Paar unterschreibt einen Ehevertrag

Scheidungsexpertin verrät, was man beim Ehevertrag beachten sollte

Für wen ist ein Ehevertrag sinnvoll? Und was sind die Vor- und Nachteile? Wir haben mit Scheidungsexpertin Susanna Perl-Lippitsch gesprochen.

Einen Ehevertrag abzuschließen, ist keine Seltenheit mehr. Laut einer neuesten Studie von Marketagent.com hat jeder zehnte Österreicher schon einmal einen Ehevertrag unterschrieben

Scheidungsexpertin Susanna Perl-Lippitsch erklärt sich das so: "Ehepaare können mittlerweile mehr vereinbaren als noch vor ein paar Jahren. Zudem dürfte vielen klar geworden sein, dass eine Ehe nicht automatisch erst mit dem Satz 'bis dass der Tod uns scheidet' endet. Vielen Eheleuten ist es wichtig, wirtschaftlich unabhängig vom Partner zu sein und Streitereien gleich im Vorfeld zu vermeiden."

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Was euch in dieser Geschichte erwartet:

  • Für wen sich ein Ehevertrag lohnt und was die Vorteile sind
  • Ob Haustiere auch ein Thema sind
  • Was die Nachteile eines Ehevertrags sind

Für wen lohnt sich ein Ehevertrag?

Ein Ehevertrag sei vor allem dann ratsam, wenn einer der beiden Partner viel mehr als der jeweils andere verdient oder Vermögen in die Ehe einbringt. "Dadurch kann man große Vermögensverschiebungen oder Verluste gleich abfedern", so Perl-Lippitsch gegenüber freizeit

Außerdem geht es darum aufzuklären, wer was in die Ehe miteinbringt, wie etwa eine Eigentumswohnung: "Vielleicht möchte man zum Beispiel, dass im Sterbefall die Kinder aus der früheren Beziehung darauf Anspruch haben und nicht der Ehepartner." Bei diesen Angelegenheiten muss auch eine Notarin oder ein Notar hinzugezogen werden. 

Mag. Susanna Perl-Lippitsch

Mag. Susanna Perl-Lippitsch

©Susanna Perl Scheidungsboutique 360

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Unterhalt. "Die Wenigsten wollen im Falle einer Scheidung Unterhalt zahlen." Bei Liegenschaften, zum Beispiel bei Eigentumswohnungen, kommt es häufig zum Streit: "Oft ist die Sorge groß, dass im Falle einer Scheidung der Partner ein Wohnrecht hat und in dem Haus bleiben darf.“ Im Ehevertrag kann man aber schon im Vorfeld klären, dass die Wohnung im Scheidungsfall bei demjenigen verbleibt, der sie eingebracht hat.

Was sind die Vorteile eines Ehevertrags?

Mithilfe eines Ehevertrags kann man sich weitere böse Überraschungen ersparen: "Viele Menschen wissen zum Beispiel nicht, dass, wenn sie heiraten, sie dem anderen zu Unterhalt verpflichtet sind." Normalerweise geht das über Naturalleistungen, das heißt: Der eine Partner zahlt den Urlaub, der andere zahlt die Lebensmittel und die Dinge, die die Kinder anbelangt etc. "Aber wenn es zum Streit kommt und ein Partner sehr viel mehr als der andere verdient, hat man bei aufrechter Ehe einen Geldunterhaltsanspruch gegenüber dem anderen.“

Auch Haustiere sind im Falle einer Scheidung oft ein Thema. Im Ehevertrag kann man im Vorfeld klarstellen, zum Beispiel wem der Hund gehört bzw. wie man sich das 'Sorgerecht' aufteilt. 

Was nicht vor Gericht hält

In den letzten Jahren ist es vermehrt vorgekommen, dass Paare "sexuelle Freizügigkeit" im Ehevertrag stehen haben wollen, also zum Beispiel eine offene Ehe. Das hält aber nicht vor Gericht. Perl-Lippitsch stellt klar: "Das gilt trotzdem als Scheidungsgrund."

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Was ist der Nachteil eines Ehevertrags?

Ein Nachteil des Ehevertrags sind die Kosten. "Dazu kommt die Vergebührung des Vertrages. Die Gebühren sind manchmal teurer als das Vertragswerk an sich. Das ist oft ein Hindernis", so Perl-Lippitsch. Für den wirtschaftlich Schwächeren gereicht ein Ehevertrag fast immer zum Nachteil, da er auf gesetzliche Ansprüche verzichten wird. "In jedem Fall muss sich die Person vorher gut informieren und beraten lassen." Allerdings kann man den Partner in der Regel auch nicht mit Almosen abfertigen, wenn der andere mehr weit mehr verdient: "Im Scheidungsfall hält das dann meist nicht."

Zur Person: Susanna Perl-Lippitsch

Susanna Perl-Lippitsch wurde 1976 geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und im Anschluss daran absolvierte sie eine Ausbildung zur Mediatorin. 2008 absolvierte die Scheidungsexpertin die Rechtsanwaltsprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg. In renommierten Kanzleien, wie Schatz & Partner Rechtsanwälte OEG und bpv Hügel Rechtsanwälte OG, konnte sie ihre fachlichen Kompetenzen vertiefen. Neben ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin ist Frau Perl-Lippitsch auch Fachbuchautorin und Vortragende zum Thema Unterhalts- und Ehegüterrecht und darüber hinaus Prüfungskommissärin für die Rechtsanwaltsprüfung. Anfang dieses Jahres gründete sie mit ihrer Scheidungsboutique 360° ihre eigene Kanzlei, hochspezialisiert auf Scheidungs- und Erbrecht. Das österreichische Wirtschaftsmagazin "Trend" wählt die Expertin seit 2013 laufend in die Top 10 der besten Familien- und Erbrechtsexpert:innen Österreichs. Perl-Lippitsch ist Mutter von drei Kindern, selbst geschieden und wieder verheiratet.

 Weitere Informationen über die Scheidungsboutique 360° finden Sie unter: susannaperl.at

Liisa Mikkola

Über Liisa Mikkola

Digital Producer bei freizeit.at, dem Digitalformat der KURIER freizeit.

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