischens hat er erst vor ein paar Jahren für sich entdeckt. „Du beobachtest die Fische, versuchst, ihre Reaktion abzuschätzen“, sagt er. „Wo du sie nicht direkt sehen kannst, musst du versuchen zu verstehen, was sich unter der Oberfläche abspielt. Wo sind Turbulenzen, mögliche Unterschlupfe?“

©Robert Kalb / picturedesk.com

Erfahrung, Ruhe, Konzentration sind wichtig. Erzwingen hingegen lässt sich nichts.  Denn diese Art zu fischen hat etwas vom Koan der Zen-Buddhisten: Es fordert heraus, und es übt in Gleichmut. Wo die Welt schnell und hektisch ist, ungehobelt und nervös, bringt einem übertriebene Eile hier rein gar nichts.

Sind Frauen besser?

30 Meter weit können routinierte Fliegenfischer ihren Köder, ihre Schnur,  fliegen lassen. Mit unaufgeregtem Vor-und-Zurück des Ellbogens und rhythmischem Zucken des Handgelenks hauchen sie ihren bunten Fliegen, Mücken und Libellen Leben ein. Aber: Es gibt keine Abkürzung. Der Köder hat das Gewicht eines Wattebausches, keine noch so große Kraft kann ihn mit brachialer Gewalt auch nur ein paar Meter weit werfen. Der Flug der Schnur lässt sich nicht durch Ungeduld, durch ein trotziges Reißen beschleunigen – nur der  gleichmäßige Rhythmus zählt. Es ist der Kern, das reine Wesen des Angelns, sagen die, die’s wirklich können, darunter überraschend viele Frauen.

Warum Frauen sich beim Fliegenfischen so zuhause fühlen? Vielleicht, weil es angeblich die schonendste Art zu Fischen ist, man verwendet keine Widerhaken, zu kleine Exemplare,  Fische, die gerade Schonzeit haben oder auch einfach solche, die einem sympathisch sind, wieder freizulassen, ist Ehrensache. Vielleicht auch, weil sich Frauen, so die Meinung der meisten Trainer, mit den gelassenen, runden und nie übereilten Bewegungen leichter tun als Männer. Die wollen oft zu schnell zu viel, reißen vor der Zeit den Arm nach oben oder nach vorn, um die Leine weiter hinauszuschleudern und stehen dann vor einem Schnur-Knäuel, das es zu entwirren gilt. Aber auch das ist eine Erfahrung, die dazu gehört. Zen-Buddhismus eben. Möge die Übung gelingen.

Fly Fisher Buch Gestalten
©Lukas Bammatter, The Fly Fisher, gestalten 2020

Montana liegt um die Ecke

Das Buch über den „Fly Fisher“ glänzt vor allem auch durch atemberaubende Aufnahmen amerikanischer Landschaften. Abgelegen, wild, romantisch und ganz weit weg. Wer fischt, der kommt allerdings auch hierzulande in Gegenden, die  durch ihre reine Existenz zu beeindrucken wissen.  Schön, unbekannt und ebenfalls ganz weit weg – vom Trubel und Stress des Alltags, auch wenn sie quasi um die Ecke liegen. Wilde Paradiese, in denen  man loslassen kann, während man rhythmisch an der Leine zieht.

Teufelstal - das Tal der Schwarza in Niederösterreich

©Pia Seiser

Das Teufelstal ist so eine Lieblingsgegend, wie Christian Keller erklärt. Hier fließt die Schwarza unreguliert und frei, südlich der Kalten Kuchl zwischen Rax- und Schneebergmassiv. Kristallklares Wasser, hohe Uferfelsen, steile Prallhänge, um die der Fluss sich windet, Kiesbänke, Gumpen und tiefe Rinnen machen diese Landschaft vor den Toren Wiens zu einem kleinen Montana, wo vor beinahe  30 Jahren der junge Brad Pitt in Robert Redfords Film so spektakulär nach Forellen geangelt hat.

Darf man das überhaupt, also angeln, jetzt im Herbst? „Natürlich, man kann das ganze Jahr über fischen“, sagt Christian Keller. „Bestimmte Arten haben zwar immer wieder Schonzeit, um den Bestand zu schützen, aber im Moment gehen wir auf Regenbogenforelle, Äsche und Huchen.“

Forelle

©Martin Huber / picturedesk.com

Und auch das ist ein ebenso wichtiger wie spannender Aspekt des Fliegenfischens, auf den  im „Fly Fisher“ detailliert eingegangen wird: Das Wissen um den Wandel an Insekten, den der Lauf der Jahreszeiten mit sich bringt: Ein Insekt, das auf der Wasseroberfläche landet, um seine Eier abzulegen und dabei Beute einer kräftigen Forelle wird, die emporschnellt; später sinkende, also „tote“ Tiere; dann sogenannte „Nymphen“, verschiedene Entwicklungsstufen der „jugendlichen“ Insekten, Krebs- oder Spinnentiere, die unter der Oberfläche schweben. Alles hat seine Zeit.

Erst „am Ende“, wie es im legendären Hollywood-Film heißt, „verschmelzen alle Dinge zu einem, und aus der Mitte entspringt ein Fluss. Dieser Fluss (...) fließt über Felsen aus dem Urgrund der Zeit. Und unter den Felsen sind die Worte.“

Fliegenfischen im Do-it-yourself-Verfahren zu lernen ist schwierig bis unmöglich und vor allem sehr frustrierend. Wer sich dafür interessiert sollte sich beim Österreichischen Fischereiverband  nach den besten Kontakten erkundigen. Vereine und Organisationen wie etwa die Österreichische Fischereigesellschaft 1880 oder auch Spezialgeschäfte wie „Active Fishing Vienna“ bieten regelmäßig Einsteigerkurse an:
fischerei-verband.at
oefg1880.at
activefishing.at

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

Kommentare