Lebendes Museum: Eine Reise nach Al-Ula im unbekannten Saudi Arabien
Ein weißer Fleck auf der Landkarte – mitten im rostroten Wüstensand. Al-Ula hat sich erst 2020 für den Tourismus geöffnet und bietet Luxus für Reisende.
Überblick
von Nicola Afchar-Negad
Eine komplett verspiegelte Konzerthalle umgeben von gewaltigen Sandfelsen. Stahlrohr-Schaukeln in Canyons, die an Petra in Jordanien erinnern. Luxushotels, deren Fackeln vor den Zelten mit den Sternen wetteifern. Wer sich Bilder der Region Al-Ula im Nordwesten des Königreichs Saudi-Arabien ansieht, ist schockverliebt. Wie ist es möglich, dass dieses Reiseziel an einem vorbeigegangen ist?
Ganz einfach. Bis 2019 gab es keine touristischen Visa, Al-Ula, das kulturelle Zentrum des Königreichs, wurde sogar erst im Oktober 2020 freigegeben. Dafür mit einem Paukenschlag. Nichts wurde dem Zufall überlassen, es steckt viel Geld dahinter. Die Royal Commission for Al-Ula verfolgt den Masterplan „Journey Through Time“ – zurück bis in die Bronzezeit – und strebt eine nachhaltige Transformation der Region an. Massentourismus soll es nicht geben. Bis 2035 rechnet man mit zwei Millionen Besuchern pro Jahr, 40 Prozent davon international. Es wurde sogar eigens ein Flughafen dafür geschaffen, der fünftgrößte in Saudi Arabien. Die Voraussetzungen sind bombastisch. Al-Ula wird als „lebendes Museum“ beschrieben, als Open-Air-Babel, als Perle oder Kronjuwel Saudi-Arabiens, als Meisterwerk der Welt sogar. Auf einem Gebiet so groß wie die Lombardei treffen UNESCO-Weltkulturerbe (Ausgrabungsstätte Hegra) und Kunstfestival („Desert X AlUla“) aufeinander. Und die Luxushotellerie schafft Kapazitäten für das, was kommt – ein untrügliches Zeichen für den Aufschwung der Region an der Weihrauchstraße.
Luxus für die Seele
Letzten Herbst hat das vierte „Habitas“ weltweit eröffnet. Ein „Janu“-Standort der Kette „Aman“ ist noch für 2022 angekündigt, ein „Banyan Tree“ für 2023 und ein von Jean Nouvel entworfenes Hotel für 2024. Auffällig: Es sind nicht irgendwelche Global Player, sondern Marken, die sich einem nachhaltigen Konzept verschrieben haben – und dem Luxus für die Seele. Und Nouvel? Der Stararchitekt ist für sein Interesse am Mittleren Osten bekannt. Alle Hotels überschlagen sich geradezu mit poetischen Manifesten. Covid-19 sei Dank sind Rückzug und Abgeschiedenheit nicht mehr das Maß aller Dinge. „Die Pandemie hat die Bedeutung von Verbindungen verstärkt – nicht nur mit geliebten Menschen, sondern auch mit der Natur und dem Reisen“, sagt etwa Roland Fasel, COO der „Aman“-Gruppe auf Anfrage der . Die Hotels – ob nun „Janu“ oder „Habitas“ – bauen auf Gemeinsamkeit und kuratierte Erlebnisse. Bei „Habitas“ spricht man von Ritualen, bei denen „Fremde zu Freunden werden“ und „Freunde zu Familie“.
Die Teezeremonie ist nur ein Beispiel für eines dieser Rituale – und für die Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Hannes Schwarz vom Reiseveranstalter „Mondial“ war diesen Jänner vor Ort und zeigt sich begeistert: „Wenn man Al-Ula mit einem Badeurlaub am Roten Meer kombinieren möchte, sollte man zumindest zwei, drei Nächte einplanen. Die Aktivitäten rund um Al-Ula sind extrem vielfältig. Vom klassischen Offroad mit Jeeps und Quads über historische Führungen bis hin zur gehobenen Kulinarik: alles auf hohem Niveau und gut erreichbar.“ Das Meer, so berichtet Schwarz, sei eigentlich schöner und natürlicher als in den übrigen Emiraten wie Dubai oder Qatar. Nachhaltigkeit, bestätigt der „Managing Director Travel“ ist ein „großes Thema in der Region“. Und ein spannendes – ist doch das Bauen in kargen Wüstenschluchten eine Herausforderung.
Kulturerbe verpflichtet
Vorweg: ganz so karg ist es im Ashar Valley gar nicht. Eine 20 Kilometer lange Oase, gleich einem grünen Teppich, schlängelt sich durch die Landschaft. Dattelpalmen, Zitrusbäume, dazu 80 natürliche Quellen, 23 Säugetier-, 30 Vogel- sowie 31-Reptilienarten prägen Al-Ula. Die „AlUla Sustainability Charter“ schützt das Erbe und ist ambitioniert. Bis 2035 möchte man CO2-frei sein. Heimische Vegetation soll wieder angepflanzt, Tierarten neu angesiedelt werden. Wasser wird wiederverwendet, bei Energie wird auf erneuerbar gesetzt. Solaranlagen liegen nahe, Elektromobilität auch. Und das vielleicht Wichtigste: Es gibt eine Wachstumsgrenze. Aber tut es überhaupt Not in der Wüste zu bauen? Nun ja, Fasel erwähnt, dass mindestens 50 Prozent der Mitarbeiter aus der Region des jeweiligen Hotels stammen. Und die Region Al-Ula soll bis 2035 umgerechnet 27 Milliarden Euro zum saudischen Bruttoinlandsprodukt beitragen.
Die Hotelbetreiber ziehen an einem Strang mit der Kommission. Die Entwürfe fügen sich allesamt nahtlos in die Landschaft ein, die Dächer der „Habitat“-Zelte wirken geradezu wie Tarnkappen. Nouvel setzt sogar auf Höhlenarchitektur und schaut sich das von der Tierwelt ab, die sich vor der brütenden Hitze unter der Erde versteckt. Wasser stammt oft aus dem Meer, Einwegplastik ist ein allgemeines No-Go und bei der Konstruktion zeigt man sich innovativ. Die Strukturen des „Habitat“ stammen etwa aus dem 3D-Drucker und werden vor Ort zusammen gesteckt. „Nachhaltigkeit ist nicht etwas, das wir tun, sondern wer wir sind“ prangt auf der „Habitat“-Webseite.
Über das „Janu“ ist dagegen noch nicht viel bekannt, aber Fasel erklärt den holistischen Ansatz: „Wir glauben an nachhaltige Entwicklung, um eine bessere Welt für künftige Generationen zu hinterlassen. Diese Ideale sind Teil unserer DNA.“
Mit Standorten in UNESCO-Weltkulturstätten hat das Unternehmen mit 22 Resorts in 20 Ländern jedenfalls Erfahrung. Mit Wüstenlocations auch. Das „Amangiri“ in Utah ist seit über einem Jahrzehnt in den Best-of-Listen. 2020 eröffnet die „Aman“-Gruppe on top das „Camp Sakira“ unweit des „Amangiri“.
Egal, ob in Utah, Marokko, Israel oder Saudi-Arabien: Die Wüste übt einen unvergleichlichen Reiz auf die Menschen aus. Der Mangel macht frei – und zieht ähnlich gesinnte Freigeister an. Und von der Kargheit gibt es reichlich. Die Wüste lebt und sie wächst jedes Jahr um die Fläche Bayerns. Diese Desertifikation bietet Platz für weitere Eco-Projekte und eine neue Verbundenheit mit der Erde. Es geht eben nicht immer um alles oder nichts, manchmal geht auch beides.
Reiseziel Saudi-Arabien?
Es ist ein faszinierendes Land, aber kontroverses Reiseziel. Bis 2019 waren nur Pilger- und Geschäftsreisen erlaubt, saudische Frauen dürfen erst seit selbigem Jahr Auto fahren. Alkohol ist verboten, eine illegale Einfuhr kann drastische Konsequenzen haben. Das Königreich möchte wirtschaftlich unabhängiger vom Öl und zu einem touristischen Mekka werden. Organisationen wie Amnesty International kritisieren das Königreich wegen Menschenrechtsverletzungen. Es liegt in der Entscheidung jedes Einzelnen, ob die Region Geheimtipp oder No-Go ist.
Anreise: Der neue Al-Ula International Airport (ULH) erleichtert die Anreise, z. B. mit Lufthansa und „Saudi Arabian Airlines“ über Frankfurt oder mit Emirates über Dubai oder „Qatar Airways“ via Doha. Achtung: die Lufthansa hat kein bilaterales Abkommen mit Saudia, man muss das Gepäck in Frankfurt neu einchecken. Von Dubai aus geht seit kurzem flynas. Inlandsflüge (z. B. von Riyadh) bieten Saudia und flynas an. Auch ein Mietauto ist eine Option. Von Medina nach Al-Ula braucht es drei Stunden. Bitte während der gesamten Reise die saudischen Gepflogenheiten in Sachen Kleidung beachten.
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