Frau und Mann beim Geschlechtsverkehr

Sex und Macht: Warum Einflussreiche eher fremdgehen

Macht verändert Beziehungen – und die Lust auf Neues. Wer sich dem Partner überlegen fühlt, blickt eher nach Alternativen. Eine neue Studie zeigt, warum Aufstieg und Einfluss das Risiko für Untreue erhöhen.

Susanna war immer treu. Paul ebenso. Dachten sie zumindest. Bis zur Beförderung. Es begann harmlos. Ein neues Projekt, Applaus von „ganz oben“ – und auf einmal fühlte man sich gut. Zu gut. Und leider auch ein bisschen besser als jener Mensch, der zuhause gerade in denselben Jogginghosen den Geschirrspüler ausräumte. Irgendwann dann diese vielen Events und Einladungen. Die Blicke. Dieses besondere Selbstgefühl, das mit jedem Schritt in den neuen Designerschuhen und Maßanzügen wuchs. Aber nein: Es handelte sich nicht um eine Midlife-Crisis, sondern um einen Machtmoment. Eine Geschichte, fast so alt wie die Menschheit: Je überlegener und mächtiger sich eine Person fühlt, desto empfänglicher wird sie für Versuchungen. Das trotz fixer Partnerschaft oder Ehe und egal, ob weiblich oder männlich, wie eine neue Studie zeigt. Nein: Nicht, weil sie oder er ein schlechter Mensch ist, sondern weil Macht sexy macht. Und mitunter auch gefährlich und manipulativ, wie diverse Sex-Skandale rund um (vorwiegend männliche) Stars, Manager und Politiker beweisen.

Wer sich plötzlich „besser“ fühlt als der Partner, entwickelt eher Begehren und sucht den Reiz des Neuen. Und dann geht es plötzlich nicht mehr nur um Liebe und Zusammenhalt, sondern um Aufstiegschancen im Bett.

Willkommen in der Psychodynamik der Beziehungsmacht. Macht bedeutet oft: Reichtum, Ansehen, Erfolg und daher auch leichteren Zugang zu anderen Sexualpartnern. Neue Studien zeigen außerdem: Wer sich im Paargefüge als „oben“ erlebt – klüger, schöner, beliebter, unabhängiger – denkt häufiger an Alternativen. Nicht an offene Gespräche oder eine Paartherapie. Sondern an das verführerische Spiel mit anderen. Aber: Es ist nicht nur die Macht an sich, die sexy macht, sondern das Gefühl, dem anderen überlegen zu sein. Dieser kleine Satz, der sich heimlich in den Kopf schleicht: „Hey, ich könnte Besseres haben.“ Und zack – wird aus Beziehungspflege eine Beziehungsprüfung.

Im Job aufsteigen - in der Beziehung aus

Forscher zeigen also: Wer in einer Beziehung das Gefühl hat, „mehr wert“ zu sein als der andere – beruflich, sozial, körperlich – entwickelt mit der Zeit eher Lust auf weitere Attraktionen. Nicht, weil Macht korrumpiert, sondern weil sie das innere Mantra stärkt, diverse Optionen ausprobieren zu können. Das Blöde daran: Viele merken gar nicht, wie ungleich das Beziehungsgefüge geworden ist. Weil es sich eben nicht anfühlt wie Arroganz, sondern wie „gesunde Entwicklung“. Wie Reifung. Oder die viel gepriesene „Authentizität“. Und so kommt es, dass Menschen im Job aufsteigen – und in ihrer Beziehung aus. Vielleicht nicht, weil sie die schlechteren Partner sind oder das Lieben komplett verlernt haben. Vielmehr haben sie irgendwann angefangen, zu glauben, dass Liebe ein Bewerbungsgespräch ist. Und sie plötzlich der bessere Kandidat sind mit ganz vielen möglichen „Matches“ auf dem Liebesmarkt.

Macht in Beziehungen kann also vieles verändern. Wer sich plötzlich „besser“ fühlt als der Partner, entwickelt eher Begehren und sucht den Reiz des Neuen. Und dann geht es plötzlich nicht mehr nur um Liebe und Zusammenhalt, sondern um Aufstiegschancen im Bett. Frei nach dem Motto: Selbstverwirklichung first, Rücksicht später. Oder nie. Noch tückischer wird’s, wenn sich der andere (weniger mächtige Partner) tatsächlich unterlegen fühlt oder gar minderwertig – nicht nur wegen des daraus entstehenden Machtgefälles, sondern wegen der fatalen Auswirkung auf die Erotik des Miteinanders. 

Vielleicht wäre es also klug, ab und zu den internen „Beziehungscheck“ zu machen: Fühle ich mich meinem Partner wirklich verbunden – oder überlegen? Und wenn ich denke, ich hätte „Besseres verdient“ – bin ich dann in der falschen Beziehung? Oder einfach nur überfällig für ein bisschen Demut?

Buchtipp.

Online-Dating ist ein Massenphänomen, aber mit hohem Frustpotenzial.  Im neuen Buch „Die Online-Dating-Falle“ (Plassen, € 20,95) wirft Thomas Köhler, Unternehmensberater, einen Blick hinter die Kulissen dieses Marktes. Er zeigt die Systemfehler der Netz-Partnersuche und sagt: „Diese Apps sind nicht darauf ausgelegt, dass Menschen tatsächlich einen Partner finden. Und genau das ist ihr Geschäftsmodell.“ 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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