Weekender Costa Brava: Wilde Küste, voller Genuss

In den 1950er-Jahren kam der Tourismus, 20 Jahre später das Billig-Image. Heute strahlen 18 Michelinsterne über der Costa Brava. Von Brigitte Jurczyk

Überblick

Anreise

z.B. mit der AUA Wien – Barcelona in etwa 2,20 Stunden. Weiter mit dem Mietauto

Einwohner

600.000

Währung

Euro

Die Oliven – ein Gelee in Form der schwarzen Ölfrüchte. Der Mozzarella – ein weißer Traum aus Schaum. Was wie eine gewöhnliche rot-weiß-grüne Italo-Vorspeise aussieht, entpuppt sich auf dem Teller als geschickt gemachtes Fake.

Aber die Gäste des hochgelobten Restaurants Compartir, die in einen der schönsten Orte der Costa BravaCadaqués – reisen, rechnen mit solchen Überraschungen. Die drei Köche und Besitzer haben schließlich Seite an Seite mit dem katalanischen Küchengott Ferran Adrià gearbeitet – eine Zeit lang einer der aufregendsten und innovativsten Köche der Welt. Der sorgte für einen wahren Michelinsterne-Regen über der Costa Brava und prägte ganze Generationen von Köchen und Genießern. Für exquisiten Gaumengenuss stand die "Wilde Küste" im Nordosten Spaniens früher nicht – eher für Fastfood à la Burger King und Co. und Bettenburgen wie in Lloret de Mar.

Zu den Stränden mit Hochhaus-Anschluss bringen Busse heute noch Massen von jungen Leuten zum Flatrate-Besäufnis. Das Billig-Image klebt an der Costa Brava wie Kaugummi an Schuhsohlen. Dabei tut man der Mittelmeer-Ferienregion unrecht, wenn man sie auf Low-Budget-Tourismus reduziert. Denn vor allem zeigt sie sich reich: reich an versteckten, felsumrahmten Buchten, die sich oft nur durch duftende Pinien- und Korkeichenwälder erwandern lassen.

Reich an Geschichten, die sich an den Mauern mittelalterlicher Dörfer und Städtchen ablesen lassen. Reich an Kultur, für die vor allem Salvador Dalí steht – der surrealistische Künstler, der im Triangel von Figueras, Cadaqués und Púbol gelebt und gewirkt hat. Sein Wohnhaus mit Atelier in einer Bucht von Portlligat, das heute zu Cadaqués gehört, setzt sich aus mehreren ehemaligen Fischerhütten zusammen.

Ins Mittelalter eintauchen bei einem Spaziergang durch Pals. Der schöne, alte Ortskern wurde zum historischen Bauensemble erklärt 

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Inszenierte Schatztruhe

Es ist immer noch eine Art Pilgerstätte für Dalí-Fans. Die Handschrift des Exzentrikers und seiner Muse und Frau Gala zeigt sich in jedem Winkel. Sein Geist scheint durch die Zimmer zu schweben. Mit einem überdimensionierten Ei auf dem Turmdach – sein "Markenzeichen" – entpuppt sich das Dalí-Museum als inszenierte Schatztruhe seiner Visionen.

Der Reichtum des Mittelmeeres zeigt sich auf dem Fischmarkt von Palamós
 

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Aber was nützen die schönsten Naturparks, die aufregendsten Museen und das beste Wetter ohne kulinarische Offenbarungen? Versonnen schaut René Veitl hinüber zum Golf de Roses. Das Hotel Vistabella, das er zusammen mit seinem Bruder Marlon von den Eltern übernahm, hat einen Spitzenplatz mit Seltenheitswert: "Hier können Sie abends auf der Terrasse sitzen, aufs Meer schauen und bei einem Gourmet-Menü den Sonnenuntergang beobachten. Das gibt es sonst so gut wie gar nicht an der Costa Brava!"

Die liegt nun mal an der Ostküste Spaniens. Und das Vistabella ist auch nur deshalb in solch besonderer Sunset-Pole-Position, weil es an der Südseite des Cap de Creus liegt. Spaniens östlichstem Punkt. Die Deutsch-Schweizer Eltern der Brüder hatten das Hotel Anfang der 1960er-Jahre an dieser Stelle bauen lassen. "Da stand ringsherum noch nichts", sagt René Veitl. Das hat sich mittlerweile geändert. Der Ort Roses, in dem das Hotel liegt, breitet sich über die Hügel und Hänge aus. Mit einem Boot startet man am Privatanleger des Vistabella zu einer Stippvisite rund ums Kap und entdeckt dabei felsige Buchten und versteckte Wanderwege.

Eine extravagante Entdeckung: Garten mit Swimmingpool des exzentrischen Künstlers Salvador Dalí und seiner Frau Gala in Portlligat am Cap de Creus 

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Das Haus von Salvador Dalí in Portlligat bei Cadaqués liegt auf dem Weg. Das Restaurant Compartir, in dem Oriol Castro und zwei weitere, ehemalige Kollegen von Ferran Adrià kochen, ebenso. Und früher auch das weltberühmte Restaurant El Bulli, das nach der Bulldogge seiner Erstbesitzer – einer deutschen Familie – benannt wurde. Baukräne standen lange dort. Das Gebäude wurde umgebaut und in eine Stiftung umgewandelt.

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In seinen Hochzeiten spülte das Toprestaurant dem nahen Hotel Vistabella jede Menge Gäste ins Haus. Zeitweise hatte El Bulli unter Ferran Adrià zwei Millionen Buchungsanfragen pro Jahr. Jetzt zeigt es sich als "elBulli1846" als ein neuer, alter Magnet für Feinschmecker: Zehn Jahre nach der Schließung des legendären Foodtempels ist im Juni ein Museum an gleicher Stelle an der Cala Montjoi am Cap de Creus Natural Park eröffnet worden. Es erzählt die Geschichte von El Bulli – eine Hommage an die 1.846 Gerichte, die im Lokal kreiert wurden. Einige sind sogar als Wachsmodelle ausgestellt.

Einer der schönsten Strandabschnitte Kataloniens: Platja de l'Illa Roja mit seinen rosa Felsformationen.
 

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Das El Bulli prägte wie kein anderes die Küchenphilosophie einer ganzen Region. Viele Köche sind in die Fußstapfen des großen Meisters getreten: 18 Michelin-Sterne strahlen heute über 13 Restaurants von den Pyrenäen an der französischen Grenze im Norden bis nach Blanes im Süden.

Das Teatre-Museu Dalí in Figueres wurde auf den Resten eines abgebrannten Theaters erbaut. Bis ins Detail hat es der katalanische Künstler selbst entworfen

©Josep Algans

Top-Restaurants & alte Mauern

Übrigens: Auch in den "einfacheren" Restaurants isst man vorzüglich – zum Beispiel auf den Terrassen und Plätzen des Dorfs Peratallada, der kleineren Variante des bekannteren Ortes Pals. Beide atmen noch die Atmosphäre des Mittelalters. Wie ein bunt gewebter Teppich überziehen violett blühende Bougainvilleas, duftender Jasmin oder üppiger Efeu die Natursteinwände der Jahrhunderte alten Häuser, die sich in engen Gassen gegenüberstehen. In der Cafeteria gegenüber der Casa de la Vila in Pals kühlt gut gemachtes Eis in der Nachmittagshitze, während die Mauersegler über den Köpfen zirpend umherschwirren. Es liegt sicherlich an der Nähe Frankreichs und den katalonischen Traditionen, dass Genuss so großgeschrieben wird an der über 220 Kilometer langen, wild zerklüftenden Costa Brava.

Aber vor allem auch an der hohen Qualität der Produkte, die Erde und Meer hervorbringen. Bei einer Weinprobe im Celler Martín Faixò, etwas außerhalb von Cadaqués, einem Olivenöl-Tasting im El Trull Alenyà oder beim Besuch der Fischauktion und Kochschule im Hafen von Palamós kann man sich davon aus erster Hand überzeugen. Genuss, Geschichte, Kunst und Kultur – in Girona läuft all das zusammen. Die gut 100.000 Einwohner zählende Provinzhauptstadt ist immer noch so etwas wie ein unterschätztes Bijou. Was es hier zu entdecken gibt? Römische Bäder aus dem 1. Jahrhundert vor Christi, ein jüdisches Viertel aus dem 9. Jahrhundert, eine mittelalterliche Kathedrale und ein Top-Restaurant, das 1986 seine Türen öffnete und heute noch zu den besten der Welt gehört: El Celler de Can Roca.

 Eine liebenswerte, lebendige Altstadt: Girona am Rio Onyar
 

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Bei den Girona Food Tours führt Pat, eine junge Katalanin, durch die Straßen der Stadt und dorthin, wo es am besten schmeckt: Auf den Markt und zu den Käse- und Schinken-Händlern von Girona, wo es zum Pata Negra Schinken der Schwarzfuß-Schweine einen kräftigen Rotwein gibt. Zum Eistempel der Roca-Brüder, die neben ihrem Gourmetrestaurant auch einen Avantgarde-Eissalon betreiben. Oder in eine Konditorei, in der ein längliches, süßes Etwas serviert wird.

Und zu dem Pat eine hübsche Geschichte auftischt: "Ein Jongleur zog in die Stadt und verliebte sich in die Bäckerstochter. Bei einem Techtelmechtel im Keller zwischen aufgestapelten Mehlsäcken wurden die beiden eines Tages vom Vater aufgeschreckt. Um nicht entdeckt zu werden, bestäubte sich der Liebhaber mit Mehl. Das geriet ihm aber in die Nase, er musste niesen: Hatschi! oder "Choucou", wie die Katalanen sagen." Seitdem trägt dieses Gebäck den Namen "Xuixo" und wird überall an der Costa Brava mit einem Augenzwinkern serviert.

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