Der „Pinzgauer Dom“ entstand nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach

111 der geheimnisvollsten Orte im Salzburger Pinzgau

Der Pinzgau steckt voller Geschichten und geheimnisvoller Orte. 111 davon hat der Autor Alexander Peer zu Buche gebracht.

Buchtipp

Alexander Peer: 111 Orte im Pinzgau, die man gesehen haben muss. Emons Verlag, 18,60 Euro 

„Der Begriff Heimat ist so strapaziert, dass er sich ausruhen muss. Im Pinzgau gelingt das sogar einem gestressten Wort. Heimat setzt intakte Natur voraus. Dafür stehen Murmeltier, Bartgeier und Co. Wenn es eine Binsenweisheit ist, dass das Glück in der Natur zu finden ist, dann ist es uns im Pinzgau auf den Fersen. Wir dürfen nur nicht zu schnell laufen. Folgen Sie uns langsam.“ Schon in seinem Vorwort spricht Autor Alexander Peer zwei typische Attribute des größten Salzburger Gaus an. Intakte Natur und Entschleunigung,  obwohl es auch im Pinzgau manchmal   hektisch ist.

Sentimentale Reise 

„111 Orte im Pinzgau, die man gesehen haben muss“ heißt das Buch, das sich den Schönheiten des Bezirks Zell am See, so der politische Name des Pinzgaus, widmet. Als gebürtiger Pinzgauer war ich bei der Lektüre natürlich selbst gespannt, was der Autor da alles aus seiner Trickkiste zaubert. Das Buch war eine Reise durch meine Kindheit, durch meine Schulzeit, quasi durch mein ganzes Leben. 

Viele Orte und Geschichten kenne ich selber, habe sogar einen persönlichen Bezug dazu, aber es gab auch Orte und Geschichten, von denen ich zum ersten Mal gehört habe. Wie zum Beispiel die Geschichte vom Spiegel im Bräurup, gewissermaßen auch ein Spiegel für die Pinzgauer Seele per se. 

Eine von 1.200, teilweise sehr schrägen, Votivbildern in Maria Kirchental

©alexander peer

Das Hotel Bräurup in Mittersill ist schon seit dem 19. Jahrhundert eine Institution. Rupert Schwaiger, der Ur-Ur-Ur-Großvater des heutigen Betreibers, kaufte die Brauerei 1823 und führte sie dank seines vorzüglichen Bieres zu neuer Größe. Bald kannte man die Brauerei im Pinzgau sowie deren Brauer Rupert, aus deren Namen schnell das Bräurup wurde. Doch zurück zum Spiegel. Ruperts Sohn Joseph übernahm 1868 mit seiner Frau Maria das Gasthaus, zu dem neben der Brauerei auch eine Landwirtschaft, ein Sägewerk, eine Mühle und das bis heute größte zusammenhängende privat betriebene Fischwasser in ganz Österreich gehören. Doch Joseph verstarb früh und so musste die resolute Bäurupin den Betrieb selbst weiterführen. Und sie brachte es zu Reichtum und Anerkennung, blieb aber nach außen stets bescheiden. Als sie einmal in der einfachen Pinzgauer

Tracht im noblen Wien flanierte, wurde sie vom Verkäufer eines Antiquitätengeschäfts am Graben schlichtweg ignoriert, als sie ihn nach dem Preis für einen Spiegel fragte.  Das erzürnte sie derart, dass sie den Spiegel mit ihrem Stock zerschlug und rief: „Hiatz wirst ma wohl  sog’n, wos der  Spiagl kost!“ Die Bräurupin kaufte den Spiegel, ließ ihn reparieren und er hängt noch heute im Restaurant des Hotels.

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Der Spiegel im Bräurup ist ein Andenken an die resolute Ex-Chefin Maria Schwaiger

©christine pv

Leidenschaft seit der Kindheit

Doch wie kommt ein gebürtiger Stadt-Salzburger, ein „Stodinger“, wie wir Pinzgauer sagen, dazu, ein Buch über den Pinzgau zu schreiben? „Seit meiner Kindheit bin ich regelmäßig im Pinzgau. Mein Opa war ein leidenschaftlicher Wanderer. Ich habe an seiner Seite eigentlich vor fast 50 Jahren mit der Recherche fürs Buch begonnen. Später hat mein Stiefvater in Zell am See eine Wohnung erworben und seitdem  bin ich jährlich – meist über mehrere Wochen – dort. Irgendwann habe ich begonnen, mich für die Geschichten unter der Oberfläche zu interessieren, die Steine umgedreht, um herauszufinden, was sich darunter verbirgt und bin auf viele spannende Details gestoßen“, sagt Peer. Das Buch sei auch ein Familienprojekt. „Meine Mutter Christine Peer-Valenta ist seit Jahrzehnten begeisterte Fotografin und sie kennt viele Menschen im Pinzgau – sie hat etwa auf Schloss Kammer geheiratet. Mit ihr gemeinsam habe ich dieses umfangreiche und oft auch erschöpfende Projekt gestemmt.“ 

In Hinterthal hat man gute Chancen, eine Murmeltier-Kolonie aus der Nähe zu betrachten

©christine pv

Die mächtige Burg Kaprun, mit ihrem 7-stöckigen Turm, quasi das erste Hochhaus des Pinzgaus

©Oliver Scheiber

Wie ist Alexander Peer auf all diese Geschichten und Orte gestoßen? „Durch viele, viele Gespräche mit über 100 Pinzgauerinnen und Pinzgauern und solchen wie mir – die dem Land verbunden sind – sowie einem ausufernden Studium der Landesgeschichte. Geschichte und gute Geschichten gehören zu meinem Lebenselixier. Meist hat mich ein Gespräch gleich mit drei, vier weiteren möglichen Themen konfrontiert.  Es sollten Fauna und Flora, Kunst wie Literatur, Musik wie Architektur, Technik wie Brauchtum und schließlich Geschichte wie Politik einen Platz finden. Mir gefällt das Etikett Reiseführer nicht, es ist ein kulturhistorisches, kurzweiliges Buch mit vielen tollen Ausflugszielen!“ 

Der „Pinzgauer Dom“

Ein solches ist zum Beispiel die Wallfahrtskirche Maria Kirchental in St. Martin bei Lofer, für mich persönlich einer der schönsten Kraftorte im Pinzgau. Als im 17. Jahrhundert die Kirche in St. Martin renoviert wurde, brachte der Bauer Rupert Schmuck ein spätgotisches Gnadenbild mit Madonna und Jesuskind in die kleine Waldkapelle im abgelegene Hochtal. Immer öfter kamen in der Folge Menschen herauf, um in dieser unvergleichlichen Naturarena mit hoch aufragenden Kalksteinfelsen und magischen Wäldern zu beten. Gerüchte von Heilungen entstanden. Zum Dank für die Genesungen ließ man Bilder malen. Beeindruckt von den vielen Gebetserhörungen, die zu dieser Zeit bereits von einer großen Zahl von Votivtafeln bezeugt wurden, entschloss sich der damalige Fürsterzbischof Johannes Graf von Thun eine Wallfahrtskirche zu bauen. 

Dankbarkeit einer Kaiserin für Pinzgauer  Gastfreundschaft: der rubinrote Glaspokal in Unken

©Christine pv

Die Planung der Kirche übertrug er dem kaiserlichen Hofarchitekten Johann Bernhard Fischer von Erlach. Unter der Leitung des Baumeisters Stefan Millinger, geboren in St. Martin, erbauten einheimische Handwerker und Hilfskräfte in nur sieben Jahren, von 1694 bis 1701, den „Pinzgauer Dom“. Heute stellen 1.200 restaurierte Votivtafeln den Schatz von Maria Kirchental dar – die größte gewachsene Sammlung Österreichs.

Und was sind die Lieblingsorte und Geschichten des Autors?  „Eine einzelne Geschichte so hervorzuheben, wäre unfair den anderen gegenüber“, sagt Peer.  „Aber es sind die auf den ersten Blick  unscheinbaren Orte wie das Kirchenklo in Aufhausen, historische Orte wie Bad Fusch oder einfach nur der Blick von der Schwalbenwand auf den  Zeller See und den vielen 3.000ern als Panorama.“    

Lexikon: P wie Pinzgau

Das Wort ist von der mittelalterlichen Bezeichnung Bisonta abgeleitet, die wiederum auf den Keltenstamm der Ambisonten hinweist. Der Pinzgau oder Bezirk Zell am See ist ein Bezirk im Südwesten Salzburgs und  mit 2.641 Quadratkilometern flächenmäßig der größte  der fünf Gaue. Heute leben  ca. 87.000 Menschen in der Region.

Oliver Scheiber

Über Oliver Scheiber

Geboren im Salzburger Pinzgau hat es mich zwecks Studium nach Wien verschlagen. Seit 2004 beim Kurier, zuerst in der Chronik als Producer und Gerichtsberichterstatter tätig, später Chef vom Dienst. Seit 2016 im Ressort Thema, seit September 2020 Ressortleiter.

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