Film

Interview mit Mads Mikkelsen: "Was für Idioten"

Der dänische Schauspieler über seine Rolle als Berufssoldat in der schwarzen Komödie „Helden der Wahrscheinlichkeit“.

Man muss schon zweimal hinschauen, um Mads Mikkelsen zu erkennen.

Anstelle der weichen Lover-Locke, die ihm gerne das Gesicht verdunkelt, trägt er kahlrasierte Kopfhaut und einen grau melierten Rauschebart. Der ansonsten so schöne Däne sieht aus wie ein radikalisierter Söldner – was übrigens durchaus zu seiner Rolle als emotionsgestörter Berufssoldat passt, die er in „Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders of Justice“ (derzeit im Kino) gerade spielt.

In der schwarzhumorigen Actionkomödie des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen muss Mads Mikkelsen als schweigsamer Söldner Markus Hansen mit dem Tod seiner Frau umgehen, die während eines Zugunglücks ums Leben kam. Ein Mathematiker (Nikolaj Lie Kaas) taucht bei ihm auf und behauptet, bei dem Unglück hätte es sich um ein Attentat gehandelt.

Ein Gespräch mit Mads Mikkelsen über falsche Bärte, extreme Rollen und dänischen Humor.

Sie sind mit Ihrer ungewohnten Gesichtsbehaarung kaum wiederzuerkennen. Ist der Bart echt? Und beeinflusst er Ihr Spiel?

Mads Mikkelsen: Oh ja, der ist echt. Ich habe es in früheren Filmen des Öfteren mit falschen Bärten versucht, aber die sind einfach zu nervig. Ich hatte dauernd Angst, sie würden mir von der Lippe rutschen, sobald ich zu sprechen beginne. Also ja, der Bart ist echt. Und ja, er beeinflusst mein Spiel, indem er mein Selbstvertrauen stärkt.

 

Es ist einfacher, mit diesem Look so zu tun, als könnte man einen ganzen Raum voller Menschen killen, als wenn man aussehen würde wie ein Mitglied der Beatles. Aber sogar für einen Berufssoldaten sieht er ziemlich extrem aus.

Mads Mikkelsen (rechts) auf Rachetrip: "Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders of Justice“

©Luna Filmverleih
Apropos extrem: Suchen Sie nach Rollen, in denen Sie an Ihre Grenzen gehen können?

Nö, eigentlich nicht. Ich hatte schon ziemlich ausgefallene Rollenangebote, aber die haben mir einfach nicht gefallen. Wenn ich gerne an meine Grenzen gegangen wäre, hätte ich mich nackt ausgezogen und den Mount Everest bestiegen. Aber für mich ist es wichtig, dass ich an die Geschichte glaube, die erzählt wird und dass die Chemie mit dem Regisseur oder der Regisseurin stimmt. Wenn sie mich von etwas überzeugen können, dann bin ich voll dabei.

Sie haben bis jetzt in jedem Film von Regisseur Anders Thomas Jensen mitgemacht. Hier spielen Sie „nur“ einen „normalen“ Rächer.

Naja, sonderlich normal kommt mir meine Figur nicht vor. Eher schon abnormal. Er ist völlig unfähig, zu kommunizieren, weder mit seiner Tochter noch mit sich selbst. Er ist einer von den Typen, die glauben, immer der stärkste Mann im Raum sein zu müssen. Das reicht wahrscheinlich bis seinem Vater zurück, aber auf jeden Fall bis zur Armee. Alle anderen können sich nach dem Unglück ihrer Trauer hingeben, nur er muss stark bleiben. Das ist seine Stärke, aber auch seine größte Schwäche.

Ihre Figur verweigert jede Form der Therapie. Können Sie das nachvollziehen?

Ich arbeite in einem Beruf, wo ich mich andauernd meinen Gefühlen auseinandersetzen muss. Und das ist schon sehr anders als in meinem normalen Leben. Vielleicht ist das ja auch eine Form von Therapie. Es gibt Eigenschaften, die ich bei ihm wiedererkenne. Ich mache mir die Dinge auch lieber mit mir alleine aus und rede nicht gerne über meine Gefühle. Aber er ist ein extremer Fall.

Wenn Nerds zu Actionhelden werden: "Helden der Wahrscheinlichkeit – Riders of Justice"

©Rolf konow/Luna Filmverleih
Sie spielen den Mann mit dem wenigsten Humor in einer schwarzen Komödie. War das schwierig?

Das stimmt, bei Anders Thomas Jensen hatte meist ich die Rolle des Übergeschnappten. Manchmal musste ich echt aufpassen, um nicht herauszuplatzen vor lachen. Andererseits spiele ich ja diesen traumatisierten Mann, also war es auch wieder leicht, ernst zu bleiben. Ich habe mir meine Filmkollegen angeschaut, wie wenn ich das Kinopublikum wäre, und mir gedacht: Was für Idioten. Ich brauche sie, um meine Mission zu erfüllen.

Regisseur Anders Thomas Jensen behauptet, die Dänen hätten einen seltsamen, gewöhnungsbedürftigen Humor. Sehen Sie das auch so?

Auf jeden Fall. Natürlich findet man auch anderswo wie in Australien oder Schottland schrägen Humor. Aber wir Dänen fühlen uns von den Tabus, von dem Verbotenen angezogen. Wenn es über etwas heißt, das darf man nicht sagen oder tun, dann tun wir es extra. Dabei geht es nicht darum, jemanden zu provozieren. Wir sehen einfach die Absurdität in Dingen, die in anderen Kulturen ein „No go“ darstellen.

Mads Mikkelsen

Karriere

Der dänische Schauspieler wurde  1965 in Kopenhagen geboren und spielt seit Mitte der 90er Jahre in mehr als 50 Film- und Fernsehproduktionen mit. Er arbeitet acht Jahre lang als professioneller Tänzer, ehe er ins Schauspielfach wechselte.

Filme

Mads Mikkelsen, der in Dänemark als Mann mit dem meisten Sex-Appeal gefeiert wurde, spielte u.a. in Filmen von Regisseuren wie Anders Thomas Jensen („Blinkende Lichter“) , Susanne Bier („Open Hearts“) und Thomas Vinterberg („Der Rausch“). In „Casino Royale“ spielte er den Bond-Gegner.

Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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