Couple problem

Wütend auf den Partner: Ausweg in fünf Schritten

Wut soll uns schützen – doch in Beziehungen wird sie oft toxisch. Eine Paartherapeutin erklärt die Ursachen und verrät Lösungen

Von Camares Amonat

Wut ist eine natürliche Reaktion auf Frustration oder Unrecht. Die Emotion signalisiert Gefahr oder unbefriedigte Bedürfnisse und bringt uns dazu, Grenzen zu setzen und Veränderungen zu fordern. Wut dient unserem Schutz und reguliert soziale Interaktionen. Doch wenn wir sie unkontrolliert gegen unseren eigenen Partner oder die Partnerin richten, wird sie toxisch und schadet auf Dauer der Beziehung.

Toxische Wut stört das Gefühl von Vertrauen oder Sicherheit und kann langfristig sogar zur Trennung fühlen. Sie äußert sich unter anderem in Beschimpfungen, emotionaler Gewalt, aggressivem Verhalten oder häufigen Stimmungswechseln und kann schädlich für die körperliche und mentale Gesundheit des Paares sein, erklärt Therapeutin Fiona Grabow. Toxische Wut sei oft übersteigert, kontrollierend oder manipulativ und basiere in vielen Fällen auf tieferliegenden Ängsten oder ungelösten inneren Konflikten, so die Expertin.

Ein Beispiel zeigt den Unterschied. Wer sich etwa ärgert, weil der Partner einen Termin vergessen hat, sagt: „Ich bin enttäuscht, dass du das vergessen hast.“ Hier steht das eigene Gefühlserleben im Fokus. Toxische Wut hingegen äußert sich durch Vorwürfe: „Du bist wie alle, unzuverlässig und respektlos!“ Oft folgen weitere Schuldzuweisungen oder ein Rückzug, bei dem die wütende Person wie zur Bestrafung jegliche Kommunikation verweigert.

Dass der Partner oder die Partnerin so häufig zum Ziel toxischer Wut wird, hat der Paartherapeutin zufolge einen einfachen Grund: „Der Partner ist häufig die engste Vertrauensperson und spiegelt oft unsere tiefsten emotionalen Wunden wider“, erklärt Grabow. In der Intimität einer Beziehung gelangen verborgene Gefühle leichter an die Oberfläche. Zudem kann das Vertrauen darin, dass der Partner selbst bei Wutausbrüchen präsent bleibt, zu einem ungefilterten Ausdruck der eigenen negativen Gefühle führen.

Doch hinter toxischer Wut steckt mehr als nur Ärger: Oft ist die Wut eine Sekundäremotion und dient als vermeintlich einfaches Kommunikationsmittel, um komplexe Gefühlserfahrungen wie Trauer oder Angst auszudrücken. Oft stecke dahinter auch ein tief verankertes Bedürfnis, wie der Wunsch nach Anerkennung, Wertschätzung, Respekt, Sichtbarkeit oder Liebe. Blieben fundamentale Bedürfnisse in einer Beziehung chronisch unerfüllt, staue sich Frustration an, so die Expertin.

Wer nicht gelernt hat, diese Unzufriedenheit gesund zu kommunizieren, drückt diese eher durch Wut und Angriffe aus. Die Paartherapeutin erklärt, das nagende Gefühl tiefer Enttäuschung und Ohnmacht verstärke die emotionale Reaktion zusätzlich.

Oft sind sich chronisch Wütende ihrer zerstörerischen Kommunikation nicht einmal bewusst. Zudem sind manche Menschen laut der Expertin anfälliger für toxische Wut als andere. Wer Schwierigkeiten bei der Selbstregulation hat und seine Emotionen generell nur schwer steuern kann, neigt eher zu Wutausbrüchen in der Beziehung. „Unverarbeitete Verletzungen, erlernte Konfliktmuster und frühe Bindungserfahrungen beeinflussen stark, wie wir Wut erleben und ausdrücken“, erklärt Grabow. Wer in seiner Kindheit Gewalt oder ständige Konflikte erlebt habe, neige möglicherweise eher zu ungesunden Wutmustern in der eigenen Beziehung.

Doch Wut bedeutet nicht automatisch Streit und Gefahr, sondern kann Paare mit einer gesunden Kommunikation sogar näher zusammenbringen. Der entscheidende Unterschied liegt in der Art und Weise, wie Paare und einzelne Partner die Wut erleben und kommunizieren. Konstruktiv und ruhig geäußerte Wut kann Klarheit schaffen, Grenzen setzen, wichtige Bedürfnisse deutlich machen und Paare dabei unterstützen, Konflikte offen anzusprechen und zu lösen. Denn Grabow warnt: Auch unterdrückte Wut könne zu emotionaler Distanz und versteckter Aggression in Beziehungen führen. Besser sind produktive Muster und Gesprächstechniken.

Um den Teufelskreis toxischer Wut zu durchbrechen, empfiehlt die Paartherapeutin fünf Schritte:

1. Bedürfnisse erkennen: Dafür sollten sich Betroffene zwei Fragen stellen: „Was steckt wirklich hinter meinem Frust?“ und „Was brauche ich von meinem Partner, damit es mir besser geht?“

2. Offen und klar kommunizieren: Betroffene sollten dem Gegenüber ihre Gefühle und Bedürfnisse ohne Vorwürfe mitteilen. So kann dieses das Problem verstehen, ohne in die Defensive zu gehen.

3. Aktiv zuhören: Auch die Sicht des Partners oder der Partnerin ist relevant: Was braucht er oder sie gerade? Was steckt hinter ihrem oder seinem Verhalten?

4. Klare Grenzen setzen: Wer zum Ziel von Wutattacken wird, sollte konsequent und deutlich kommunizieren, welches Verhalten nicht in Ordnung ist.

5. Unterstützung holen: Wenn Paare alleine nicht weiterkommen und die Konflikte immer wieder eskalieren, kann eine professionelle Beratung helfen.

Mit diesen Tipps muss toxische Wut nicht das Ende einer Beziehung bedeuten. Wenn Betroffene ihr Verhalten reflektieren und sich selbst regulieren, haben die verborgenen Bedürfnisse und der gesunde Dialog darüber sogar die Chance, die Bindung von Paaren zu verstärken. „Am Ende geht es darum, einander zuzuhören und gemeinsam Wege zu finden, wie beide Partner ihre Bedürfnisse in der Beziehung erfüllt sehen“, sagt Grabow. Die Auseinandersetzung mit der Wut kann dann zum Wendepunkt werden. Denn statt sich in Vorwürfen zu verlieren, bilden Paare ein tieferes Verständnis füreinander.

Sollten Sie Fragen zu einem Partnerschaftskonflikt oder sonstigen Beziehungsthemen haben, schreiben Sie uns einfach unter [email protected]. Die Anfragen werden gesichtet, sortiert und gegebenenfalls anonymisiert veröffentlicht. Unsere Beziehungsexperten geben dann Antwort auf die wichtigsten Fragen.

Der Partner ist häufig die engste Vertrauensperson und spiegelt oft unsere tiefsten emotionalen Wunden wider.

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