Guido Tartarotti

"Überleben": Untalentiert im Verabschieden

Vielleicht habe ich keine Begabung für Abschiede, weil ich sie nicht mag.

Neulich wurde mir vermittelt, ich gelte als untalentiert im Verabschieden. Der Ruf mag gerechtfertigt sein. Aber ich hatte kaum Gelegenheit, mir die Kulturtechnik des Verabschiedens anzueignen.

Als ich ganz jung war, durfte ich noch nicht auf Partys gehen. Als ich alt genug war, ging ich auf jede Party, die sich mir bot, und verabschiedete mich auf keiner einzigen, weil ich immer länger blieb als alle anderen. Ich war so motiviert, dass sich eher die Party von mir verabschiedete als umgekehrt und die Gastgeber schliefen, wenn ich ging.

Als ich älter wurde, kam es vor, dass ich nicht als Allerletzter ging, das wusste ich aber zu vertuschen, indem ich unauffällig verschwand. Als ich noch älter wurde, hatte ich dann keine Möglichkeit mehr, Verabschiedungskompetenz zu entwickeln, weil ich mich von der Idee Party an sich verabschiedete. Ich ging gar nicht mehr hin und kam daher nicht in die Verlegenheit, meine Nicht- oder Nicht-Mehr-Anwesenheit angemessen kommentieren zu müssen.

Vielleicht habe ich aber auch deshalb keine Begabung für Abschiede, weil ich sie nicht mag. Die große Geste, das lautstarke Lamento liegen mir in dem Zusammenhang nicht. Lieber als das peinliche "Ciao, baba, fall net, danke fürs Dabeisein, werma uns schon wieder, irgendwann einmal, ja, sicher, seh ma uns, Gruß an die Mama, baba, blabla" ist es mir, wenn ich mich bei gesellschaftlichen Terminen dezent durch die Hintertür verziehen kann; wenn Freundschaften, die zu Ende gehen, sich einfach mit der Zeit verflüchtigen; wenn mich niemand mit Verabschiedungsszenen behelligt.

Hier mehr lesen: "ÜberLeben": Einladungen der Zukunft

Das gilt übrigens auch für pseudospirituelle Abschiedsworte, wie: "Wenn sich eine Türe schließt, öffnet sich eine andere." – Wenn sich eine Türe schließt, ist sie zu. Und derjenige, der sie geschlossen hat, wird sich etwas dabei gedacht haben.

Deshalb brauchen Kolumnen meiner Ansicht nach auch keinen bedeutungsschwangeren Schlusssatz. Sie sind einfach aus.

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