Diese berühmten Autoren schrieben anonyme Sex-Romane
Anne Rice hat uns weit mehr hinterlassen, als ihre Vampir-Interviews: Über pornografische Literatur zwischen Dornröschen, Bambi und Bordellen.
Vom Prinzen wachgeküsst? Von wegen! Der Traum jeder Prinzessin wird von Schriftstellerin Anne Rice genüsslich demoliert. Kein keuscher Kuss weckt die schöne junge Frau, sondern harter Sex ist es, der „Sleeping Beauty“ ins hier und jetzt zurückholt.
Und wie das aussieht, hätten sich die Gebrüder Grimm wohl auch nicht vorstellen können. Obwohl die ja selbst nicht gerade zimperlich waren, wenn’s ums Angeblichehexenbestrafen und Stiefmuttershaming ging. Alte Frauen verbrennen: Ja. Aber Sex? Jössas!
Egal, die Welt, die Anne Rice für ihre Dornröschen-Trilogie entworfen hat, besteht aus real existierenden BDSM-Fantasien, gegen die sich „50 Shades Of Grey“ wie eine Backfischromanze liest. Dominanz und Unterwerfung, Pony-Play, Fesseln, Peitschen und alle nur erdenklichen Werkzeuge – you name it! Wieso die gefeierte Autorin von „Interview mit einem Vampier“ das gemacht hat? „Ich wollte ein Buch schreiben, bei dem man die Seiten mit den heißen Stellen nicht extra markieren muss“, meinte sie in einem Interview dazu.
Anne Rice als Dominatrix?
Um ein derart provokantes Buch herausbringen zu können, benutzte Anne Rice allerdings ein Pseudonym: A.N. Roquelaure. Unter einem weiteren Alias, nämlich Anne Rampling schrieb sie noch zwei erotische Bestseller. Einer davon, „Exit To Eden“, ebenso BDSM-lastig wie ihr „Dornröschen“, wurde 1994 sogar verfilmt. Allerdings ausgesprochen patschert, mit Dan Aykroyd (von allen!) in einer Hauptrolle.
Als bekannt wurde, dass die berühmte Anne Rice die Bücher geschrieben hat, die in vielen Ländern – inklusive Deutschland – indiziert wurden, vermuteten Fans eine SM-Dominatrix hinter der zarten Schriftstellerin. Ihr Mann, der Lyriker Stan Rice erwiderte darauf: „Sie ist ebenso wenig eine Dominatrix wie ein Vampir. Sie ist Schriftstellerin.“ Er muss es ja wissen…
Bambi & Bordelle
Aber nicht nur die letzte Woche verstorbene Anne Rice hat Bücher geschrieben, die das wohlgesittete Bürgertum und vor allem Eltern generationenlang "im Giftschrank" aufbewahrt haben, um den guten Ruf und die Kinder zu schützen.
Apropos Kinder: Alle lieben Bambi. Das süße, großäugige - ähm, ja was eigentlich, Rehkitz? Hirschkalb?
Wie auch immer, Jahre vor Bambi schrieb Autor Felix Salten jedenfalls ein Werk, das man ganz schnell unter der Bettdecke verschwinden ließ, wenn die süßen Kleinen überraschend auftauchten: "Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt."
Genau, angeblich ist die Autorin die Mutzenbacher selbst, Arthur Schnitzler wurde früh für den Autor gehalten, der dementierte aber vehement. Karl Kraus und Egon Friedell tippten schließlich - richtigerweise - auf Salten. Der dementierte nicht. Sowohl "Bambi" als auch die "Mutzenbacher" wurden mehrfach verfilmt und gelten als Klassiker.
Jedes Werk in seinem Genre eben... Übrigens ist auch Felix Salten ein Pseudonym: Der Altösterreicher wurde 1869 in Pest als Zsiga Salzmann geboren.
Die "O"
Ähnlich wie Salten war auch die Französin Anne Cecile Desclos als Schreiberin praktisch ausschließlich unter einem Pseudonym bekannt: Dominique Aury. Sie studierte an der Sorbonne und wurde dann, wie es sich für das frühe 20. Jahrhundert gehört, Verlagssekretärin einer Literaturzeitschrift. In 25 Jahren arbeitete sie sich dennoch bis zur Chefredakteurin hoch.
Desclos/Aury schrieb viel diskutierte Artikel und Kritiken und war eine renommierte Übersetzerin für englische Literatur. Eine Bemerkung ihres Liebhabers Jean Paulhan, ebenfalls Publizist, veranlasste sie schließlich, in den frühen 1950ern ihren ersten und einzigen Roman zu schreiben: Frauen könnten keine erotischen Geschichten erzählen, meinte Paulhan, der sich auch mit der Neuentdeckung de Sades einen Namen gemacht hatte. Desclos antwortete mit dem wahrscheinlich bekanntesten Buch der BDSM-Geschichte: "Die Geschichte der O."
Geschrieben hat sie den Roman als Pauline Reage, erschienen ist das Werk 1954. Erst 1994 wurde das Geheimnis, wer hinter dem Roman steckt, gelüftet. Lange wurde sogar vermutet, dass es Jean Paulhan, also der Auslöser für ihr literarisches Schaffen, sein müsse...
Keine Frau kann das?
"Das kann keine Frau geschrieben haben", ist ein Argument, das immer wieder auftaucht, wenn es um erotische Werke geht. Ab den 1960ern sorgte eine Romanreihe für Aufsehen und feuchte Hände, in der jedes Buch mit dem selben Frauennamen beginnt. "Emmanuelle". Sie beschrieben die sexuelle Selbstfindung einer reichen jungen Französin und waren in etwa auf dem Niveau von "50 Shades of Grey".
In den 1970ern wurden sie mit Sylvia Kristel in der Titelrolle verfilmt, die seither das "Gesicht" der ominösen Emmanuelle ist. Geschrieben wurden die Romane angeblich von einer gewissen Emmanuelle Arsan, was herrlich prickelnd auf Persönliches, Autobiografisches schließen ließ. Hinter diesem Namen steckte allerdings die französisch-thailändische Diplomatengattin Marayat Rollet-Andriane.
Sie schrieb jede Menge weitere - meist erotische - Romane, führte bei der Verfilmung von "Laura" 1975 auch selbst Regie und spielte darin eine Rolle - dennoch wurde nach ihrem Tod 2006 ihre Autorenschaft in Frage gestellt. Ihr Mann, der UNESCO-Diplomat Louis-Jacques Rollet-Andriane müsse die Bücher geschrieben haben. Warum? Weil eine Frau SOWAS einfach nicht kann...
Zumindest mit diesem Vorurteil hat Erika Leonard durch ihre "Shades" wohl hoffentlich aufgeräumt. Wobei: Auch sie verwendete ein Pseudonym, bei dem man zuerst einmal eigentlich an einen Man denken könnte: E.L. James. Ist es wirklich so, dass seit Emily Bronte 1847 ihren einzigen - und als schrecklich unmoralisch geltenden - Roman "Wuthering Heights" unter dem Männernamen Ellis Bell veröffentlichte, so wenig geändert hat?
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