Greta Gerwig bei der Filmpremiere "L'Amour ouf"

Bügeleisen adé: Wieso Designer jetzt auf Falten setzen

Vor allem das Modelabel Balenciaga ließ am roten Teppich zuletzt mit interessanten Designs aufwarten. Eine Hose von Zara stieß auf Unverständnis. Den Österreichern dürfte es dennoch gefallen.

Als Regisseurin und Festspiel-Jurorin Greta Gerwig in Cannes zur Filmpremiere von "L’amour Ouf" den roten Teppich betrat, zog sie mit ihrem Kleid alle Blicke auf sich. Nicht nur, weil die weite Robe in weichem Pink erstrahlte und damit an die Magie des Barbie-Films anknüpfte (bei dem Gerwig Regie geführt hatte). Sondern auch wegen des Stoffs. Denn ihr gesamtes, asymmetrisches, herrlich bauschiges Kleid von Balenciaga, von der schmalen Schulterpartie bis zur kurzen Schärpe war – komplett zerknittert. 

Doch, bemerkte Guardians Mode-Redakteurin Chloe Mac Donnell, auch wenn die Filmfestspiele in Cannes der "Gipfel des Glamours" darstellen, bräuchte man keine Sorge haben, dass jemand wegen der Falten seinen Job verlieren würden. Sie waren nicht unabsichtlich in der Limousine auf dem Weg zum Grand Théatre Lumiere entstanden. Sie waren gewollt. 

Denn Falten sind in. 

Cannes kann Falten

Greta Gerwig war dann auch nicht die einzige, die in Cannes den Knitterlook präsentierte. Diane Kruger führte bei der Gala der American Foundation etwa ein limonengrünes Knitter-Kleid von Prada aus. 

Diane Kruger bei der amfar-Gala im Prada-Kleid

©REUTERS/Clodagh Kilcoyne

Ein wenig subtiler waren die Falten an Emma Stones metallisch-glänzender Maßanfertigung von Louis Vuitton vordergründig am Unterrock; das Design von Cate Blanchett - ebenfalls eine Maßanfertigung von Louis Vuitton - wies wiederum Raffungen und Falten am Oberkörper auf. 

Und bereits bei der Met Gala Anfang Mai hatte Schauspielerin Michelle Yeoh ein silbernes Outfit präsentiert, das ein wenig an die Aluminium-Kleider erinnert, die man sich auf Schullandwochen an Regentagen bastelt.

Michelle Yeoh bei deer MET-Gala

©APA/AFP/ANGELA WEISS

Von außer- bis ungewöhnlich

Michelle Yeohs Kleid stammte, ebenso wie Greta Gerwigs Robe, von Balenciaga.  Und beide Kleidern zusammen – die Farbe von Michelle Yeohs und der Schnitt von Greta Gerwigs – erinnern an jenes aufsehenserregende Design, mit dem Nicole Kidman im Herbst 2022 ihre Premiere am Laufsteg der Luxusmarke hatte: ein drapiertes, silbernes Kleid mit nur einer Schulterpartie, abgerundet mit eleganten, schwarzen Abendhandschuhen, die bis weit auf den Oberarm reichten. 160 Stunden war das Team laut W Magazine daran gesessen.

"Ich wollte", sagte Balenciagas Kreativ-Direktor  Demna Gvasalia vor einigen Jahren zur Vogue, "nicht der Typ sein, der nur Kaputzenpullis und zerrissene Jeans macht."

Demna Gvasalia, Kreativdirektor von Balenciaga

©APA/AFP/GEOFFROY VAN DER HASSELT

Er wollte das Gewöhnliche außergewöhnlich machen – und hat in den jüngsten Jahren doch vor allem mit ungewöhnlichen Modellen etabliert – als Unterbrecher, als Störer der Mode. 

Mist wird Mode

Bei der Präsentation seiner Winterkollektion 2022 lief ein Model mit schwarzer anliegender Sonnenbrille, zurück gegelten Haaren und einer zerknitterten Tasche in unechtem Schneegestöber über den Laufsteg. Die große, schwarze Beuteltasche erinnerte dabei nicht nur an einen Müllbeutel, sie hieß auch "Trash Bag". "Ich habe 40 davon unter meiner Abwasch", kommentierte ein Instragam-Nutzer damals. "Wer das kauft, gehört rausgeschmissen", meinte ein anderer. Die Tasche wird heute in Schwarz oder Weiß (dann mit rotem Schnur-Henkel) um 1.700 Euro verkauft.

Doch nicht nur High Fashion, auch High-Street-Fashion irritiert ihre Kunden aktuell mit faltigen Stücken.

Die zerknitterte Jeans

"Was ist das, Zara?", fragten TikTok-Nutzer im Februar und hielten eine Jeans in die Höhe, die so zerknittert, als wäre sie zu lange im hintersten Eck des Kleiderschranks gelegen. 

Papiersackerl von Zara

©REUTERS/Vincent West

"Das eine Papier in meinem Rucksack", zitierte die New York Post einen TikTok-Nutzer. "Irgendein Praktikant bei Zara versucht, daraus einen Trend zu machen, damit er nie wieder Wäsche zusammenlegen muss", meinte ein anderer. Und ein weiterer sah Zara bereits als Balenciaga-Lookalike. 

Doch trotz der hämischen Rufe waren zwei Größen der Jeans im Februar ausverkauft. 

Bügelmufffel

Die Marken haben es also wohl auf die Aufregung abgesehen: Angesprochen auf seine Müll-Tasche, meinte Kreativ-Direktor Gvasalia: "Ich konnte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den teuersten Müllsack der Welt herzustellen. Wer liebt nicht einen Modeskandal?"

In jedem Fall dürfte der aufsehenerregende faltige Trend doch im Sinne der Österreicher sein: In einer aktuellen Haushaltsstudie landete das Bügeln nach Fenster putzen auf Platz zwei der unbeliebtesten Tätigkeiten. Und eine Studie aus Großbritannien hat unlängst sogar ergeben, dass ein Drittel der 18- bis 34-Jährigen überhaupt kein Bügeleisen mehr besitzt. 

Anna-Maria Bauer

Über Anna-Maria Bauer

Wienerin und Weltenbummlerin. Leseratte und leidenschaftliche Kinogeherin. Nach Zwischenstopps in London und als Lehrerin in der Wien-Chronik angekommen. Interessiert an Menschen, die bewegen, begeistern oder entsetzen; an ungewöhnlichen Ideen und interessanten Unmöglichkeiten. "Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts ist phantasievoller als die Sachlichkeit." Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter.

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