Sex in der Freizeit

Polyamorie und Swingen: So wild trieben es die Menschen früher

Ein Blick in die Geschichte zeigt: Schon immer sehnten sich die Menschen nach Abwechslung und danach, ungezügelt ihren Begierden zu folgen.

Da ein Gspusi, dort ein Gspusi, offene Beziehungen, elastische Partnerschaftsmodelle: Mehr denn je leben wir in einer Ära, in der "nix fix" ist und sich neue Liebesentwürfe entwickeln. So mancher geht nicht mehr heimlich "fremd", sondern deklariert sich hochoffiziell als horizontal authentische Spaßkanone mit Lust auf Neues. 

Was oftmals das Ergebnis eines holprigen Diskussionsprozesses ist, dem so manche Fragen vorangingen, etwa: War’s das jetzt? Zumal Monogamie nie ein Naturgesetz war, sondern eine gesellschaftliche Konstruktion, die evolutionäre oder wirtschaftliche Vorteile brachte. Aber das Lieben, das Begehren evolviert, so scheint’s zumindest. Womit das Prinzip "sexuelle Offenheit" als lüsternes Kontrastprogramm zur weniger saftigen Monogamie als etwas Neues verkauft wird. Falsch.

Genauer betrachtet wirkt die "Valentinage" wie die mittelalterliche Version des heutigen "Swingens": Der Gatte sah zu, wie es seine Liebste mit dem "Galant" trieb. Im weitesten Sinne ein ferner Vorläufer des heutigen "Cuckolding". 

Der Blick zurück zeigt, dass der Mensch schon immer nach Abwechslung dürstete – und da reden wir nicht nur vom Kommunentreiben der 1960er-Jahre. Da wäre zum Beispiel der hübsche Begriff "Valentinage" als mittelalterliche Tradition (vor allem im nordfranzösischen und englischen Raum), wo Ehefrauen die Freiheit hatten, außereheliche sexuelle Beziehungen einzugehen – zu einer Zeit, in der Ehen vor allem arrangiert und weniger romantischen Gefühlen geschuldet waren.

Genauer betrachtet wirkt die "Valentinage" wie die mittelalterliche Version des heutigen "Swingens": Der Gatte sah zu, wie es seine Liebste mit dem "Galant" trieb. Im weitesten Sinne ein ferner Vorläufer des heutigen "Cuckolding". Das Ganze folgte dem Spieltrieb – der "Lover", immer ein Junggeselle, wurde ausgelost, wodurch für kurze Zeit eine neue Paarung entstand, als Symbol für die "Erneuerung der Liebeskräfte" und die Wiederkehr des Frühlings, bei diversen Festen, vor allem im Mai.

Radikal anders hingegen die "Libertinage", als philosophische Haltung, die sich gegen Religion, Ehe und gesellschaftliche Zwänge richtete. Deren Vertreter – etwa de Sade und Casanova – widersetzten sich jeglichen Regeln und Verpflichtungen, um stattdessen der sexuellen Freiheit und dem Lustprinzip zu huldigen, abseits des Begriffs "Untreue". Man vögelte sich offiziell durch die Welt, eine ehrlich gelebte Zügellosigkeit, die vor allem gut situierten Männern vorbehalten war. 

Doch selbst die "Polyamorie", bei der es nicht um Sex, sondern um "Viel-Liebe" geht, ist nicht neu: Bereits im Zuge der Aufklärung, um 1800 herum, entstanden alternative Vorstellungen von Liebe, Ehe und Partnerschaft. In gewissen Kreisen lebte man "Liebeskooperationen", die heutigen polyamorösen Beziehungen ähneln.

Wie auch immer – zuzustimmen ist jedenfalls dem Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez, der einst schrieb, dass jeder Mensch drei Leben hätte: ein öffentliches, ein privates und ein geheimes. D'accord mit dem, was Kate Lister dazu im Buch "Sex. Die ganze Geschichte" schreibt: Aus ihrer Sicht sei das "geheime Leben" zugleich unser ehrlichstes. Allerdings "zwingen wir diesen ehrlichen Teil von uns in die Verborgenheit, weil das System, das wir selbst geschaffen haben, bestimmt, dass er unvereinbar ist, mit unserem öffentlichen und unserem privaten Leben." So wurde Sex zur Moralfrage und zu etwas, das es zu zügeln und zu kategorisieren gilt.

Umso mehr scheint Listers Fazit von immerwährender Gültigkeit: "Wenn wir versuchen, unser Verlangen zu unterdrücken, wird daraus ein Vulkan, der unterhalb unserer Strukturen von Moral, Ethik und Anstand vor sich hin brodelt. Und irgendwann kommt es zum Ausbruch – denn für einen Orgasmus haben Menschen seit jeher Haus und Hof riskiert."

Sex-Report

Eine repräsentative Umfrage von Marketagent in Kooperation mit PULS 4 beleuchtet die sexuellen Vorlieben der Österreicher. Ein Ergebnis: Die Offenheit gegenüber unverbindlichem Sex und Affären ist groß: Jede/jeder Zweite hatte einen One-Night-Stand, mehr als jede/jeder Vierte berichtet von einem Seitensprung (27 %). Auch außereheliche Affären sind mit 22 % keine Seltenheit – je älter die Befragten, desto häufiger. 

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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