Warum erotische Fantasien zu einem erfüllten Sexleben gehören

Sexuelle Fantasien schlummern in jedem Menschen. Weil es lustvoll und inspirierend sein kann, erotisch zu „träumen".

Die Fantastischen Vier mag ich gerne, speziell folgende Textzeilen: "Nur in meinem Kopf seh’ ich dich so wie ich dich seh’. Nur in meinem Kopf die Dinge, die nur ich versteh’. Nur in meinem Kopf läuft das ab, was mich betrifft.“

– So ist es.

Womit wir bei einem beliebten, aber immer noch heiklen Thema wären: sexuelle Fantasien. Keine Rarität, im Gegenteil. So gut wie jeder hat sie, mehr oder weniger bewusst – sie sind Teil des eigenen sexuellen Systems und der eigenen sexuellen Biografie. Befragungen zeigen, was vielen Menschen in Sachen Erotik am häufigsten durch den Kopf geistert: Dreier, Sex mit Fremden, Gruppensex, Bondage, Sex an schrägen Orten mit schrägen Typen, Unterwerfung, Orgien. Allerlei also – Tabus existieren kaum, die Vielfalt ist groß. Vor allem aber trägt so gut wie jeder solche Bilder in sich. Sie wabern durchs Gehirn, werden aber oft verdrängt, weil sie schambehaftet sind. Motto: Das ist nicht normal! Aber wer definiert, was "normal“ ist? Alles, was anderen nicht schadet, darf sein, überhaupt "da oben“, im Reich der Gedanken. Zumal es in vielen Fällen gar nicht zwingend die konkrete Umsetzung in die Schlafzimmer-Praxis braucht, allein die Vorstellung kann vieles bewirken. Das Gehirn ist ein mächtiges Sexualorgan. Die einzigen Grenzen, die existieren, sind die eigenen. Man kann sie ausdehnen, überschreiten, damit experimentieren – um bisher unbekanntes Terrain und tiefe Wünsche zu entdecken. Der Kopf ist eine Freihandelszone.

Daher wäre es durchaus angebracht, in sich zu gehen, um sich ein paar Fragen zu stellen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was erregt mich? Keine Angst: Es sind nur Bilder. Nicht alle davon müssen zwingend und in der Sekunde ausgelebt werden, das sollte leicht und spielerisch bleiben.

Wer bin ich? Was erregt mich?

Zumal jede Sehnsucht eine Geschichte erzählt – über uns selbst, über verborgene Ecken im Denken und Fühlen. Sie zeigen sehr schön, was ungelebt ist und vielleicht noch verwirklicht werden möchte. So betrachtet, können erotische Fantasien beleben, inspirieren und zur Weiterentwicklung beitragen.

Häufig jedoch werden Fantasien lieber archiviert und hinterm Perlenvorhang versteckt – vor sich selbst und den anderen sowieso. Schade. Weil die Fähigkeit, erotische Visionen und Träume entwerfen zu können (um sie irgendwann auch seiner Partnerin, seinem Partner zu kommunizieren), zu einer erfüllten Sexualität gehört. Daher wäre es durchaus angebracht, in sich zu gehen, um sich ein paar Fragen zu stellen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was erregt mich? Keine Angst: Es sind nur Bilder. Nicht alle davon müssen zwingend und in der Sekunde ausgelebt werden, das sollte leicht und spielerisch bleiben. Doch in jenem Moment, in dem man sich mit seinem Gegenüber darüber erstmals austauscht, öffnet sich nicht nur ein neuer Raum, sondern eine Möglichkeit. Ja! So könnte der gemeinsame Sex vielleicht auch sein – wenn sich beide dafür entscheiden, wenn beide das wollen. Alles ist möglich – vorausgesetzt, es geschieht konsensuell, sicher und mit ganzem Herzen. Dazu gehört zweifellos Mut, zumal manche dieser inneren Bilder durchaus heftig erscheinen mögen. Wer aber sein sexuelles Selbst kennt und leben mag, sollte davor nicht davonrennen – sondern sich die Reise ins wilde Land der Gedanken gönnen. Und was gibt es Besseres, als sich zurückzuziehen und sich tiefenentspannt seinem Kopfkino zu überlassen?

Wie gesagt: Manchmal entsteht daraus der konkrete Wunsch, all das mit einem anderen Menschen zu teilen, im Sinne: So will ich das mit dir erleben und ausprobieren. Aber wie sag’ ich’s nur? Keine Eile, kein Stress, kein Druck. Und ein kleiner Kunstgriff: Indem man vielleicht von einem nächtlichen Traum erzählt, der für erotische Gefühle sorgte. Und schon sind zwei mittendrin im träumerischen Lustgarten namens "Was wäre, wenn …?!“

Buchtipp

LalalaLetMeExplain ist ein anonymer Instagram-Account, hinter dem eine Sozialarbeiterin steckt – spezialisiert auf Sexualität, Dating und Beziehungen. Jetzt ist ihr Ratgeber "No More Tears. Dein Anti-Fuckboy-Guide“ erschienen. Er zeigt, worauf Frauen achten müssen, damit sie nicht in eine Beziehung mit Männern geraten, die nur Sex wollen oder Frauen hassen. Erschienen im Goldmann Verlag, 15 €

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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