Erotik 3.0: So lustvoll ist feministischer Sex

"Ja, ich wil" Einer der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Botschaft überhaupt, wenn es um feministisch orientierten Sex geht.

"Ich würde dich jetzt berühren – okay für dich?" Diese Frage gestellt zu bekommen, in einem atmosphärisch dichten Augenblick fortgeschrittener Geilheit, schien wie ein harter Schnitt. Der Zauber, perdu. Ungewohnt, so gar keine männliche Attitüde. Machen, machen, machen, hieß stets das Gebot der Stunde. 

Hieß: Er machte, sie machte mit. So war das: Als Frau nie gefragt werden, einfach tun, nach Art des so genannten Stärkeren, der bestimmte, wo, wie und wann es rein- und wieder rausgeht. Sie tat mit, egal, wie sie sich dabei fühlte. Und nun, auf einmal dieses "Okay?". Seltsam, irgendwie ungeil.

Die Geschichte, mir von einer Frau in den späten Dreißigern per Mail erzählt, endete sehr sexy. Schon der Betreff machte mich neugierig: "So erotisch kann Feminismus sein – (m)eine Geschichte." Von ihrer Begegnung mit einem feministisch denkenden Mann, für den Konsens nicht nur ein zaches Konzept ist, über das in der Herrensauna gewitzelt wird. Nein. Für ihn ist ein "Ja" Voraussetzung zu handeln, sodass es im Idealfall gar nicht zu einem "Nein" kommen muss.

Von dieser Spezies gibt’s immer mehr – und mit ihnen zu vögeln, kann verdammt viel Spaß machen. Es sind Männer, die mit Frauen in den Dialog gehen, um zu checken, ob das, worauf sie Lust haben, mit ihrer Lust korreliert. "Im fortgeschrittenen Koitus-Stadium war das ein kleines Wunder, weil ich immer dazu neigte, alles mitzumachen, um den Fluss des Geschehens nicht zu unterbrechen und womöglich prüde zu wirken. Ich tat immer auch Dinge, die ich nicht mochte." Der kurze Check ermögliche ein Innehalten: Will ich das wirklich? Endlich ist da einer, der darauf Rücksicht nimmt. Kurswechsel, einfach so und unkompliziert. Von einem, der über seine eigenen Wünsche genauso reden möchte wie über ihre.

Der kurze Check ermögliche ein Innehalten: Will ich das wirklich? Endlich ist da einer, der darauf Rücksicht nimmt. Kurswechsel, einfach so und unkompliziert. Von einem, der über seine eigenen Wünsche genauso reden möchte wie über ihre.

Gemeinsame Wunschvorstellungen

Feministisch denkende Männer ehren die Frau, ihren Körper, ihr Begehren, ihre Fantasien, ihre Gedanken – und trotzdem (oder gerade deshalb) kann alles möglich sein. Rough Sex, heftige Fantasien und Abgründe oder aber Slow Sex und innig-stille Hingabe. Alles eine Frage gemeinsam besprochener Wunschvorstellungen. Dann müssen Frauen nicht mehr Orgasmen vorspielen, um sexuellen Geschlechterstereotypen zu entsprechen und dem Mann zu gefallen. Das ist auch für Männer gut, im Sinne eines Qualitätsanspruchs und gelebter Authentizität.

Vor allem aber ist es keine Absage an die Geilheit, wie eine neue Studie zeigt, die vor Kurzem in den „Archives of Sexual Behavior“ veröffentlicht wurde. Darin berichteten Forscher, dass die meisten feministisch-heterosexuellen Männer keinen Konflikt zwischen ihren feministischen Prinzipien und ihren sexuellen Wünschen empfinden. Mehr noch: Sie befürworteten, dass feministische Werte ihre sexuellen Beziehungen durch offene Kommunikation und gegenseitigen Respekt verbessern. Die Studienteilnehmer betonten außerdem, wie sehr ihnen feministische Prinzipien halfen, das Wohlbefinden und die Einvernehmlichkeit ihrer Partnerinnen zu priorisieren, was zu erfüllenden sexuellen Erfahrungen führte. 

Nicht immer einfach, zumal patriarchalisches Denken gesellschaftlich nach wie vor da ist. Demnach müsse männlich-sexuelles Verlangen grob, aggressiv und räuberisch sein. Ein Bild, das verunsichere und, so die Studienteilnehmer, manchmal zur Verwirrung und Zurückhaltung beim Äußern sexueller Wünsche führen würde. Da sage ich nur: Lasst euch nicht irritieren, ihr Lieben! Macht es wie der Lover der Leserin, deren Resümee am Ende ihrer Nachricht so lautete: "Der geilste Sex meines Lebens – und er läuft immer noch."

Buchtipp

Die Lektüre zur Kolumne: Im Buch „Feministinnen haben den besseren Sex“ (erschienen 2020, Knaur) zeigt die Autorin Flo Perry humorvoll und unverklemmt, warum Frauen allen Grund haben, ihr Spiegelbild zu lieben. Klein, groß, dick, dünn, haarig oder nicht – alle ihre Illustrationen feiern den weiblichen Körper in seiner Vielfalt.  Außerdem  geht es um Orgasmen, Selbstbefriedigung, Vorlieben und Gefühle. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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