Wenn Vulkane ausbrechen
Warum es gut sein kann, wenn landestypisch verbaute Schalter manchmal nicht funktionieren
Die Stadt Neapel und Umland, der Dottore Amore samt süditalienischer Großfamilie, Hund, Bambino und ich: wir haben aufregende Wochen hinter uns. Lange war die SSC Napoli auf dem Weg zum Meistertitel, am 4. Mai schafften sie den dritten Scudetto! Der Dottore Amore weinte, Neapel weinte, der Vesuv brach aus vor Freude. Uns erreichten Handyvideos, die Feuerwerke über der ganzen Stadt zeigten, im Glücksdelirium taumelnde Menschen, jung, alt, Frau, Mann, Katz, Maus.
In Neapel herrscht immer das Chaos. Aber an diesem Tag erreichte das Chaos neue Dimensionen: laut, wild, ekstatisch, alle außer sich. So etwas könnten wir Österreicher nicht einmal, wenn wir wollten. Wir haben einen eingebauten Zurückhaltungsmechanismus, der Ausflippen auf Neapolitanisch unmöglich macht. Der Dottore Amore und sein bester Dottore Amico überlegten zwar, ob sie hupend durch die Stadt rasen und Feuerwerk aus dem Fenster ballern sollten. Es war allerdings kurz vor Mitternacht, der Dottore Amico tags darauf als Anästhesist im Dienst, der Dottore Amore hatte ein paar Männer zu vasektomieren und Wien ist nicht Neapel. Also blieben sie zuhause.
Es war der erste Titel ohne Diego Maradona, nach dem nicht nur das Stadion benannt ist, sondern der neben San Gennaro und Padre Pio mittlerweile zum dritten Stadtheiligen aufgestiegen ist – obwohl er sich abseits des Platzes nicht allzu heilig benahm. Das kann Neapel: Auch das Unperfekte umarmen, zuweilen über Dreck und Chaos hinwegschauen, um uneingeschränkte Freude auszuleben, egal wie viel mehr Dreck und Chaos das erzeugt. So vieles funktioniert in Neapel nicht. Aber wenn einmal etwas funktioniert, kennt das Glück keine Grenzen. Und davon könnten wir lernen. Gelegentlich den Zurückhaltungsmechanismus außer Betrieb nehmen, um die Welt zu umarmen. Weil es nichts Schöneres gibt, als sich bedingungslos zu freuen.
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