Männlichkeit - was heißt das eigentlich genau beim Sex und überhaupt?
Im Buch "Bock" bohrte Katja Lewina in männlichen Seelen, ein deutsches Theaterprojekt machte daraus einen Abend. So erstaunlich wie spannend.
Ja, da wäre ich gerne dabei gewesen, das hätte ich gerne gesehen, auch im Sinne der Kolumne vergangener Woche. Schade, aber zu weit weg: Im "Theater an der Ruhr" nämlich, nahe Duisburg und Essen, fand ein szenischer Abend über "Bilder und Gegenbilder männlicher Sexualität“ statt, O-Ton: "Zwischen Männlichkeitsritualen und Zweifeln, Potenzdruck und Kontrollverlust, Übergriffigkeiten und Zärtlichkeiten ist das Mannsein, in der Dämmerung des Patriarchats, alles andere als eine klare Sache. Welche Bilder von Männlichkeiten und Sex prägen uns – von der Kindheit bis ins hohe Alter?“
Wichtiges Thema, inspiriert durch das wunderbare Buch "Bock. Männer und Sex" von Katja Lewina, die dafür in zahlreichen Gesprächen mit Männern deren Leben erforscht hat, konkret ihr sexuelles Leben, wie der Titel verrät.
Dabei wurden viele spannende und oftmals verschwiegene Themen berührt: Wo fängt Sexualität an? Wie ist das jetzt genau mit der Penisgröße? Oder mit dem Masturbieren? Das zugehörige Kapitel heißt übrigens: "Ich wichse, also bin ich (nicht)." Und weiter so: vom Pornoschauen bis zu Potenzproblemen später, vom Orgasmus-Muss zum Schluss mit Schnellschuss. Und, ganz zu Ende ist sogar vom "sexuellen Ruhestand" die Rede.
Männer tun das leider gar nicht gerne, eher führen sie Koitus-Abhak-Listen, onanieren still und heimlich vor sich hin oder überhöhen sich selbst. Und manchmal ist da einfach nur die nackte Angst, nicht verstanden zu werden, falsch zu sein und Falsches zu tun.
Die Beischlaf-Liste
Manches davon kam mir beim Lesen sehr bekannt vor, etwa, wenn Männer laut über die "Liste" nachdenken, die sie führen, wenn sich die Sex-Partnerinnen nicht mehr locker an einer Hand (oder an zwei Händen, bis zehn geht eh noch) abzählen lassen.
Was da draufsteht, wollte Lewina wissen: "Meist nur Namen, versehen mit einer Zahl." Gitti, Nr. 83, etwa. Einer ihrer Interviewpartner gab schließlich zu, dass es vielleicht angemessen gewesen wäre, zu jeder Person eine Anekdote aufzuschreiben. Bingo, Boy! Trotzdem seltsamer Gedanke, als Frau auf so einer Liste verewigt zu sein. Mich interessiert: warum? Was treibt Männer an, so zu funktionieren und diese "Zeit ihres Lebens" in eine "Sexcel"-Tabelle zu packen? Und andererseits: Warum haben so viele Angst vor einem Gesichtsverlust, bis hin zum Gefühl einer "Entmännlichung", wenn Probleme, Angst und Druck auf den Tisch kommen? Darüber könnte man nächtelang, tagelang reden – weil es helfen würde, sich selbst und einander besser zu verstehen.
Männer tun das leider gar nicht gerne, eher führen sie Koitus-Abhak-Listen, onanieren still und heimlich vor sich hin oder überhöhen sich selbst. Und manchmal ist da einfach nur die nackte Angst, nicht verstanden zu werden, falsch zu sein und Falsches zu tun. Lewina kam in ihrem Buch zu dem Schluss, dass jene Männer, mit denen sie über deren Liebesleben gesprochen hatte, es gerne taten. Sie war erstaunt, wie freimütig intimste Details offenbart wurden. "Dinge, die sie vorher nie jemandem erzählt hatten", schrieb sie.
Tipp
Krankheit und Sexualität – immer ein schwieriges Thema, insbesondere, wenn es um Krebs geht. Die Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Intimität bleibt, Experten ermutigen. Eines von vielen Themen, das beim ersten Online-Kongress für Angehörige von Krebspatienten besprochen wird und wozu auch Fragen gestellt werden können. Wann: 13. und 14. September 2024, Anmeldung unbedingt erforderlich, Info: krebshilfe.net
Womit sie ermutigen möchte, dass gesagt werden kann, was ist oder was war, ohne dass sich ein Mensch dafür zu schämen braucht. Weil wir, als Menschen, egal welche sexuelle Orientierung, egal, welchen Geschlechts, sexuelle Wesen sind – und es in diesem Sinne kaum ein Falsch oder Richtig gibt (außer aber, andere werden verletzt). Es gäbe so vieles zu verändern, der Wunsch ist groß. Das aber geht nur, wenn wir miteinander reden – und uns trauen, sich zu zeigen. In Reflexionen abseits von Schwanzvergleichen und Pseudo-Machtgetue. Im Erkennen, dass Schwächen und Ängste Teil des Spiels sind und dass es eben nicht darum geht, so zu tun, als hätte man alles immer im Griff. So könnten Ungleichheiten verschwinden, nur so werden wir aneinander lernen, meinte Lewina. High Five – wie wahr, wie wichtig.
Kommentare