Dick Pics: Warum Männer sie verschicken und bald dafür bestraft werden

Warum ein Mann denkt, ein Foto seines besten Stücks könnte Begeisterung auslösen, ist gut erforscht und trotzdem schwer zu fassen. Bald gibt es ein Gesetz dazu.

Neulich flatterte er wieder ins Postfach. Also nicht der Steuerbescheid. Auch kein amikales Na, alles gut bei dir? – sondern: ein Penis. Nahaufnahme. Verschwommen, ungefragt. Und so, als wär’s ein Katzenfoto. Nur dass halt niemand Aaawww, wie süß sagt, sondern eher: Wie kann ich das Internet anzünden?

Ein „Dick Pic“, auch gerne als Amuse-Gueule auf Dating-Plattformen verschickt, um den Erwartungsdruck und die Erregung zu boosten. Und da wären ja noch jene, die über AirDrop in Zügen oder Cafés anonym fremde iPhones beglücken. Digitales Flashing – keine Kontaktaufnahme, nur Kontrollverlust mit Netzabdeckung.

Da fragt man sich schon, irgendwo zwischen Empörung, Ekel und (dezentem) Amüsement: Was genau soll das eigentlich werden? Ein Flirtversuch? Eine Bedrohung? Ein Bewerbungsschreiben für einen Job als menschliche PowerPoint-Präsentation?

Man stelle sich nur vor: Irgendwann, im vergangenen Jahrhundert, als es nur ein Netz mit Vierteltelefonen gab, hätte ein Mann nach einem Rendezvous ein Polaroid seines besten Stücks in ein Kuvert gesteckt, zur Post getragen und dazu geschrieben: Ich will dich näher kennenlernen. Gruß und Kuss, dein Julius. Oder, noch „charmanter“: beim zweiten Date ein Foto seines Penis neben den Brotkorb gelegt – als männliche Visitenkarte mit direktem Körperbezug.

Der Penis als Glücksrad. Denn manchmal trifft man halt eine, die das geil findet und auch Fotos verschickt. Kick und Kontrolle sind ebenfalls maßgeblich: Das Adrenalin fließt, speziell wenn die Bilder live aufgenommen und quasi „instant“ verschickt werden. Das soll Nähe suggerieren, aber auch Macht und Männlichkeit demonstrieren. 

Aber warum kommen Männer überhaupt auf so eine seltsame Idee? Der Guardian hat das 2019 schön aufgeschlüsselt. Die Journalistin Moya Sarner fragte sich nach einem absurden Fall – ein Mann hatte nach wochenlangem Literatur-Smalltalk über „The Great Gatsby“ plötzlich sein bestes Stück verschickt –, was da im männlichen Gehirn zwischen „Kaffee-Date an der Themse“ und „Hallo, hier mein Penis“ passiert. 

Nun, oft geht es um die Suche nach Bestätigung. So ein Typ will vielleicht gerne hören, welch mächtig Ding er hat und dass er „in Ordnung ist“. Wow, du toller Hecht. Weiters kann es sich um eine Form des Auslotens handeln, wenn die Chat-Konversation auf lahmer wird und nach Zuspitzung schreit. Ungefragte digitale Eskalation also, aber verbunden mit der Hoffnung: Da geht vielleicht mehr. Der Penis als Glücksrad. Denn manchmal trifft man halt eine, die das geil findet und auch Fotos verschickt. Kick und Kontrolle sind ebenfalls maßgeblich: Das Adrenalin fließt, speziell wenn die Bilder live aufgenommen und quasi „instant“ verschickt werden. Das soll Nähe suggerieren, aber auch Macht und Männlichkeit demonstrieren. In einem Interview mit dem Spiegel sagte die Sozialpsychologin Barbara Krahé folgendes zum Thema: „Der Penis, die eigene sexuelle Potenz, gilt traditionell als der absolute Inbegriff der Männlichkeit. Männer, die meinen, Bilder von ihrem Geschlechtsteil versenden zu müssen, haben ein Problem mit ihrer Männlichkeit. Sie wollen sich selbst vergewissern, wie männlich sie sind und es dann gegenüber Frauen unter Beweis stellen.“ Motto: Ich bin der Mann und ich entscheide, wo die Grenzen sind.

Juristisch war das bisher alles eine Grauzone. Emotional: eher mau. Und gesellschaftlich? Nun ja, stellen wir uns einfach vor, Frauen würden massenhaft ungefragt Fotos ihrer Vulva verschicken, begleitet von dem Satz: Ich fühlte mich einsam. Und ich dachte, das passt jetzt gut zum Wetterbericht. Ich glaube, niemand hätte Lust, da weiterzulesen. Ab September 2025 gilt auch in Österreich: Wer jemandem ungefragt und absichtlich sein bestes Stück aufs Handy schickt, macht sich strafbar. Endlich ein Gesetz für alle, die ihr Genital bislang für eine charmante Visitenkarte hielten.

Warum nur?

Eine Studie, 2020 im „Journal of Sex Research“ veröffentlicht, zeigte,  dass die  meisten Männer Dick Pics versenden, weil sie hoffen, im  Gegenzug Nacktbilder zu erhalten. Die gewünschte Reaktion der  Empfängerinnen ist meist sexuelle Erregung. Männer, die berichteten, unaufgeforderte Penisfotos geschickt zu haben, zeigten außerdem ein höheres Maß an Narzissmus

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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