Fabelhafte Welt: Leben im Energiesparmodus

Warum es zuweilen gut ist, in der Kindheit anerzogene Verhaltensmuster nicht ablegen zu können

Geht mein Mann schlafen, stehe ich oft nochmals auf und kontrolliere, ob er alle Lichter ausgemacht hat. Täte ich das nicht, schliefen wir bei Festtagsbeleuchtung in überhitzten Räumen. Weswegen ich auch eine Nachtabsenkung programmiert habe, aber das weiß er nicht. Er glaubt, dass er infolge von Müdigkeit friert, wenn er nachts auf die Toilette tapst. Auf welche ich ihm ebenfalls nachschleichen muss, weil „Stoßlüften“ für ihn bedeutet, das Fenster aufzustoßen. Ohne es anschließend wieder zu schließen. Leider bin ich diesbezüglich Sklavin meiner selbst. Ich kann nicht anders – ich wurde im Energiesparmodus erzogen. In meinem Elternhaus steckte kein Elektrogerät in der Steckdose, sondern in Verteilerbüchsen, deren rot leuchtende Schalter wir nach Gebrauch ausknipsten, damit nicht das Standby-Modus-Monster heimlich Strom frisst. Was die Pubertät meines kleinen Bruders verkomplizierte, war, dass dadurch auch das Internet um zehn Uhr schlafen ging. Wir hatten schon überall Energiesparlampen, als diese noch eine Viertelstunde brauchten, um hell zu werden. Vollbäder gab es nur bei Sonnenschein, denn das Wasser wärmte die Solaranlage.

Gewisse Elektrogeräte wurden erst gar nicht angeschafft, weil die waren, wie mein Vater laut intonierte: „ENERGIEFRESSER!!“ Worauf wir Kinder antworteten: „BÖSE BÖSE BÖSE!“ Wer im Energiesparmodus aufwächst, kann diesen nicht einfach so verlassen. Doch einen Energiefresser benutze ich oft: den Elektroheizstrahler über dem Wickeltisch. Neulich vergaß ich jedoch, ihn wieder abzuschalten, weil Bambino dringend abgebusselt werden musste. Mein Mann stellte mich verärgert zur Rede: „In Zeiten wie diesen sollte man wirklich nicht unnötig Energie verschwenden.“ Ich wollte ihm entgegen: Das weiß ich seit dreiundreißig Jahren! Stattdessen antwortete ich automatisch: „BÖSE BÖSE BÖSE!“

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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